Fotokunst

Berlin im Bild

Zeitgeschichte gebannt in einer Fotografie: 1986 demonstriert der Amerikaner John Runnings (r.) mit einem Vorschlaghammer gegen die Berliner Mauer.
Zeitgeschichte gebannt in einer Fotografie: 1986 demonstriert der Amerikaner John Runnings (r.) mit einem Vorschlaghammer gegen die Berliner Mauer. © picture alliance / dpa / Roland Holschneider
Von Katja Bigalke  · 09.04.2014
Berlin hat sich zu einer Fotostadt gemausert – mit Künstlern wie Ute und Werner Mahler, Ausstellungsorten wie "c/o Berlin" und Institutionen wie der Agentur Ostkreuz. Die wiedervereinigte Stadt blickt auf eine lange Geschichte der Fotokunst zurück.
Ulrich Domröse: "Das älteste, was ich Ihnen rausgesucht habe, ist von 1885. Max Panckow ist der Autor und da geht es noch darum, besondere Orte zu fotografieren hier zum Beispiel eine Ruine auf der Pfaueninsel."
Behutsam hebt Ulrich Domröse das Pergamentpapier vom Druck eines sepiafarbenen Negativs. Ein Mann in hellem Anzug und Hut liegt dort etwas geziert auf einer Wiese.
"Bei Panckow ist es grundsätzlich so, dass das Bürgertum, der Adel auch, die Fotografie benutzt, um sich fotografieren zu lassen. Mein Haus, meine Familie – das wollte man abbilden. Das führte dann ganz schnell zum Erstarken der der Porträtfotografie."
Das Bild gehört zu den ältesten der Berlinischen Galerie. Aufgenommen mit einer Großformatkamera. Damals noch mit minutenlangen Belichtungszeiten, erklärt Domröse. Er ist Kurator einer der größten Fotosammlungen Deutschlands. Über 70.000 Bilder von 900 Fotografen lagern in den auf 18 Grad heruntergekühlten Kellern der Galerie. Handwerkliche, journalistische und künstlerische Aufnahmen. Ein Schatz, der noch lange nicht erforscht ist, sagt Domröse und ist schon einen Schritt weiter in der Geschichte der avantgardistischen Berlin-Fotografie: im Jahr 1898:
"Hermann Rückwardt, ein klassischer Architekturfotograf, das ist Silbergelatine das gängige Verfahren und dieser Rückwardt war stark interessiert an der Entwicklung Berlins in der Gründerzeit."
Straßenszenen wie von Zille
Ein silbrig matter Ausschnitt einer gusseisernen Brücke in der Nähe der Friedrichstraße. Das Augenmerk liegt auf den Details: Feine Streben, tollkühne Verästelungen, winzige Rosetten. Berlin, gerade Hauptstadt geworden, entwickelt sich damals rasant. Wächst von einer Ein- zu einer Zwei-Millionen-Stadt. Die Architektur, das Stadtbild veränderte sich, das wollte man abbilden, erklärt Domröse. Auch alltägliche Straßenszenen tauchen auf einmal auf den Fotos auf – zumindest auf denen von Heinrich Zille:
"Weil Zille der Fotograf ist, der zum ersten Mal anfängt in Berlin den vierten Stand, das heißt, das Proletariat zu fotografieren. Der hat sich dafür interessiert, und war auf den Straßen unterwegs, hat das Berliner Leben fotografiert, das Alltagsleben, das, wo sich die kleinen Leute amüsieren."
Vor den Jahrmarktaufstellern, die Gruseliges, Erstaunliches und ein bisschen nackte Haut versprechen, flanieren Männer umher. Es kommt Schwung ins Bild. Ein Schwung, der in den 20er-Jahren schließlich zu ganz neuen Perspektiven führt. Einem "neuen Sehen" wie Domröse sagt. Die erste Kleinbildkamera der Marke Leica ermöglicht eine ganz neue Art der Reportagefotografie. Es wird experimentiert mit 360 Grad-Aufnahmen, die die Wirklichkeit kaleidoskopisch verrücken. Und auch Mode und Menschen werden immer spielerischer inszeniert.
Selbstbewusste Berlinerinnen
"Dieses Bild hier von Yva, das ist von 1924, zeigt eine Frau, die so anders ins Bild gesetzt ist. Sie hat die rechte Hand erhoben, der Kopf ist in die Diagonale geschoben, der Körper wirkt ganz zerschnitten. Das Tuch, das sie in die Höhe hält, schafft eine unheimliche Dynamik. Das kam bei der Dynamik der Großstadt darauf an, diese Dynamik auch im Bild sichtbar zu machen."
