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Vor 200 Jahren gestorben
Der Pädagoge Joachim Heinrich Campe

Er war oft krank, häufig depressiv und ungemein produktiv - der Pädagoge Joachim Heinrich Campe. Ein Freund der französischen Revolution, Gegner französischer Fremdwörter im Deutschen - und bis heute ein lesenswerter Reiseschriftsteller. Besonders beliebt war er bei Kindern - für sie sei nur das Beste gut genug.

Von Christoph Schmitz-Scholemann | 22.10.2018
    Zeitgenössisches Porträt des deutschen Pädagogen, Schriftstellers und Verlegers Joachim Heinrich Campe (1746-1818). | Verwendung weltweit
    Der Pädagoge Joachim Heinrich Campe starb am 22. Oktober 1818 (imago / imagebroker)
    Wer sich über das Leben des Joachim Heinrich Campe unterrichten will, kann leicht den Eindruck gewinnen, er müsse es mit mehreren Personen zu tun haben. Joachim Heinrich Campe stand am Beginn einer heute weitverzweigten Dynastie mutiger Verleger. Außerdem war er Theologe und Vorkämpfer für die Reinheit der deutschen Sprache, Herausgeber eines der ersten großen Wörterbücher, Erzieher der Gebrüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, Ehrenbürger der französischen Republik und ein beliebter Reiseschriftsteller.

    Vor allem aber gilt, was Goethe über ihn sagte: "Campe hat den Kindern unglaubliche Dienste geleistet. Er ist ihr Entzücken und ihr Evangelium."
    Geboren 1746 und aufgewachsen in bäuerlichen Verhältnissen in der Nähe von Göttingen, wandte sich Campe als Theologiestudent den aufrührerischen Lehren der Aufklärung zu. Der christliche Glaube sollte auf den Prüfstand der Vernunft. Als man ihm deshalb das Stipendium strich, schlug er sich als Hauslehrer, Schriftsteller und Prediger durch - und fand bald zu seiner wahren Leidenschaft, der Pädagogik, die er im Geiste des Rousseauschen "Zurück zur Natur!" erneuern wollte. Nicht staatlich ersonnene Pläne, nicht Befehl und Gehorsam sollten den Gang des Unterrichts bestimmen, sondern zugewandte Lehrer, die Stoff und Methode dem jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes anpassen.

    "Man dringe dem Zöglinge keine Kenntniß auf, die er noch nicht haben will; ſcheint aber irgend ein Unterricht ſchon jetzt unentbehrlich für ihn zu ſeyn: ſo ſetze man ihn erſt in den Fall, daß er das Bedürfniß deſſelben fühle."
    Schule im Hause Campe
    Als Campe sah, dass er seine Ideen im staatlichen Schulwesen nicht durchsetzen konnte, gründete er mit 30 Jahren in der Nähe von Hamburg eine private Internatsschule, und zwar bei sich zu Hause. Mal in der guten Stube, oft aber auch im Garten unter Apfelbäumen unterrichtete er Hamburger Bürgersöhne zusammen mit seinen eigenen Kindern. Da es auf Kinder und Jugendliche zugeschnittene Literatur kaum gab, schrieb er selbst Kinderbücher; ein zauberhaftes Abezedarium für Leseanfänger zum Beispiel und im väterlichen Ton gehaltene Ratgeber für Heranwachsende. Campe scheute sich auch nicht, Vorlagen anderer Autoren für Kinder umzudichten. Aus Daniel Defoes "Robinson Crusoe" machte er kurzerhand einen eigenen Roman: "Robinson, der Jüngere".
    "Campe hat also die Vorlage von Defoe genommen und hat diese eigentliche Erzählung über die Schicksale des Robinson in eine Rahmenhandlung eingearbeitet, in der ein Vater seinen Kindern und einigen anderen anwesenden Personen über die Schicksale des Robinson berichtet."
    Carola Pohlmann ist Leiterin der Abteilung Kinder- und Jugendliteratur der Staatsbibliothek zu Berlin. "Der Vater erzählt die Geschichte vom Robinson, die Kinder stellen Fragen, der Vater antwortet darauf, und da hat man eine wunderbare Möglichkeit zur Erziehung und zur Vermittlung, einerseits zur moralischen Erziehung, aber man kann natürlich auch sehr viele Sachfragen beantworten: Wie ist es denn bei einem Sturm auf dem Meer, welche Tiere lebten denn auf der Insel und so weiter."
    Für Kinder nur das Beste
    Ethik- und Sachkundeunterricht als Abenteuer? Das war neu, und der Erfolg war gewaltig. Der "Robinson" erschien in über 100 Auflagen, bis ins 20. Jahrhundert. Gibt es ein Erfolgsgeheimnis?
    "Kinderliteratur braucht Liebe und Vermittlung und ich denke, da bin ich mit Campe einig: Für Kinder ist immer nur das Beste gut genug."
    Dafür hat Campe hart gearbeitet, nicht nur als Autor, sondern auch als sein eigener Verleger. 1786 hatte er sich in Braunschweig niedergelassen und in Wolfenbüttel einen überaus gewinnbringenden Verlag gegründet. Die letzten Jahre bis zu seinem Tod am 22. Oktober 1818 verbrachte der große hagere Mann, nach Auskunft seiner Frau glücklich und in blühender körperlicher Gesundheit, fast wie ein Kind: "Er besitzt kein Erinnern und Urteilsvermögen mehr und wandelt umher wie ein ins Elysium Versetzter, der alles Irdische vergessen hat."