Fotoband: "Portraits 2005 - 2016"

Promis im Spiegel von Annie Leibovitz

Annie Leibovitz' neuer Fotoband
Annie Leibovitz' neuer Fotoband © Cover: Schirmer Mosel Verlag / Foto: dpa/Frank Rumpenhorst
Von Eva Hepper · 18.10.2017
Woody Allen lümmelnd im Vorführraum, Meryl Streep auf einem Felsen im Meer. Der Band "Portraits 2005 - 2016" ist eine Bilanz des Schaffens der US-amerikanischen Fotografin Annie Leibovitz. Sie inszeniert die Reichen und Schönen zum Teil an ungewöhnlichen Orten.
Die Familie wirkt wie gefangen in dem Spiegellabyrinth, das eigentlich ein Kinderzimmer ist. Zur Szenerie gehören ein Wickeltisch mit Bettchen, eine Stoffgiraffe und eine Spiegelwand. Vor ihr hat sie sich mittig platziert, mit rechts ihr Baby haltend, mit links ihr Handy; bereit zum Selfie. Er wiederum steht schräg vor den beiden, in den Händen ein Tablet, auf dessen Display sie und das Baby zu sehen sind, während sein Spiegelbild von der Wand reflektiert wird.
Das Foto ist ein Meisterwerk. Es lenkt die Blicke der Betrachter in alle Richtungen, und dennoch landen sie immer wieder bei Mutter, Vater und Kind, um zu sehen, wie sie sich selbst ansehen. Treffender lassen sich die Selbstdarsteller Kim Kardeshian und Kayne West, mit Tochter North West, nicht porträtieren; und mit ihnen, die Zeit, in der sie – wir - leben.

Ikonische Porträts

Es gibt nicht viele Fotografen, deren Bilder eine ganze Epoche spiegeln. Annie Leibovitz mit ihren ikonografischen Porträts aus der Hochglanzwelt der Reichen und Schönen gehört zweifelsfrei zu ihnen. Das zeigte nicht zuletzt ihr großartiger Bildband "A Photographer's Life", den sie 2006, zwei Jahre nach dem Tod ihrer Lebensgefährtin Susan Sontag, veröffentlichte. Elf Jahre später zieht Leibovitz mit "Portaits 2005 - 2016" nun erneut eine Bilanz ihres Schaffens.
Fotografin Annie Leibovitz während der Präsentation des Pirelli-Kalenders 2016.
Fotografin Annie Leibovitz während der Präsentation des Pirelli-Kalenders 2016.© dpa / picture alliance / Ekaterina Chesnokova
Während "A Photographer's Life" durch die ungewöhnliche Parallelschau von privaten Familienbildern und Promi-Fotografien wie eine Autobiografie anmutete, setzt die 1949 geborene Amerikanerin in ihrer neuen Werkschau auf Altbewährtes und versammelt 150 großformatige Farb- und Schwarzweiß-Aufnahmen von Persönlichkeiten aus Showbusiness, Politik, Kunst und Sport.

David Hockney rauchend im Schlafzimmer

Alle sind an ungewöhnlichen Orten inszeniert, denn die Starfotografin meidet Studioaufnahmen. So zeigt sie Woody Allen im Vorführraum lümmelnd, Adele am Klavier, die Williams-Schwestern in Umarmung, Barack Obama aus dem Fenster des Oval Office blickend oder Meryl Streep auf einem von Gischt umtosten Felsen im Meer. Botticellis Venus lässt grüßen.
Hinreißend sind die Porträts von bildenden Künstlern und Musikern. Wenn Annie Leibovitz David Hockney rauchend im Schlafzimmer zeigt, Brice Marden in seinem gigantischen Studio mit Hund an der Seite oder Pete Seegers in Gummihosen und Banjo am Strand, dann glaubt man Wesentliches dieser Personen zu erhaschen. Das ist umso erstaunlicher bei Promis, die man gefühlt schon 1000 Mal gesehen hat. Oprah Winfrey etwa: offen, voller Stolz und Schmerz zugleich.

Inszenierung von Archetypen

So schreibt Alexandra Fuller in ihrer einfühlsamen Einführung denn auch von Offenbarungen. Tatsächlich spiegeln die besten Porträts das ganze Spektrum menschlichen Seins. Wie Archetypen erscheinen dann Donald Trump mit der schwangeren Ivana, die Queen und Prinzessin Anne, der nackte Jeff Koons oder auch Kardeshian und West. Geplant war, wie Leibovitz im Nachwort schreibt, den opulenten Band mit einer US-Präsidentin Hillary Clinton abzuschließen – daraus wurde nichts. Sonst aber ist der Fotografin alles gelungen.

Annie Leibovitz: "Portraits 2005-2016"
mit Texten von Annie Leibovitz und Alexandra Fuller, aus dem Englischen von Martina Tichy
Schirmer Mosel Verlag, München 2017
316 Seiten, 68,- Euro

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