Sie hießen Yva, Frieda Riess, Lotte Jacobi oder Marianne Breslauer. Fotografinnen, deren Arbeiten nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend in den Medien und Galerien auftauchten und auch für einen neuen Typus Frau standen: junge selbstbewusste Berlinerinnen, die ihre eigenen Ateliers in der Nähe des Kurfürstendamms betrieben und sich selbst verwirklichten in ihren Bildern.
Der Lette-Verein in Berlin-Schöneberg. 1866 gegründet als Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts. Seit 1890 mit eigener Fotografischen Lehranstalt für Frauen. Damals einmalig in der Welt:
"In Deutschland ist der Letteverein die älteste schulische Institution. Fotografie war ja von Anfang an ein autodidaktisches Feld, in dem sich meistens Männer selber gebildet haben in ihren Clubs."
Aus der Ausbildung am Letteverein gingen ein paar der berühmtesten deutschen Fotografinnen der 20er-Jahre hervor. Wegen des Erfolgs der Klassen – so Frank Schumacher, heutiger Leiter der Abteilung Fotodesign – kam im frühen 20. Jahrhundert dann auch eine Ausbildung für Männer dazu. Der gemischtgeschlechtliche Ansatz blieb von da an bestehen.
Mit der Kamera beginnt man analog
Die Ausrichtung der Lehre hat sich aber verschoben. Statt zwei Jahre werden die 30 Schüler pro Jahrgang nun drei Jahre unterrichtet. Und eine eigene Bildsprache zu entwickeln ist heute mindestens genauso wichtig wie die Beherrschung des Handwerks, das sich seit ein paar Jahren vor allem im digitalen Bereich abspielt. Aber nicht nur.
Frank Schumacher: "Was gleich geblieben ist, dass die Schüler erst mal bei dem Analogen anfangen. Das heißt der Umgang mit der Chemie, mit dem Negativ. Mit der Großformatkamera, mit Heißlichtlampen, die ist eigentlich seit 120 Jahren gleich geblieben. (...) Hier wird noch Schwarz-Weiß geprintet, hier kommen die Bilder dann raus, werden gewässert, das hinten ist noch die Filmentwicklung, also hier ist noch richtig Old-School."
Solange analoge Kameras noch hergestellt oder wenigstens repariert werden können, hält Schumacher an der Analogfotografie als Einstieg in das Metier fest. Er glaubt, dass man so am besten Sehen lernt. Auch weil das analoge Material viel teurer sei, überlege man viel genauer, welche Komposition ein gutes Bild ausmache. Gleich 100 digitale Bilder zu knipsen und dann das Beste auszuwählen, schule da weniger.
"Dadurch wollen wir die Schüler dafür sensibilisieren, verantwortungsvoller oder bewusster mit ihren Bildern umzugehen und genauer zu schauen."
Berlin in den 30er-Jahren – viele jüdische Fotografen verlassen Nazideutschland – anderen wird das Leben zunehmend schwer gemacht.
Ulrich Domröse: "Die Fotografen, die uns interessierten, die eigentlich die Moderne bestimmten, die haben leider nicht weiter gearbeitet und konnten nicht weiterarbeiten."
Avantgardistisch sollte die Fotografie dann für ein paar Jahrzehnte nicht mehr werden. Zumindest nicht in Berlin. Der Zweite Weltkrieg, die Zerstörung der Stadt, die Mauer - Ulrich Domröse macht einen großen Sprung in der Geschichte, landet bei den 60er-Jahren und dem Fotografen Herbert Tobias, einem Autodidakten, der als Wehrmachtssoldat an der russischen Front mit dem Fotografieren begann, dann nach seinem Coming-out als Homosexueller und einem Aufenthalt in Paris, wieder nach Berlin zurückkehrte. Sehr einfühlsame, melancholische Schwarz-Weiß-Porträts seiner Freunde entstanden in dieser Zeit. Wie das von Axel, das Tobias später mit einer eigenen Bildunterschrift versah:
"Axel vor meiner Tür mit dem Licht in der einen Hand, in der anderen Horowitz ein paar Jahre, bevor ihn das Heroin endgültig schaffte."
