Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Erster Weltkrieg
Das Ende der deutschen Kolonialherrschaft in Kamerun

Während des Ersten Weltkriegs kam es im August 2014 auch in Kamerun zu Kampfhandlungen. Die deutschen Kolonialherren befürchteten einen Aufstand der Einheimischen und griffen hart durch. Britische, französische und belgischer Einheiten drangen ab September ins Landesinnere vor. Dort waren Könige einiger Völker umgehend zu einer Zusammenarbeit bereit.

Von Birgit Morgenrath | 26.07.2014
    Auf einem Militärstützpunkt in der deutschen Kolonie Kamerun wird von in Tropenanzüge gekleideten Männern eine Fahne gehisst (undatierte Aufnahme aus der Kolonialzeit). Von 1884 bis zum Ersten Weltkrieg war Kamerun eine deutsche Kolonie, dann wurde es 1916 unter Großbritannien und Frankreich aufgeteilt.
    Von 1884 bis zum Ersten Weltkrieg war Kamerun eine deutsche Kolonie, dann wurde es 1916 unter Großbritannien und Frankreich aufgeteilt. Hier zusehen: Militärstützpunkt in der deutschen Kolonie Kamerun. (picture-alliance / dpa )
    "Ihr werdet Kamerun niemals haben."
    ... soll Martin Paul Samba noch kurz vor seinem Tod den deutschen Henkern entgegen gerufen haben. Ähnlich die letzten Worte seines Mitstreiters Rudolf Manga Bell:
    "Unschuldiges Blut hängt ihr auf (...) verdammt seien die Deutschen. Gott! Ich flehe Dich an: Höre meinen letzten Willen, dass dieser Boden niemals mehr von Deutschen betreten werde!"
    Wegen angeblichen "Hochverrats" wurden die beiden Aufständischen wenige Tage nach der Kriegserklärung, am 8. August 1914 hingerichtet: Samba, der ehemals in Deutschland ausgebildete Söldner, durch Erschießen, Bell, der König der Duala in der gleichnamigen Küstenstadt, durch den Strang.
    "Es ist eindeutig, es war natürlich eine sehr harte, es war eine oft unmenschliche Herrschaft und das zeigt sich darin, dass oft Menschen umgebracht wurden für Lappalien ..."
    ... sagt David Simo, Kameruner Professor für Germanistik. Ein Prototyp dieser Kolonialherren sei zum Beispiel der berühmt-berüchtigte Kolonialoffizier Hans Dominik gewesen, von dem sein Gouverneur Jesco von Puttkamer sagte, dass:
    "Seine bloße Anwesenheit in einer gefährdeten Gegend allein mehr bedeutete als zwei aktive Kompanien."
    Die deutschen Besatzer hielten sich nicht einmal an ihren eigenen sogenannten Schutzvertrag.
    "Vor allem in Duala, wo sie nicht zögerten, die Bevölkerung aus ihren angestammten Wohnorten zu verbannen, weil sie meinten, diese Orte wären hygienisch besser für die Gesundheit der Deutschen und deswegen müssen sie einfach verlegt werden für einen anderen Ort. Das heißt also, es war eine Unrechtsherrschaft und eine Willkürherrschaft in vieler Hinsicht."
    König schrieb mehrere Petitionen
    Vergeblich hatte der zeitweise in einer Pflegefamilie in Aalen aufgewachsene und bis zuletzt kaisertreue König Rudolf Duala Manga Bell in mehreren Petitionen an den deutschen Reichstag gegen die geplante Vertreibung und Zwangsumsiedlung seiner Landsleute protestiert. Aber angesichts der antideutschen Stimmung unter den Einheimischen befürchteten die deutschen Kolonialverwalter einen Aufstand. Und dies trotz erster alarmierender Nachrichten über herannahende feindliche Kriegsschiffe.
    "Die wollten tatsächlich ein Exempel statuieren, wenn ich die Verlautbarung nach der Hinrichtung lese, dann merkt man, dass die Deutschen einige Probleme hatten, die wollten erst mal zeigen, dass die vor nichts schrecken, um ihre Herrschaft aufrecht zu erhalten."
    Im September 1914 eroberten die Briten von See aus die Küste Kameruns. Britische, französische und belgischer Einheiten drangen nach der Landung ins Landesinnere vor. Dort waren die Könige einiger Völker umgehend zur Zusammenarbeit mit ihnen bereit:
    "Sie fürchteten, dass jetzt, nachdem sie ja schon sehr oft in Kriegen wie mit den Deutschen, so sehr gelitten hatten, dass es wieder von vorn anfängt, dass der beste Teil ihrer Männer da wieder fallen. Und daher haben sie sich bereit erklärt mit ihnen zu arbeiten in der Hoffnung, dass sie die Bevölkerung nicht schlecht behandeln werden."
    Die deutsche Schutztruppe führte noch bis Anfang 1916 Verteidigungsgefechte. Im März 1916 aber kapitulierte sie. Rund 500 deutsche und 5.000 afrikanische Soldaten sowie 40.000 Zivilpersonen retteten sich in die angrenzende neutrale Kolonie Spanisch-Guinea und entgingen so der Kriegsgefangenschaft. Andere Zivilisten an der Küste in Duala wurden interniert und in Hungerlager ins benachbarte französische Dahomey verschleppt. Die Letzten von ihnen kamen erst 1920 wieder frei.
    Der Versailler Vertrag, 1919, entzog Deutschland die Herrschaft über alle seine Kolonien. Kamerun ging offiziell zunächst in den Besitz des Völkerbundes über. Der teilte das Land dann in ein englisches und ein französisches Mandatsgebiet auf.
    "Der Mythos der Unbesiegbarkeit der Europäer war dahin"
    Die Erfahrungen der Afrikaner im Ersten Weltkrieg - sei es nun an der Seite der jeweiligen Kolonialmacht oder gegen sie gerichtet - haben dazu beigetragen, den Glauben an die Überlegenheit der Kolonialherren zu erschüttern, sagt David Simo.
    "Denn der Mythos der Unbesiegbarkeit der Europäer war dahin, nachdem man gesehen hatte, dass die Deutschen, die man wirklich für unbesiegbar hielt, dann besiegt wurden, glaube ich, wurde ein Mythos zerstört. Damit begannen die Leute, an einen Sieg gegen alle diese Kolonialherren zu denken und zu glauben."