Fotografie

Detektiv in der Dunkelkammer

Fotoapparate
Was hat die Fotografie mit Sherlock Holmes zu tun? © dpa / Maxppp / Chinafotopress
Von Tobias Lehmkuhl · 30.06.2014
Bei Arthur Conan Doyle denkt man an Sherlock Holmes, nicht aber an die Kunst der Fotografie. In seinem neuen Buch schreibt der Medienwissenschaftler Bernd Stiegler über Doyles enges Verhältnis zur Fotografie.
Wer Sherlock Holmes ist, weiß jeder. Über seinen Erfinder aber ist wenig bekannt. Viele würden sogar bezweifeln, dass es sich bei dem Detektiv um eine Romanfigur handelt; für sie ist Sherlock Holmes eine historische Figur. So zumindest erschien es Arthur Conan Doyle, wenn er Zuschriften sichtete, die ihn mit Bitte um Weiterleitung erreichten. Dass an der Existenz seines Detektivs selten gezweifelt wurde, kaum jemand aber daran glauben wollte, dass wir von Elfen und Geistern umgeben seien, den Geistern der Toten, die sich auf manchen Fotografien doch ganz wunderbar erkennen ließen, erstaunte den Autor sehr.
So erfährt man in Bernd Stieglers neuem Buch, dass Arthur Conan Doyle ein überzeugter Spiritismus-Anhänger war, auch sein enges Verhältnis zur Fotografie wird hier erstmals beleuchtet. Tatsächlich begann der spätere Erfolgsschriftsteller seine Karriere Anfang der 1880er-Jahre, indem er Essays und Testberichte für die größte Fotografiezeitschrift Englands schrieb.
Warum aber, so fragt sich Bernd Stiegler, spielt die Fotografie, mit einer, freilich bedeutenden Ausnahme, keine Rolle in den Geschichten um Sherlock Holmes? Gilt sie doch als objektives Aufzeichnungsmedium, wäre also bestens geeignet, um Spuren zu sichern. Just in jenen Jahren des 19. Jahrhunderts wird sie zu einem wichtigen Element der Kriminalistik, erste Karteien mit Fotografien von Verbrechern werden angelegt.
Verbindung von neuer und alter Technologie
Der Grund ist, wie Stiegler in einer faszinierenden Interpretation der allerersten Holmes-Geschichte aufzeigt, jener: Der Detektiv selbst wird bei Conan Doyle zum Fotoapparat, der superrationalistische Detektiv ist selbst die perfekte Wahrnehmungsmaschine. Und die eigene Dunkelkammer, das eigene Entwickler- also Analysebad gleich dazu.
Wie kommt es nun aber, dass jemand wie Doyle, der offenbar von der Berechenbarkeit der Welt überzeugt war, zugleich an Geistererscheinungen glaubte und auf die vielen, aus heutiger Sicht miesen Fotomontagen hereinfiel? Wohingegen einer seiner besten Freunde, der berühmte Zauberer Henry Houdini, Geister für Humbug und eben schlechte Zauberei hielt? Beide, Doyle wie Houdini, schreibt Stiegler, seien eben Meister der Doppelbödigkeit gewesen. Es gebe Kommunikation, habe Doyle gesagt, und damit die zwischen dem Reich der Toten und dem der Lebenden gemeint.
Es gebe aber auch, so Stiegler, den Austausch zwischen realen und fiktiven Welten; für Doyle habe keine klare Trennung zwischen Fakten und Fiktionen bestanden. So setzte er einerseits dokumentarische Fotografien dazu ein, um in einem politischen Pamphlet die belgischen Gräueltaten im Kongo anzuprangern, anderseits dienten ihm gestellte und manipulierte Bilder dazu, den Geschichten aus seinen Abenteuerromanen, um Professor Challenger Glaubwürdigkeit zu verleihen. Wie ein Detektiv ermittelt Stiegler dabei, wie mittels Schrift und Bild, dank der Verbindung von neuer und alter Technologie also, Wirklichkeiten konstruiert werden können. Nichts könnte aktueller sein.

Bernd Stiegler: "Spuren, Elfen und andere Erscheinungen: Conan Doyle und die Photographie"
S. Fischer, Frankfurt/Main 2014
368 Seiten, 22,99 Euro

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