Tobias hinterließ das Abbild einer neuen urbanen Szene.
Profilierte DDR-Fotografie
Viele Künstler kehrten West-Berlin allerdings damals den Rücken, gingen nach Köln oder Düsseldorf, wo sich ein neues Zentrum für Fotografie entwickelte. Unter den Berühmten blieb einzig Michael Schmidt. Immerhin der erste deutsche Fotograf, dessen sozialdokumentarischen Schwarz-Weiß-Bildern das Museum of Modern Art in New York 2005 eine Einzelausstellung widmete. Domröse wählt als nächstes Bild aber eines von einer ostdeutschen Fotografin: Helga Paris.
"In einer Modefabrik in der Greifswalder Straße eine Arbeiterin."
Eine müde, ältere Frau in schlichtem Kleid blickt in die Kamera. Graue Stimmung.
"Solche Bilder sind in der DDR damals ganz wichtig gewesen, weil sie eine Wirklichkeit wiedergeben, wie sie die Menschen kannten und die eigentlich nichts zu tun hatten mit dem Heroismus, dem Pathos der Pressefotografen. Das führte letztendlich dazu, dass es diesen Fotografen gelungen ist, in relativ kurzer Zeit mit kleinen Ausstellungen eine große Zuschauermenge an sich zu binden."
Ute und Werner Mahler gehören wohl zu den profiliertesten Fotografen der DDR. Sie – unter anderem für ihre sehr lebendigen Porträts und die Modestrecken in der Zeitschrift "Sybille" bekannt. Er - als Dokumentarist von Massenereignissen und Chronist von Lebensumständen in Ostdeutschland.
Ute Mahler: "Das finde ich ein ganz wichtiges Bild ... "
Ute Mahler kann das nicht verstehen, dass die Kuratoren ihrer ersten gemeinsamen Werkschau dieses Bild ihres Manns nicht mit in den Ausstellungskatalog nehmen wollen. Es ist ein relativ statisches Bild. In Reih und Glied stehen dort Fußballfans in einem Block.
Die beiden Kuratoren der Mahler-Werkschau, die am 10. April in den Hamburger Deichtorhallen eröffnet, ziehen trotzdem die Nahaufnahme eines Fans vor. Passt besser in die Bilderfolge des Katalogs finden sie. Weil das die Mahlers nicht einsehen, wird die Entscheidung vertagt. Werner Mahler geht eine rauchen, der Grafiker klickt sich weiter durch das Werk des heute über 60 Jahre alten Paars.
Seit mehr als 40 Jahren leben die Mahlers zusammen. Sie haben beide in Leipzig Fotografie studiert. Und sie haben auch beide immer als Fotografen gearbeitet. Vor und nach der Wende.
Ute Mahler: "Ich habe 1972 angefangen – da gibt es die ersten wichtigen Fotos, Werner, wann hast du angefangen?"
Werner Mahler: "Ich habe 1974 angefangen. Wir haben uns die ganze Zeit, die ganzen Jahre über immer assistiert, die klassischen Sachen: Kaffee kochen, Kameras schleppen."
Agentur Ostkreuz
Die Mahlers arbeiten für ausgewählte Magazine, stellen in Galerien aus. So entstehen Ute Mahlers spielerisch inszenierten Modeporträts, die Weiblichkeit nicht mit einem Rollenklischee verwechseln, sondern offen und neugierig erkunden. So entsteht Werner Mahlers Serie "Die Abiturienten", für die der Fotograf Schulabgänger aus dem Jahr 1978 im Abstand von fünf Jahren fotografiert. Nach der Wende gründen die beiden mit fünf anderen ostdeutschen Kollegen die Agentur Ostkreuz, nach dem Vorbild der ebenfalls von Fotografen gegründeten Pariser Fotoagentur Magnum. Werner Mahler wird Geschäftsführer.
"Wir haben die deswegen gebraucht, weil uns war klar, dass wir als Gruppe stärker sein würden. Dass wir auch diesen Solidaritätsgedanken noch mal bewusst praktizieren wollten. Wir haben uns die Räume geteilt, wir haben uns eine Mitarbeiterin leisten können. Wir haben gleich von Anfang an das Gefühl vermitteln können: Wir können's!"
Es begannen Reisen um die Welt – Auftragsarbeiten für einige der wichtigsten westdeutschen Magazine. Ute und Werner Mahler werden zu Fotojournalisten der Wendezeit. Die Inszenierung weicht der Reportagefotografie.
