Fotografie

Mit Grünlicht ins Kriegsgebiet

Der Fotograf Thomas Ruff vor einem seiner "Photogramme" in der Ausstellung "Lichten" in der Kunsthalle Düsseldorf.
Der Fotograf Thomas Ruff vor einem seiner "Photogramme" in der Ausstellung "Lichten" in der Kunsthalle Düsseldorf. © dpa / picture alliance / Federico Gambarini
Von Rudolf Schmitz · 18.09.2014
Thomas Ruff ist ein Bilder-Forscher. Angefangen hat der Becher-Schüler mit möglichst sachlichen Interieurs, doch während des zweiten Golfkriegs faszinierte ihn die Entdeckung, dass Fotografie auch Unsichtbares sichtbar machen kann. Die Kunsthalle Düsseldorf zeigt Arbeiten des Künstlers aus 35 Jahren.
Kaum zu glauben, dass alle diese Bilder aus einer Hand stammen. 35 Jahre Thomas Ruff – ein Quantensprung in der Geschichte der Fotografie. Am Anfang stehen die "Interieurs" der späten 70er-Jahre: Waschbecken, Sitzgruppen, Fliesen, wie sie der Schüler von Bernd Becher in der eigenen Wohnung und denen von Freunden und Verwandten machte. Das Licht ist immer indirekt, dringt durch Vorhänge, hinterlässt seinen Schimmer auf Fliesen und Tapeten.
Thomas Ruff: "Ja, damals wollte ich die Wirklichkeit darstellen, wie sie ist. Ich habe quasi den Raum ausgesucht, die Ecke ausgesucht, und kein Licht angemacht, sondern mit dem Licht, das durchs Fenster kam, gearbeitet, um möglichst objektiv, möglichst sachlich im Sinne von meinem damaligen Professor zu arbeiten. Die Interieurs sind eigentlich die Innenräume meiner Kindheit."
Thomas Ruff, blauer Anzug, freundlich abwesend, kontrolliert die Hängung in der Kunsthalle Düsseldorf. Die winzigen Interieurs sind mit den "Sternen" kombiniert, großformatige Ausschnitte aus gekauften Fotografien einer südamerikanischen Sternwarte. Licht, das aus Milliarden von Jahren zu uns kommt. In einem anderen Raum die kleinformatigen "Nächte", mit einem Restlichtverstärker fotografiert, ziemlich gespenstisch. Eigentlich banale Motive: Straßen, Hinterhöfe in der Nacht, in grünlichem Licht. Doch ein Gefühl von Überwachung stellt sich ein.
"Ich habe selbst zum ersten Mal diese grünen Bilder 1991 im Fernsehen gesehen, während des zweiten Golfkriegs. Das war die neueste Technologie, um nachts sehen zu können, der Restlichtverstärker. Und diese Technik war eben auf den Panzern und Waffen der Amerikaner installiert, die damit durch die Wüste gefahren sind. Das Fernsehen hat dann diese Bilder in Echtzeit in unsere westeuropäischen Wohnzimmer übermittelt, so dass wir auf dem Sofa in Echtzeit den Golfkrieg miterleben konnten. Dieser Aspekt, den fand ich ein bisschen Horror, es gab aber auch einen fototechnischen Aspekt, der mich dann wieder fasziniert hat, nämlich dass Fotografie als Prothese benutzt werden kann, um Dinge sichtbar zu machen, die der Mensch mit bloßem Auge nicht sehen kann."
Er habe sich dann einen Restlichtverstärker für seine Kamera gekauft, um den Kampf ums Öl auch in unsere Städte zu tragen:
"Deshalb habe ich kurzerhand Düsseldorf zum Kriegsgebiet erklärt und habe Düsseldorf nachts fotografiert."
Das war die letzte Serie mit "natürlichem" Licht. Dann kam die digitale Bearbeitung der Bilder. Der Rechner ersetzte Dunkelkammer, Fotopapier und Kamera. Als Pointe zeigt die Düsseldorfer Ausstellung, wie der Bilder-Forscher Thomas Ruff historische Genres der Fotografie simuliert und sie neu erfindet. Eine Reise in die Vergangenheit mit der Bildtechnologie von heute.
Am verblüffendsten dabei die großformatigen farbigen "Photogramme". Kameralose Bilder, erfunden von den Surrealisten, die unterschiedliche Objekte auf lichtempfindliches Fotopapier legten und damit eine magische Schattenwelt erzeugten. Thomas Ruff hat dieses Verfahren am Computer simuliert: virtuelle Gegenstände, virtuelle Dunkelkammer, virtuelles, farbiges Licht. Aber dazu musste er sich technologische Unterstützung holen:
"Dummerweise wollte ich Photogramme machen, die 1,80 Meter mal 2,40 Meter groß sind. Das hat meine Hausmittel, das sind eben drei Macintosh und sechs PCs, wirklich an die Grenzen gebracht, teilweise musste ich vier Wochen rendern, um ein Bild fertig zu bekommen, und dann war's immer noch nicht perfekt. Und deshalb hat sich bei mir irgendwann der Wunsch eingestellt, doch mal ein Bild auf einem Superrechner rendern zu lassen. Das Forschungszentrum in Jülich war sehr freundlich und hat gesagt, ja das hört sich interessant an, das wollen wir mal ausprobieren, und dann haben die mir nicht nur ein Bild gerendert, sondern alle Bilder, die ich für diese Ausstellung gebraucht hab, und das Fantastische ist eben: Wo meine Rechner eine Woche gebraucht haben, das haben die in zwei Stunden erledigt, wo meine Rechner ein halbes Jahr gebraucht hätten, das war in 24 Stunden erledigt."
Das Ergebnis ist opulent. Denn diese Fotogramme wirken so, als sei da zugleich auch noch die Geschichte der abstrakten Malerei verhandelt: von Delaunay über Feininger bis zu Maholy-Nagy. Unter all den Schülern von Bernd Becher hat sich Thomas Ruff am weitesten in die Welt der digitalen Bilder gewagt – und konfrontiert uns jetzt mit einer rekapitulierten Geschichte der Fotografie.
Informationen der Kunsthalle Düsseldorf über die Ausstellung "Lichten"
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