Frankreich

"Ich bin nur ein armer Neger"

"Quenelle" ist in Frankreich eine Metapher für das, was wir "Stinkefinger" nennen. So heißt der Gruß, der einen französischen Komiker namens Dieudonné auch über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt gemacht hat - Eine Art umgekehrter Hitlergruß.
Dieudonné M’Bala M’Bala © picture alliance / dpa / Christophe Morin
Von Barbara Rosenberg · 17.01.2014
Er habe nichts gegen Juden, sagt Dieudonné M’Bala M’Bala und sieht sich als Opfer einer Medienkampagne. Kritiker hingegen werfen dem französischen Komiker antisemitische Hetze vor.
Ein Mann steht auf der Bühne: hellblaues Oberhemd über der schwarzen Hose mit Afrolook, Oberlippen- und Kinnbart. Sein Vater stammt aus Kamerun, seine Mutter ist Französin. Geboren wurde Dieudonné M’Bala M‘Bala 1966 in Fontenay-aux-Roses, einem Vorort von Paris. "In der Schule nannten sie mich Bambula und fragten, wo meine Hütte steht. Ich war immer der Neger, " erzählt er. In seiner Anfangszeit trat der ehemalige Autoverkäufer zusammen mit dem jüdischen Komiker Elie Semoun auf. Seit 1997 ist er Alleinunterhalter. Immer stärker schoss er sich auf die Verteufelung der Juden ein und klagte die "jüdische Lobby" an, sie monopolisiere das Leid und hasse die Schwarzen. Heute brauche man nur den Ärmel hoch zu ziehen und seine Nummer zu zeigen, um Anerkennung zu bekommen. Antisemitismus gäbe es in Frankreich nicht.
Die Medien seien fest in der Hand von Zionisten, und Zionismus sei das "AIDS des Judentums". Dieudonné - auf Deutsch "der Gottgegebene" - kokettiert bei seinem Auftritt damit, dass er mit Hitler verglichen werde und 17 Prozesse gewonnen habe. Während er sich aus einer Thermoskanne Tee einschenkt, erzählt er.
"Witzigerweise hat man das Gefühl - selbst wenn man es mit israelischen Söldnern und Terroristen zu tun hat - die zionistische Lobby möchte sogar den Angreifer, den israelischen Terroristen noch zur großen israelischen Familie zählen. Er ist unantastbar. Und es ist wirklich unglaublich, wie die rassistische Idee vom auserwählten Volk auf Menschen wirkt, die krank im Kopf sind. Sich als auserwähltes Volk zu bezeichnen - das empfinde ich als Psychokrankheit, als Sucht. Für mich ist es wie eine Droge - eine harte Droge, schlimmer als Heroin oder Kokain."
Im Januar 2002 behauptete Dieudonné in der Zeitung Lyon Capitale, der Begriff vom "auserwählten Volk" sei die "Erfindung des Rassismus". Das brachte ihm einen Prozess ein wegen Aufruf zum Rassenhass und Diffamierung des jüdischen Volkes. In erster Instanz wurde er freigesprochen. Dezember 2003 trat er in einer Fernsehshow auf, verkleidet als israelischer Siedler im Kampfanzug, mit schwarzem Hut und Schläfenlocken. Er hob den Arm zum Hitlergruß und sagte "Israel Heil". Im Gespräch spielt er das herunter als Kritik an der Siedlungspolitik Israels. "Israel Heil" habe er nicht gesagt. Der Anwalt Stéphane Lilti sieht in Dieudonné eine "emblematische Gestalt des modernen Antisemitismus".
Auf dem Niveau von Jean-Marie Le Pen
"Das Problem, das wir mit Herrn M’Bala M’Bala haben, ist neu in Frankreich. Denn normalerweise waren wir konfrontiert mit rechtsextremem Antisemitismus und Leuten mit kurzen Ideen und sehr kurzen Haaren. Dieudonné ist anders, weil das ein Antisemitismus ist, der aus einer Art Antikolonialismus stammt. Letztendlich sagt uns Dieudonné, seine Botschaft sei antirassistisch - eine Botschaft, die auf die Befreiung eines unterdrückten Volkes abziele. Aber die Instrumente, derer er sich bedient, um diese Botschaft rüber zu bringen, sind die gleichen, die Jean-Marie Le Pen in seinen Reden benutzte. Kürzlich hat Dieudonné die Feierlichkeiten zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz als 'Gedenk-Pornographie' bezeichnet. Das ist doch extrem schlimm. Da suhlt sich Dieudonné im Antisemitismus. Es ist umso beunruhigender, als er eine antifaschistische Vergangenheit hat. Dieudonné trat bei der Wahl gegen Le Pen an, und heute redet er genauso wie Jean-Marie Le Pen. Das erfüllt uns mit Besorgnis."
