Frankfurt am Main

Wohnungen dringend gebraucht

Das Frankfurter Bankenviertel
Was ist wichtiger, Prestigebauten oder bezahlbarer Wohnraum? Frankfurt am Main hat ein Problem. © dpa / picture-alliance / Arne Dedert
Von Anke Petermann · 08.09.2014
Wer in Frankfurt am Main eine Wohnung mieten will, muss im Schnitt zwölf Euro Miete pro Quadratmeter berappen. Viele Altenpfleger und Erzieher können sich das nicht leisten. Die Stadt steckt in der Klemme, sucht sie doch dringend nach solchen Fachkräften.
Im Hort der Kita Burgstraße im trendigen Nordend teilt Andreas Spensberger Spaghetti Bolognese aus. Der Erzieher ist alleinerziehender Vater einer Sechsjährigen und arbeitet Teilzeit. Den Traum, von der zu kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung mit Tochter und Lebensgefährtin auf 80 Quadratmeter zu wechseln, hat er aufgeschoben:
"Es ist einfach nicht machbar. Jetzt schon – und ich hab eine relativ günstige Miete - geht mehr als ein Drittel meines Teilzeit-Einkommens schon allein für die Miete drauf."
Eigentumswohnung auf Pump
Die Hortkinder essen Spaghetti, Susanne Amin hat sich Obst von zu Hause mitgebracht. Die monatlich 50 Euro fürs Essen aus der Großküche spart sich die Erzieherin. Um den Vater zu pflegen, arbeitet auch sie Teilzeit. Der Mietvertrag für die Sozialwohnung lief aus, gemeinsam mit Mann und Sohn suchte sie eine neue bezahlbare Bleibe - Fehlanzeige. Die Familie kaufte eine Eigentumswohnung auf Pump und legt sich jetzt krumm.
"Statt 1200, 1300 Euro Miete zu zahlen, haben wir das halt auf Kredit gemacht, was natürlich für uns schon sehr schwer war, weil das Risiko, wenn irgendwas ist, das abzuzahlen, das mussten wir halt mit eingehen. Mein Mann arbeitet auch in einem sozialen Beruf, er ist Altenpfleger, wir haben beide einen ein festen Arbeitsplatz, aber so von dem, was an Einkommen übrig geblieben ist, da muss man schon gut rechnen."
Reisen und Ausgehen in Frankfurt haben die Amins erstmal gestrichen. Wegziehen, wenn man die Vorzüge der Metropole wegen Geldmangels ohnehin kaum genießen kann? Susanne Amin schüttelt den Kopf.
"Ich bin so ne eingepflanzte gebürtige Frankfurter, Bernemer Meedschen. Nein."
Jeden Tag vier Stunden Fahrzeit
Kathrin Braun, Nachname geändert, pendelt täglich vier Stunden hin und zurück aus dem Marburger Umland nach Frankfurt. In der Provinz kann sich die Erzieherin gemeinsam mit ihrem Partner, der als Informatiker ebenfalls in die Bankenstadt pendelt, eine große ruhige Wohnung mit Garten leisten. Die Stadt Frankfurt zahlt den Löwenanteil vom Jobticket. Warum die Erzieherin nicht in eine Kita nach Marburg wechselt?
"Ich bin seit 16 Jahren bei der Stadt angestellt. Das ist kein Job, den man einfach so aufgibt."
Die Stadt Frankfurt zahlt am oberen Ende des Tarifs: mehr als 2500 Euro brutto für Neueinsteiger. Sie gewährt Fortbildung und Bildungsurlaub, das hält viele bei der Stange, die unter den Mietpreisen ächzen.
Auf der Internetseite www.kitafrankfurt.de annonciert der städtische Eigenbetrieb gleich 70 offene Stellen. Marcus Fischer-Reitgaßl hat als Headhunter von Kita Frankfurt die Aufgabe, Personal aus ganz Deutschland anzulocken. Als Köder kann er den Umworbenen günstige städtische Wohnungen anbieten, aber nicht unbedingt im trendigen Traumquartier. Auch kirchliche Träger greifen auf ihre Wohnungsbestände zurück. Außerdem hat Kita Frankfurt einen Pool von Maklern an der Hand, die im Rahmen von Verhandlungen auf ein gewisses Maß an Courtage verzichten, zum Wohle der Frankfurter Kinder, und uns immer wieder Wohnungsangebote zukommen lassen.
Kaum eine Einzimmerwohnung unter 600 Euro
Bescheiden verdienende Bäcker, Altenpfleger und Physiotherapeuten können von solchem Einsatz für ihre Wohnungsprobleme nur träumen.
"Mein Mann – da ist das Problem noch größer, bei den Altenpflegern ist das Problem ganz, ganz stark. Der hat einige Kollegen, die von außen nach Frankfurt kommen würden, die gern hier arbeiten würden, und es nicht machen, weil sie überhaupt keinen Wohnraum bekommen. Die finden ja nicht mal ne Einzimmerwohnung unter 500, 600 Euro."
Anders als Erzieherinnen, die der städtische Headhunter mit sanierten Klein-Wohnungen auf den Etagen über den städtischen Kitas anwerben kann. Absagen aufgrund der Klemme beim preiswerten Wohnraum hat Fischer-Reitgaßl bislang noch nicht kassiert, Verzögerungen kommen vor. Aber es könnte sich zum weiteren Problem auswachsen, wenn sich die Situation in Frankfurt mit dem Wohnraum weiter verschärft.
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