Taylor Macs „Holiday Sauce... Pandemic!“

Die etwas andere Weihnachtsshow

07:01 Minuten
Taylor Mac im Dragkostüm.
Taylor Mac ist ein intellektueller Showstar zwischen Subkultur und Broadway, Dragqueen und Regisseur. © Little Fang Photograph
Von André Mumot · 12.12.2020
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Der Dragstar Taylor Mac ist der erste US-Amerikaner, der den renommierten International Ibsen Award erhält. Bei den Berliner Festspielen präsentiert er nun seine Vorstellung von Weihnachten. Schräg und schön, findet unser Kritiker.
Die Liste der bisherigen Preisträger ist durchweg beeindruckend. Theaterveteranen wie Ariane Mnouchkine, Heiner Goebbels, Peter Handke und Christoph Marthaler haben den alle zwei Jahre verliehenen International Ibsen Award dafür erhalten, dass sie der Welt des Theaters neue künstlerische Dimensionen erschlossen haben.
Nun ist es zum ersten Mal eine amerikanische Künstlerpersönlichkeit, die ausgezeichnet wird und deren Namen dann doch nicht allzu vielen Europäern geläufig sein dürfte: Taylor Mac, ein intellektueller Showstar zwischen Subkultur und Broadway, Dragqueen, Schauspieler, Regisseur und queerer Performer, der sich nicht zuletzt dem Kabarett der Weimarer Republik verpflichtet fühlt und in unfassbaren Kostümen Musik, politisches Bewusstsein und befreienden Humor miteinander verknüpft.

Außerhalb der eigenen Normen denken

Mit Ibsen habe seine Kunst durchaus zu tun, begründete das vom Norwegischen Ministerium für Kultur und Gleichstellung eingesetzte Komitee, da auch sie das Publikum dazu bringe, außerhalb der eigenen Normen zu denken. Taylor Mac verbinde Menschen in Zeiten einer zunehmenden Polarisierung.
Taylor Mac in einem ausgefallenen Dragkostüm.
Taylor Mac ist der erste US-Amerikaner, der mit dem International Ibsen Award ausgezeichnet wird.© Courtesy Pomegranate Arts
Mit seiner auf vier Abende verteilten Performance "A 24-Decade-History of Popular Music", seinem größten Bühnenerfolg, gastierte er letztes Jahr auch bei den Berliner Festspielen – mit einer hymnischen Umwidmung der amerikanischen Geschichte aus queerer Außenseiterperspektive, aufgeführt als Fest des Diversen und als gigantisches mit dem Publikum verschränktes Happening.
Nun also die Ehrung, die ebenso virtuell stattfinden muss wie die anschließende Show. In "Holiday Sauce … Pandemic", abrufbar bei den Berliner Festspielen, nimmt Taylor Mac gängige Weihnachtssongs wie "Oh, Holy Night" aufs Korn, interpretiert sie neu, hinterfragt und parodiert sie – und betont in Zeiten der Pandemie den Wert der Wahlfamilie.

Unfassbare Kostüme von Machine Dazzle

Dazu gehört, dass die Show nicht nur Taylor Macs 2017 verstorbener Drag Mother Flawless Sabrina gewidmet ist, sondern auch noch ein weit verzweigtes Netz von älteren Persönlichkeiten präsentiert, die viel für die queere Community geleistet haben. Im Falle Deutschlands ist es die Berlinerin Mahide Lein, die als lesbische Aktivistin und Konzertveranstalterin nicht nur durch ihr Engagement bekannt wurde, sondern unter anderem auch durch ihre Zusammenarbeit mit Rosa von Praunheim.

Die eigentliche Show dauert eine gute Stunde, und Taylor Mac moderiert sie in einem weiteren unfassbaren Kostüm von Machine Dazzle: Als aus unzähligen Früchten, Kürbissen und Gemüsesorten zusammengesetztes Showwunder, angelehnt offenbar an die aus Obst und Gemüse zusammengesetzten Menschenporträts, die Giuseppe Arcimboldo im 16. Jahrhunderts malte.
Taylor Mac im Dragkostüm.
„Holiday Sauce... Pandemic!“ ist Mother Flawless Sabrina gewidmet, Taylor Macs 2017 verstorbener Drag Mother.© Little Fang Photograph

Kämpferisch und schön

Und doch ist alles schrill, auch dreckig und schmerzhaft. In einem kleinen Zeichentrickfilm wird Ausgrenzung in der Familie ebenso thematisiert wie sexueller Missbrauch. Doch vor allem ist auch diese Stunde ein Beweis für Taylor Macs Kunst der Verbindung mit einem Publikum, das sich nicht dem heterosexuellen Mainstream zurechnen lassen möchte.
Taylor Mac den Ibsen Award zu verleihen, ist ein erstaunliches Signal, nicht zuletzt, weil hier nicht die großen künstlerischen Gesten und Konzepte ausgezeichnet werden, sondern ein praller, lebensfroher Aktivismus – glitzernde, Hoffnung stiftende Unterhaltung. Ein starkes Signal in den Zeiten der Pandemie. Kunst und auch Theater können all das sein: kämpferisch und unterhaltend, wild und schräg und schön. Und sogar, man glaubt es kaum, ausgesprochen lustig.

Taylor Macs etwas andere Weihnachtsshow "Holiday Sauce... Pandemic!" on demand.

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