"Ich habe mich unheimlich gerne in diese journalistische Arbeit gestürzt weil ich endlich gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen konnte. Das waren ja Auftragsarbeiten, bei denen man weniger subjektiv arbeitete sondern reagierte auf das was wir da getroffen haben."
Städte, Landschaften, Straßenszenen, Politiker, Künstler, Alltagssituationen. Es gibt eigentlich kein Themenfeld, in dem sich die Mahlers nicht ausprobieren. Und trotzdem würden sie sagen, stehen sie, steht ihre Agentur und mittlerweile auch die dazugehörige Ostkreuz-Schule für einen ganz bestimmten Blick auf die Welt.
"Eine dokumentarische Fotografie, also eine respektvolle, aber eben auch subjektive Sicht auf Ereignisse."
Längst ist die basisdemokratische Agentur Ostkreuz keine rein ostdeutsche Agentur mehr. 18 Fotografen tauschen sich hier aus, unterschiedlichsten Alters und unterschiedlichster Herkunft:
"Es ist ein gebürtiger Franzose dabei, ein Norweger, eine Frau aus Bulgarien und wer West und Ost ist, wissen wir eigentlich nicht mehr, das spielt keine Rolle mehr."
Und die Mahlers? Die Mahlers sind, wie sie selbst sagen, beim dritten Abschnitt ihres Schaffens angelangt:
"Wir können im 20-Jahre-Rhythmus denken: Wir haben mit 20 Jahren angefangen, dann 20 Jahre in der DDR fotografiert, dann 20 Jahre nach der Wiedervereinigung und dann vor fünf, sechs Jahren haben wir angefangen, konzeptioneller und wieder künstlerischer zu arbeiten. Das hoffe ich machen wir auch noch 20 Jahre dann werden wir 80 – so lange möchte ich auf jeden Fall noch fotografieren."
Die Bilder aus dieser neuen, dritten Schaffensphase sind die ersten gemeinsamen Arbeiten. Wie die Fotos von der ehemaligen innerdeutschen Grenze, auf denen die Zeichen der Vergangenheit langsam verschwinden unter Blattgrün und Wurzelwerk. Oder wie die Mona Lisen der Vorstädte, Mädchen zwischen Kind und Frau, Stadt und Land, Schwarz-Weiß-Porträts eingefangen mit einer Großbildkamera.
"Für uns war wirklich die Überlegung: Was verbindet junge Frauen, die alle in einer ähnlichen Umgebung aufwachsen – es ist so dieses noch nicht ganz da sein, aber schon wieder weg sein bei den jungen Leuten."
Das "noch nicht ganz da sein" ist ein Lieblingsmotiv von Fotografen, sagt Ulrich Domröse von der Berlinischen Galerie und zieht ein mannshohes Bild von Frank Thiel hervor. Die Großbaustelle am Potsdamer Platz: Ein knappes Dutzend blauer und gelber Kräne ragen aus einem gigantischen Loch in der Erde in den diesigen Berliner Himmel. Schlammige Pfützen, rostige Metallwände, Container, Gerüste, Stahl, Holz, Beton. Gewusel, Durcheinander bis ins kleinste Detail abgelichtet.
Ulrich Domröse: "Man kann sich in diesem Bild bewegen wie in einem Puzzle. Man hat eine Vorstellung, wenn man dieses Bild anschaut davon: Das ist Bauen!"
Berlin nach der Wende
Berlin gewinnt nach der Wende immer mehr an Interesse, sowohl als Motiv als auch als Standort für Fotografen. Es sind die rasanten Veränderungen der Stadt und der Gesellschaft, diese Spurensuche im Zwischenraum, zwischen Altem und Neuen, die die Stadt wieder spannend macht.
"Berlin hatte immer eine ganz große Anziehungskraft auf Menschen, die in dieser Stadt eine politische Veränderung darstellen wollten: 1870/71 das Kaiserreich, dann die Veränderungen zur Großstadt in den 10er-Jahren, dann der Erste Weltkrieg, dann die politischen Umwälzungen der 20er-Jahre - Weimarer Republik, der Zweite Weltkrieg, die totale Zerstörung, dann das vor sich Hindümpeln und dann 1989 diese nicht erwartete Veränderung."
