Frage des Tages

Makkabi im Berliner Olympiastadion - kann man Orte neu bewerten?

Menschen gehen am 23.06.2014 in Berlin am Olympiastadion vorbei.
Das Olympiastadion in Berlin. © dpa/ picture alliance / Paul Zinken
Aleida Assmann im Gespräch mit Timo Grampes · 28.07.2015
Auf dem Berliner Olympia-Gelände feierten einst die Nazis. 70 Jahre nach dem Holocaust finden dort nun die jüdischen Makkabi-Sportspiele statt. Kann man sich Orte zurückerobern? Unsere Frage an die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann.
In dieser Woche finden die Makkabi-Sportspiele erstmals in Deutschland statt - 70 Jahre nach dem Holocaust. Und nicht nur das: Spielstätte der Wettkämpfe ist kein anderer Ort als das Olympiastadion Berlin, in dem 1936 die Olympischen Spiele unter Hitler abgehalten wurden.
Was bedeutet es, dass augerechnet an diesem Ort die größte internationale jüdische Sportveranstaltung stattfindet? Kann man solche negativen Konnotationen eines Ortes mit neuen Bedeutungen überlagern? Kann man sich Orte zurückerobern?
"Berlin ist nicht mehr Germania"
"Es kann hier nicht um Vergessen gehen oder um ein Umschreiben der Geschichte. Es geht um ein Weiterschreiben der Geschichte", sagt die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Die Olympischen Spiele von 1936 würden durch die Makkabiade nicht vergessen gemacht, sondern wieder in Erinnerung gerufen. Mit allem, was dazu gehöre - etwa die Bilder von Leni Riefenstahl.
"Entscheidend ist, dass wir jetzt neue Impulse bekommen, mit denen wir diese Geschichte weiterdenken können", so Assmann. Dazu gehöre unter anderem ein neues Berlin-Bild. "Berlin ist nicht mehr Germania, wie sich das Hitler und Speer mal vorgestellt haben, sondern eine sehr weltoffene Stadt." Außerdem offenbare sich in den Spielen ein neues jüdisches Selbstbewusstsein. Die Juden erschienen hier nicht länger als Opfer - im Mittelpunkt der athletische jüdische Körper.
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