Forschungssonde Mascot

Landeanflug auf einen Asteroiden

Der Asteroidenlander MASCOT fliegt mit der japanischen Raumsonde Hayabusa2 (undatierte Visualisierung) zum Asteroiden 1999 JU 3.
Der Asteroidenlander Mascot fliegt mit der japanischen Raumsonde Hayabusa2 (undatierte Visualisierung) zum Asteroiden 1999 JU 3. © picture alliance/dpa/Foto: DLR
Von Dirk Lorenzen · 13.09.2018
Ein Spektrometer, eine Kamera, ein Radiometer und ein Magnetometeraber – das alles passt in die Forschungssonde Mascot hinein, die auf einem Asteroiden landen soll. Aber warum macht das DLR-Institut für Raumfahrtsysteme das alles?
Die riesige Laborhalle des DLR-Instituts für Raumfahrtsysteme in Bremen: Hier werden kleine Raumsonden entwickelt und getestet. In einer Ecke hat das Team des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt eine Modelllandschaft der besonderen Art aufgebaut. Mitten im grauen, leicht welligen Terrain liegt ein quaderförmiges Objekt. Die äußere Gitterstruktur gibt den Blick frei auf elektronische Bauteile, das Objektiv einer Kamera und eine Antenne.
"Sie sehen hier ein 1:1-Modell von Mascot… Mascot ist nicht viel größer als ein Schuhkarton, sagen wir sehr oft. Es wiegt nicht mehr als zehn Kilogramm und es ist an dem Hayabusa-2-Raumschiff an der Seite integriert und wird dann heraus geschubst, sobald wir dann uns dem Asteroiden nähern und sobald die Landung beginnt."

Gehüllt in Goldfolie

Die Physikerin Tra-Mi Ho ist die Projektleiterin von Mascot. Das englische Wort für Maskottchen ist die Abkürzung für Mobiler Asteroiden-Oberflächen-Kundschafter. Einige Meter über der nachempfundenen Landschaft des Asteroiden Ryugu hängt ein Modell der Raumsonde Hayabusa-2. Der kühlschrankgroße Hauptkörper ist in Goldfolie gehüllt. Links und rechts sind zwei kurze Solarzellenflächen angebracht und nach unten ragt ein fast ein Meter langer Rüssel aus der Sonde heraus, die wie ein riesiges Insekt wirkt. Anfang Oktober wird sich Hayabusa bis auf 60 Meter der Oberfläche des Asteroiden nähern und Mascot ausklinken. In dem kleinen Landepaket stecken vier wissenschaftliche Instrumente: ein Spektrometer, eine Kamera, ein Radiometer und ein Magnetometer:

"Mit den Instrumenten wollen wir die Zusammensetzung des Asteroiden bestimmen. Mit diesem Spektrometer zum Beispiel soll die Mineralogie untersucht werden und auch, ob es organische Verbindungen gibt auf dem Asteroiden. Die Kamera untersucht die Oberflächenstruktur. Sie schaut sich dann die Gesteinsbrocken zum Beispiel auf dem Asteroiden an, davon haben wir leider sehr viele auf Ryugu jetzt…"

Der "forschende Schuhkarton" hat viel zu tun

Hayabusa hat kürzlich Bilder des Asteroiden aus rund 20 Kilometern Entfernung gemacht. Tra-Mi Ho und ihr Team staunen über die merkwürdig eckige Form von Ryugu und die vielen großen Gesteinsbrocken auf seiner Oberfläche. Ryugu fasziniert die Forscher so, weil er zu den erdnahen Asteroiden gehört und eines Tages mit der Erde zusammenstoßen könnte. Die Daten von Hayabusa und Mascot sollen helfen, Szenarien zu entwickeln, wie sich so ein Objekt vom möglichen Kollisionskurs abbringen ließe.


Für den "forschenden Schuhkarton" ist also viel zu tun – dabei wird es eine Reise ins Ungewisse. Denn der Lander ist nicht zu steuern. Er sinkt einfach von der Muttersonde hinab und dürfte etwa zehn Minuten nach dem Ausklinken das erste Mal auf der Oberfläche von Ryugu aufsetzen:
"Dann folgt aber wahrscheinlich eine Aufprallphase, weil wir sehr geringe Gravitation haben, aber auch je nachdem wie die Härte der Oberfläche ist, kann es sein, dass Mascot noch etwas aufprallen wird, bis er zur Ruhe kommt. Diese Phase kann etwas länger dauern. Wir rechnen jetzt mit etwa einer Stunde. Man muss natürlich sehen, dass das ist sehr kritisch, denn wir haben nur 16 Stunden Lebensdauer auf dem Asteroiden. Somit ist jede Minute wichtig für uns."
Ein undatiertes Foto vom Vorgänger des heutigen MASCOT (Mobile Asteroid Surface Scout) dem hochintegrierten Asteroidenlander.
Ein undatiertes Foto vom Asteroidenlander Mascot (Mobile Asteroid Surface Scout).© picture alliance/dpa/Foto: DLR

Das wäre nicht das Ende der Mission

Denn Mascot verfügt über keine Solarzellen. Die Batterie, die die Instrumente mit Strom versorgt, dürfte nach rund 16 Stunden leer sein. In dieser Zeit erlebt Mascot zwei Ryugu-Tage, denn der Asteroid braucht nur acht Stunden für eine volle Rotation. Der Lander wird nach dem Aufprall noch einige Zeit über die Asteroiden-Oberfläche purzeln – und könnte im schlimmsten Fall mit der Kameraseite nach unten liegen bleiben. Doch das wäre nicht das Ende der Mission.
"Das wäre fatal, aber wir haben dem ganzen vorgesorgt. Wir haben ein System, das nennt sich Mobilitätssystem. Das ist ein Hüpfmechanismus, welches aus einem Schwungarm besteht. Dieser Schwungarm soll einen Impuls auf die Struktur übertragen. Wenn er sich bewegt und dann stoppt, dann wird aus diesem Impuls eine Bewegung und aufgrund der sehr geringen Gravitation soll sich Mascot aus seiner Position erheben und dann über die Oberfläche hinweg springen."

16 Stunden im Kontrollraum

Nach dem Aufsetzen analysiert Mascot seine Position – und bringt sich, wenn notwendig, selbständig in die richtige Lage, um die Messinstrumente einzusetzen. Wenn alles glatt läuft, dürfte der "Forschungskarton" mehrfach bis zu 50 Meter weiter hüpfen und so verschiedene Gebiete des Asteroiden vermessen. Tra-Mi Ho und ihr Team hoffen, dass die weitestgehend autonom arbeitende Sonde alles richtig macht. Die Projektleiterin ist während der entscheidenden 16 Stunden im Kontrollraum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln. Von dort wurde vor fast vier Jahren auch schon die Landung der legendären Sonde Philae gesteuert, die zwei Tage lang Messungen auf dem Kometen Tschurjumow-Gerasimenko durchgeführt hat. Das Mascot-Team nimmt dies als gutes Omen...
"Generell würde ich sagen, dass bei Mascot wie auch bei Philae es sich um Explorationsmissionen handelt, die natürlich ein gewisses Risiko bergen, weil wir erst dann wissen, wie es aussieht, wenn wir dort gelandet sind. Somit sind wir auch alle natürlich sehr, sehr nervös und hoffen, dass alles klappt."
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