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Zika und Olympia 2016
Am besten mit Kondom

Die Partnerschaft zwischen der Weltgesundheitsorganisation und dem IOC wirft eine irritierende Frage auf: Welche Interessen verfolgt die WHO, wenn sie das Zika-Risiko in Rio für Athleten und Besucher der Olympischen Spiele bagatellisiert?

Von Jürgen Kalwa | 16.05.2016
    Brasilianische Soldaten informieren über das Zika-Virus
    Brasilianische Soldaten informieren über das Zika-Virus (DPA/Picture Alliance/ Marcelo Camargo)
    Es ist für jeden Sportler mit der Chance auf eine Goldmedaille eine schwierige Entscheidung, die Olympischen Spiele aus dem Kalender zu streichen. Aber als die amerikanische Fußball-Torhüterin Hope Solo mit Blick auf Rio zu den Risiken einer Reise nach Brasilien gefragt wurde, machte sie keine Umschweife. "Wenn ich heute diese Entscheidung treffen müsste, würde ich nicht mitfahren”, sagte sie. Das Risiko schien ihr zu groß.
    Das war im Februar. Doch wenig später zog die für ihre offenen Worte bekannte Fußballerin die Ankündigung wieder zurück. Über den Meinungswandel kann man nur spekulieren. Denn die Gefahr ist keineswegs geringer geworden. Die bisher lauteste Warnung erging, als Professor Amir Attaran von der Universität Ottawa, studierter Biologe und Jurist, in einem Beitrag für die angesehene "Harvard Public Health Review” forderte, die Spiele schlichtweg abzusagen.
    "Das Risiko, sich bei einem Mückenstich während der Spiele mit dem Zika-Virus anzustecken, ist extrem gering. Aber es gibt das Problem, dass 500.000 Besucher nach Rio kommen, womöglich das Virus übertragen bekommen und dann nach Hause zurückkehren und andere mit der Krankheit anstecken."
    Ratschläge der WHO
    In Ländern der Dritten Welt etwa mit herausragenden Sportlern wie Äthiopien, sagt Attaran, die keine hinreichenden Ressourcen haben, eine Epidemie aus eigener Kraft einzudämmen. Die Übertragung des Virus findet nämlich auf mehreren Wegen statt. So auch beim Geschlechtsverkehr. Weshalb die Weltgesundheitsorganisation ihren Ratschlägen für Brasilien-Reisende einen ganz besonderen hinzugefügt hat. Daniel Epstein, ein Sprecher der WHO:
    "Wir raten Besuchern und Athleten Kondome zu benutzen - und zwar während ihres Aufenthalts in Rio und noch vier Wochen nach ihrer Rückkehr. Oder – falls möglich – ganz auf Sex zu verzichten."
    Eine Stechmücke der Art Aedes aegypti
    Die Stechmückenart Aedes aegypti ist Überträger des Zika-Virus. (picture alliance /dpa /Gustavo Amador)
    Für eine radikalere Vorsichtsmaßnahme – die Veranstaltung ganz abzublasen – ist man allerdings nicht. Gut für die Verantwortlichen beim Internationalen Olympischen Komitee, wo man immer wieder betont: Man arbeite mit Partnern in Rio an Maßnahmen, um etwa Regenpfützen und Wasserlachen in alten Reifen zu attackieren. Brutstätten für alle Mücken, nicht nur ägyptische Tigermücken, die ursprünglich aus Zentralafrika stammen und das Zika-Virus übertragen.
    Entsprechend gelassen reagieren inzwischen die meisten Athleten. Der Tenor: Es wird schon nicht so schlimm sein.
    Kritik an der WHO
    Tatsächlich gibt es einige Ungereimtheiten. Zu ihnen gehört die Rolle der Weltgesundheitsorganisation und ihres Stellvertretenden Generaldirektors Bruce Aylward. Professor Attaran:
    "Bruce Aylward war bei der WHO der Verantwortliche vor und während des Ebola-Ausbruchs. Die Organisation ist stark dafür kritisiert worden, dass sie nicht rechtzeitig vor den Gefahren gewarnt hat. Und der sagte im Februar, unabhängig von allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, wörtlich: Brasilien wird phantastische Olympische Spiele haben. Erfolgreiche Olympische Spiele. Und die ganze Welt wird hinreisen."
    Die Personalie ist nicht das einzige Politikum in Sachen Zika und Rio. Noch bemerkenswerter ist die Tatsache, dass das IOC und die WHO vor einigen Jahren einen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen haben. Aber die Details hält man lieber unter dem Deckel. Professor Attaran vermutet, dass es mit der Neutralität der WHO nicht besonders gut bestellt ist.
    "Man hat sich geweigert, mir eine Kopie des Vertrags zu geben. Warum? Wenn es nichts zu verbergen gibt, warum dürfen wir es nicht lesen?"