Franco-Mausoleum

Mahnmal oder faschistisches Disneyland?

Eine von Rost verfärbte Kette hängt am 12.10.2011 auf dem Gelände des Tals der Gefallenen (Valle de los Caídos) nahe Madrid. Die Gedenkstätte zu Ehren der Gefallenen der faschistischen Truppen Francos im Spanischen Bürgerkrieg gilt als bedeutendes architektonisches Symbol der Diktatur Francos und wurde u.a. von etwa 20 000 Zwangsarbeitern errichtet.
Valle de los Caidos - Tal der Gefallenen © picture alliance / dpa / Bodo Marks
Von Julia Macher · 16.01.2016
Vor 40 Jahren starb in Madrid der Diktator Francisco Franco. Sein Mausoleum und das anliegende Kloster in der Anlage Valle de los Caídos spalten bis heute die Gemüter: Während die einen die Besucherattraktion abreißen wollen, ist sie für andere ein unverzichtbares Mahnmal.
Ein 155 Meter hohes Betonkreuz weist den Weg. Weit sichtbar ragt es über der Sierra von Madrid, darunter eine in den Berg gesprengte Basilika. General Francisco Franco ließ sie bauen, hier wurde er 1975 bestattet. Auf der Treppe, die zu den halbrunden Eingangsbögen führt, fotografiert sich ein gutes Dutzend Wochenendausflügler, fast alles Spanier. Marta, eine Madrilenin Anfang 40, kommt drei, vier Mal im Jahr hierher, wegen der beeindruckenden Aussicht auf die Sierra und - wie sie sagt - aus "historischem Pflichtbewusstsein". Das "Tal der Gefallenen" abreißen, wie manche fordern: auf keinen Fall.
"Das ist doch ein Teil unserer Geschichte. Manche Leute tun so, als wäre das hier eine Art faschistoides Disneyland, aber ich sehe es als Mahnmal an ein schreckliches Kapitel, das wir nicht vergessen dürfen."
Der Streit um die Zukunft bleibt außen vor. In der Basilika selbst verweist kein Schild auf die Entstehungsgeschichte. Tunnelartig schiebt sich das Hauptschiff in den Berg. An den Seiten: Marienreliefs mit den Schutzpatroninnen der spanischen Heere; Männerfiguren mit gesenktem Haupt, die Arme auf stilisierte Schwerter und Gewehre gestützt. In den Seitenkapellen, wo die Gebeine von über 35.000 Bürgerkriegstoten liegen, die Inschrift: "Gefallen für Gott und Spanien".
Francos Grab: eine Besucherattraktion
Vor dem Altar, unter einer gewaltigen Kuppel, knien vier Besucher andächtig nieder, zwei andere knipsen den weißbekutteten Knabenchor. Einer wird sich nach der Messe vor der schlichten Marmorplatte, unter der Francos Gebeine liegen, fotografieren.
Das Grab sei nun einmal eine der Besucherattraktionen, sagt Prior Santiago Cantera, als er nach der Messe, die Tür zur Bibliothek aufschließt. Auf den Alltag der 23 Mönche habe das keinen Einfluss. Von den Huldigungen der faschistischen Falange, die bis zum Verbot der Aufmärsche 2007 jährlich zum Todestag vor die Basilika pilgerte, erzählt er nicht. Cantera will das Valle de los Caídos als Mahnmal der Versöhnung verstanden wissen, als über alle geschichtlichen Zerwürfnisse erhabenen Ort.
"Man hat versucht, das Monument zu dämonisieren, indem man Lügen verbreitet hat, etwa über die Rolle der politischen Häftlinge. Natürlich gab es unter den Arbeitern politische Gefangene, aber das hier war kein Nazi-KZ. Es ging dabei um Hafterleichterungen. Natürlich war das nicht ideal, aber auch nicht so schlimm wie manche behaupten."
"Wer in der Vergangenheit wühlt, will bloß alte Wunden öffnen"
Eine Historikerkommission hatte 2011 gefordert, die Baugeschichte in der Basilika sichtbar zu machen und Francos Reste anderswo zu bestatten. Mit dem konservativen Regierungswechsel verschwand das Gutachten in der Schublade. Zu Recht, findet Cantera: Wer in der Vergangenheit wühle, wolle doch bloß alte Wunden öffnen. In den Regalen der Bibliothek stehen auch die schwarzen Bände mit den Totenregistern. Unter den Gebeinen der über 35.000 hier bestatteten Menschen sind auch die von 5.000 republikanischen Gefallenen. Eine Familie verlangt derzeit vor Gericht die Exhumierung eines Angehörigen. Cantera schüttelt den Kopf: ein unsinniges Anliegen. Andere Familien hätten gebeten, auf keinen Fall an den Gräbern zu rühren. Und die Knochenreste genau zuzuordnen, sei nach so langer Zeit unmöglich.
Neben der Bibliothek probt der Knabenchor. 33 Jungen zwischen 9 und 14 leben im Klosterinternat. Auf ihrer Webseite wirbt die Schule: "Wir streben danach, die kindliche Unschuld vor den Verderbnissen der Welt bewahren" und verspricht eine "christliche Erziehung mit traditionellen Werten wie Ordnung, Disziplin, Respekt".
Auf dem Hof spielen ein paar Schüler Fußball. Etwas abseits von ihnen müssen sechs andere, mit dem Gesangsbuch vor der Brust, still stehen. Beim Gottesdienst hat es Geschubse gegeben, die Nachmittagspause ist gestrichen.
"Symbol der Unterdrückung"
In der Basilika bringt der Küster frischen Blumenschmuck in die Seitenkapellen, sperrt die Grabplatte mit dem Namen des Diktators mit einer roten Kordel ab. Auf einer Kirchenbank liegt ein Flugblatt. Darauf fordern Opferverbände die Wiederaufnahme des Erinnerungsgesetzes und die Sprengung des Betonkreuzes als "Symbol der Unterdrückung". Der Küster lässt den Zettel diskret verschwinden.
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