"Ich möchte Herrn Dieudonné sagen: Herr Dieudonné, haben sie sich nicht geirrt? Sind Sie nicht irgendwo zu weit gegangen? Denken Sie wirklich das, was Sie sagen? Meinen Sie nicht, dass Sie Menschen verletzt haben? Glauben Sie, dass Sie all diese Scheußlichkeiten sagen mussten? Wohin soll das führen? Was ist eigentlich Ihr Ziel? Warum das alles? Warum? Denken Sie wirklich, dass der CRIF Laboratorien in Amerika oder weiß ich wo befohlen hat, keine Nachahmer Präparate an AIDS Opfer zu verkaufen? Was ist das für ein Wahnsinn? Denken Sie, dass die Leute Sklavenhändler sind und Geld verdient haben mit dem Verkauf von Schwarzen? Woher haben Sie das? Ist bei Ihnen nicht irgendwo eine Sicherung durch geknallt?"
Bei Dieudonnés Soloauftritt im seinem eigenen Theater geht es um Laicité: die Trennung von Staat und Kirche und das Kopftuchverbot. Er mimt eine Elternversammlung: der Afrikaner, der Maghrebiner, die Vietnamesin - alle werden durch den Kakao gezogen. Dann kommt Herr Blumenthal dran.
"Ich schlage als vorbeugende Maßnahme für die ganze Klasse vor - wir haben die Unterstützung des Ministeriums. Ich hab da gute Kontakte - die Verteilung von Aufklebern 'Stopp dem Antisemitismus'. Außerdem - lassen Sie mich ausreden - soll jeder Schüler Sticker bekommen mit der Aufschrift 'Hände weg von meinem jüdischen Kumpel'. Da die Lage sehr ernst ist, haben wir vorgeschlagen - wir haben auch die Unterstützung des Medienrats - dass der Film 'Shoah' gratis vorgeführt werden soll. Die Pause soll dafür mindestens zwei Monate lang gestrichen werden, damit die Kinder ihn drei- oder viermal am Tag angucken."
Ein Opfer der Medien?
"Ich habe nichts gegen Juden, " beteuert Dieudonné im Gespräch. Er mache in dem Sketch keinen Unterschied zwischen Hautfarben und Rassen. Dazu eine Zuschauerin:
"Ich finde doch, dass es einen Unterschied gibt. Wenn er die Schwarzen und die Araber durch den Kakao zieht, sind das nette Scherze. Es ist rührend. Die Leute erscheinen als Opfer. Das sind sie ja auch. Aber wenn er die Juden angreift, finde ich, dass sein Humor höhnisch und boshaft wird: Er macht sie lächerlich. Man lacht über die Lächerlichkeit. Es berührt einen nicht. Sie wirken ein bisschen dumm. Wenn der Vater des jüdischen Schülers sagt, der Film 'Shoah' soll zweimal am Tag sechs Wochen lang gezeigt werden, dann hört sich das so an wie: 'Die sind ja besessen davon.' Aber das ist doch völlig normal. Über dieses Thema kann man nicht einfach so lachen."
Dieudonné will einen Film über die Sklaverei drehen. Doch sein Antrag auf Drehbuchförderung wurde abgelehnt. Er hat inzwischen fast überall Auftrittsverbot und sieht sich als Mobbing Opfer, der - angeblich von Zionisten beherrschten - Medien.
"Ich bin kein Antisemit", sagt er, "bin nur ein armer Neger." Er zeigt seinen Ring vor: weiße, rote, schwarze und gelbe Steine sind im Kreis angeordnet mit einem Diamanten in der Mitte. Dort würden sich alle Hautfarben vereinen. Das sei sein Ziel. Doch die Zuschauerin hält ihn für einen "gefährlichen Menschen".
"Ich finde doch, dass er den Hass schürt. Das Publikum bestand vor allem aus jungen Magrebinern, jungen Afrikanern und jungen Leuten aus den Vorstädten, die ein bisschen rebellisch sind und am Rande der Gesellschaft leben. Anstatt zu versuchen, sie in Richtung Integration zu drängen, verstärkt er die Kluft noch, zeigt ihnen, dass sie Opfer sind, und dass ihre einzige Hoffnung auf Anerkennung in der Revolte liegt."
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