Auch den aus der Ukraine stammenden Künstler Boris Mikhailov interessierte das. In Berlin, wo er inzwischen eine zweite Heimat gefunden hat, dokumentiert er zur Jahrtausendwende Menschen auf der Straße, die wie aus der Zeit gefallen scheinen. Das etwas griesgrämige ältere Paar vor dem Asia-Imbiss zum Beispiel. Er, im Gigololook von vorgestern mit gepunkteter Krawatte. Sie im geblümten Hosenanzug, der an Couchgarnituren aus dem Plüschwohnzimmer erinnert.
"Eine Arbeit über eine Generation jenseits der 60, eigentlich so, wie sich dieses hippe Berlin nicht sehen würde: Immer noch so ein Rest von Provinz. Das ist wie Wanne-Eickel. Das sind die Menschen, die in Berlin lebten, die Berlin ausgemacht haben bis zum Ende der Mauer. Mich erinnert das plötzlich sehr an Heinrich Zille."
Fotoinstitution "c/o Berlin"
Das Amerika-Haus ist künftiger Standort der C/O Galerie Berlin
Das Amerika-Haus ist künftiger Standort der C/O Galerie Berlin© dpa / picture alliance / Tim Brakemeier
Es gibt sie nicht mehr die Fliesen in glänzend, die an die 50er-Jahre erinnern, sagt der Architekt. Felix Hoffmann nickt etwas enttäuscht. Er steht in der ersten Etage des Amerikahauses am Bahnhof Zoo. Inmitten einer Baustelle. Boden aufgerissen, Löcher in der Decke, unverputzte Rigipswände. Das Gebäude, in das 1957 die United States Information Agency eingezogen war – zunächst, um über das Leben in Amerika zu informieren, hat seit ein paar Monaten neue Mieter: Die privatwirtschaftlich betriebene Fotoinstitution "c/o Berlin". Dem Ausstellungshaus, das in den letzten 14 Jahren Fotos von Annie Leibowitz, Larry Clark, Bettina Rheims oder Martin Parr zeigte, war der Vertrag in Berlin-Mitte gekündigt worden. In West-Berlin, direkt gegenüber vom Museum für Fotografie, soll es nun im Herbst neu eröffnen. Bis dahin hat Kurator Felix Hoffmann einen etwas anderen Arbeitsschwerpunkt:
"Also es gibt diese Treffen mit sechs Architekten, und da sitzt man neun, zehn Stunden und bespricht, wie sollen die Drücker für Lichtschalter aussehen, wie soll der Aufzug aussehen? Rettet man den Boden oder reißt man ihn raus?"
"c/o Berlin" – das Hoffman mit taking care of – also "sich um etwas kümmern" übersetzt – wurde im Jahr 2000 von einem Designer, einem Fotografen und einem Architekten gegründet. Es war eines der ersten Häuser der Stadt, das sich explizit der Fotografie annahm – zunächst als eine Art Herberge für Fotoausstellungen.
"Man muss sich vorstellen: Es gibt diese berühmte Fotoagentur Magnum in Paris, die haben im Jahr 2000 eine große Ausstellung gemacht und kein Ort in ganz Deutschland hat sie zeigen wollen. Und dann haben die drei gesagt, wir gründen einen Ort, um sie zeigen zu können, und dann hat sich das relativ schnell entwickelt in Richtung: Wir müssen auch junge Talente zeigen, und das hat sich dann weiterentwickelt."
Auch die legendären Ausstellungseröffnungspartys, auf denen sich auch mal Paare hinter den Stellwänden liebten, wie Hoffman gerne erzählt, sorgten dafür, dass "c/o Berlin" sich schnell zu einer Institution mauserte, die heute immerhin 43.000 Facebookfreunde hat. Eine Zahl, von der die Museen des Preußischen Kulturbesitz' nur träumen können. Aber auch sie zeigen immer öfter Fotosammlungen aus den eigenen Beständen. Im Gropius Bau etwa oder im Hamburger Bahnhof. Und seit 2004 auch im eigenen Museum für Fotografie. Berlin hat sich zu einer Fotostadt gemausert.
"In den letzten 15 Jahren hat sich wahnsinnig viel entwickelt, und wenn Sie sich diese Ausstellungskalender anschauen, dann passiert in London relativ wenig und in Italien und Spanien fast gar nichts. Und wenn Sie sich dann anschauen, was in Paris und Berlin stattfindet und manchmal auch in Amsterdam, dann merkt man, wo die Zentren in Europa sind."
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