Fotokampagne der Berliner Schaubühne

Der Mensch in seiner ganzen Verletzlichkeit

Der Schaubühnen-Schauspieler Lars Eidinger - von seinen Theaterkollegen "verziert". Das Foto ist Teil der Kampagne "Sleeping Pranks".
Der Schaubühnen-Schauspieler Lars Eidinger wurde von seinen Theaterkollegen "verziert". © Christian Jankowski / Schaubühne
Von Gerd Brendel · 14.07.2018
Schauspieler Lars Eidinger wurde im Schlaf überall bekritzelt, sein Kollege, Robert Beyer, mit Marshmallows verziert. Die Fotokampagne des Künstlers Christian Jankowski für die Schaubühne mit dem Titel "Sleeping Pranks" ist ein ziemlicher Hingucker.
"Ist so ein komplettes Ausgeliefertsein. Ah, gemütlich. Jetzt haben wir es, kann man so stehen lassen, glaube ich."
Und so steht es da, unter dem Plakat mit dem schlafenden Schaubühnen-Schauspieler Robert Beyer, den gerade eine Kollegin oder ein Kollege im Schlaf mit Marshmallows dekoriert hat – mit zwei Schaumgummis als großen Comic-Augen über den geschlossenen Augenlidern. Der Künstler Christian Jankowski hat die ersten Worte nach dem Erwachen mit seiner Kamera eingefangen. Von ihm stammt auch die Idee.
"Ich hatte schon länger diese sleeping pranks mir angeschaut im Internet, das sind Sachen, die man im Internet findet, wo Menschen, betrunken meistens, die eingeschlafen sind, andere inszenieren, und auf denen rumkritzeln."
Für die "Schlafstreiche" am Schlafenden oder Sich-schlafend-Stellenden Robert Beyer und den anderen Ensemble-Mitglieder waren die Kollegen verantwortlich.

Wenn anonyme Spaßvögel Streiche spielen

Jankowski: "Waren verschiedene Schauspielergruppen da. Und dann wurden die Schläfer rausgeschickt, haben sich in unterschiedliche Räume gelegt, waren meistens drei, und dann haben wir untereinander besprochen: Wem fällt was zu wem ein, und so haben sich die Teams gefunden. Und ich hab auch gesagt: Bitte redet nicht dabei. Ich wollte auch, dass das anonym bleibt, wer das ist."
Veronika Bachfischer weiß immer noch nicht, wer sie mit Lippenstift bemalt hat, ihr eine Stola umgelegt, und lauter Streichhölzer in Kreuzform auf die gefalteten Hände gelegt hat.
"Hat sich so angefühlt wie meine eigene Beerdigung mit der Plastikfolie drumherum und die Hände so gefaltet. Ich hab mich so wie in meinem Sarg gefühlt, aber ganz schön."
Ganz schön, irgendwo zwischen lächerlich und intim sind auch die anderen Bilder. Lars Eidinger nuckelt an einem fremden Daumen, Jule Böwe ziert ein aufgemalter Bart, auf den Hals von Felix Römer hat ein anonymer Kollegen-Spaßvogel "Geld ist geil" mit Filzstift geschrieben.

Im Theater schlafen eher Zuschauer als Schauspieler

Geschlafen wird im Theater eher im Zuschauerraum, als auf der Bühne, was nicht heißt, dass es zwischen Schlaf und Bühnenkunst keine Schnittmengen gibt.
Bachfischer: "Wenn, dann sucht man doch auf der Bühne nach der größtmöglichen Wahrhaftigkeit, und was ist ehrlicher, intimer und wahrhaftiger als Schlafen?"
Und der "Sleeping Prank", der Schlafstreich, ist immerhin eine Erfindung William Shakespeares. Im Sommernachtstraum hext Puck dem armen Schauspiel-Amateur Zettel einen Eselskopf auf den Rumpf und sein "Liebes-Elixier" sorgt bei allen für ein böses Erwachen.
Jankowski: "Der Schlaf ist Metapher für den Ausbruch aus dieser Realität, für Kontrollverlust, was Kunst macht. Wenn ich mir ein Bild angucke, gehe ich auf einen Trip, auf eine Reise, und das ist ja egal, ob ich mir ein Theaterstück angucke, ein Film oder ein Gemälde, oder ein gutes Stück anhöre".
Oder eben die Bilderserie der Schaubühnen-Schauspieler und -Schauspielerinnen. Sie zeigt Menschen in ihren verletzlichsten Zuständen, denen ein Streich gespielt wird. Das kann jedem von uns passieren. Und auch das wusste schon Wilhelm Shakespeare.
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