Frankreich

Aus Angst wandern immer mehr Juden nach Israel aus

Die Schriftstellerin Gila Lustiger
Die Autorin Gila Lustiger sorgt sich angesichts antisemitischer Überfälle © dpa / Jörg Carstensen
Gila Lustiger im Gespräch mit Joachim Scholl  · 13.01.2015
"Es ist heute nicht einfach, als Jude in Frankreich zu leben", sagte die in Paris lebende deutsch-jüdische Schriftstellerin, Gila Lustiger. Es habe im letzten halben Jahr mehr als 500 antisemitische Übergriffe in Frankreich gegeben.
Die in Frankfurt am Main geborene Autorin Gila Lustiger erinnerte im Deutschlandradio Kultur an den jüngsten Überfall im Pariser Vorort Créteil, bei dem zwei Männer gewaltsam in die Wohnung eines jüdischen Paares eindrangen und die junge Frau vergewaltigten. Darüber werde zwar in den Medien berichtet. "Nur finden sich die Antworten nicht so leicht, was man gegen diesen Antisemitismus tun kann", sagte sie.
Islamisches und gewalttätiges Phänomen
"Ich würde nicht sagen, dass die Zivilgesellschaft antisemitisch ist", sagte die Autorin. Sie glaube nicht, dass der Antisemitismus in Frankreich tief verankert sei. Es handele sich um ein islamisches und sehr gewalttätiges Phänomen. "Ich will damit nicht sagen, dass alle Moslems Antisemiten sind, aber der Antisemitismus kommt heute aus dieser Ecke." Es handele sich nicht nur verbale Attacken, sondern um Molotowcocktails auf Synagogen und Überfälle auf jüdische Mitbürger. Auch die vier Menschen im jüdischen Supermarkt seien hingerichtet worden, weil sie Juden waren.
Abschied von Frankreich aus Angst
Viele Juden verließen aus Angst Frankreich Richtung Israel, sagte Lustiger. "Dass die Juden wieder Angst haben müssen, das ist wirklich sehr traurig, finde ich." Es gingen gerade diejenigen, die am gefährdetsten seien, beispielsweise die orthodoxen Juden. Sie seien durch äußere Merkmale wie die Kipa oder den Bart leicht erkennbar.
Kritik an Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu
Lustiger kritisierte aber auch den Aufruf des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu an die französischen Juden, nach Israel heimzukehren: "Furchtbar, ich finde, er mischt sich da unbefugt ein", sagte sie. "Ich fand es auch inakzeptabel, dass er gekommen ist." Der französische Präsident Francois Hollande habe Netanyahu eigentlich gebeten, nicht nach Paris zu reisen, weil er den Nahostkonflikt nicht nach Frankreich importieren wollte. "Sie wissen ja das in Israel bald Wahlen sind und Netanyahu ist eigentlich aus innenpolitischen Gründen gekommen, um in Israel zu signalisieren, dass er sich auch um die Juden im Ausland kümmert."
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