Donnerstag, 18. April 2024

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Klimawandel und künstliche Bäume
"Negative Emissionstechnologien sind immer nur der letzte Ausweg"

Angesichts der globalen Erwärmung sei die künstliche Photosynthese eine der Möglichkeiten, zukünftig das Treibhausgas Kohlendioxid in der Atmosphäre zu reduzieren, sagt Matthias May vom Helmholtz-Zentrum Berlin im Dlf. Vorzuziehen sei aber immer, Emissionen zunächst zu vermeiden.

Matthias May im Gespräch mit Arndt Reuning | 22.01.2019
    Licht und Schatten zeichnen sich am Freitag an satt grünen Blätter ab. Versehen mit Denkfabrik-Stempel.
    Künstliche Bäume sollen CO2 aus der Luft filtern (dpa/picture alliance/Arno Burgi)
    Die globalen Emissionen von Kohlendioxid sind in den vergangenen beiden Jahren wieder leicht angestiegen. Was bedeutet das für das Ziel, die Erderwärmung auf anderthalb Grad zu begrenzen? Der Weltklimarat IPCC hat verschiedene Modelle durchgerechnet. Und in den weniger optimistischen Szenarien muss die Weltgemeinschaft spätestens ab dem Jahr 2030 damit beginnen, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft einzulagern.
    "Negative Emissionen" nennen das die Fachleute. Eine spezielle Methode dafür, eine Technik, haben sich nun Forschende aus Heidelberg und Berlin näher angeschaut. Nämlich künstliche Bäume. Das sind Systeme, die Kohlendioxid binden und zusammen mit Wasser umwandeln zu beständigen Chemikalien. Das Ganze läuft ab in einer Art Solarzelle. Die Energie stammt also aus dem Sonnenlicht. An der Studie beteiligt ist Dr. Matthias May vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie. Von ihm wollte ich wissen, ob diese Technologien denn schon reif sind.
    Matthias May: Ja, das ist natürlich die große Herausforderung momentan. Im Labor existieren diese Technologien schon in begrenztem Maßstab. Hier ist allerdings ein Problem die Stabilität der Strukturen. Die meisten Strukturen überleben leider nur etwa mehrere Stunden bis vielleicht wenige Tage, bevor sie dann korrodieren.
    Reuning: Wozu sollten wir dann diese Technologie einer künstlichen Photosynthese entwickeln, wo es doch bereits natürliche Bäume gibt? Sollten wir nicht vielmehr in Aufforstung investieren?
    May: Negative Emissionstechnologien sind natürlich immer nur ein allerletzter Ausweg. Es ist viel wichtiger, die Emissionen jetzt möglichst schnell zu reduzieren. Und da wären dann zum Beispiel solare Brennstoffe ein wichtiger Weg, von unseren fossilen Brennstoffen wegzukommen mittels solarem Wasserstoff oder eben foto-elektrochemisch erzeugten Brennstoffen wie Methanol. Aber andererseits haben Sie das Problem bei der natürlichen Photosynthese, die zwar schon existiert, dass diese relativ ineffizient ist. Für dieses Ziel der negativen Emissionen von etwa minus zehn Gigatonnen pro Jahr im Jahr 2050 würden Sie etwa zehn Millionen Quadratkilometer Fläche benötigen mit natürlicher Photosynthese, um dieses Ziel zu erreichen.
    "Wir benötigen etwa die Fläche des Landes Brandenburg"
    Reuning: Wie sieht es aus, wenn man sich der künstlichen Photosynthese bedient? Welche Fläche würde dafür benötigt?
    May: Das haben wir ganz grob durchgerechnet unter sehr idealisierten Annahmen, und sind darauf gekommen, dass man etwa 25.000 bis 30.000 Quadratkilometer Modulfläche benötigen würde. Das wäre etwa die Fläche des Landes Brandenburg.
    Reuning: Bäume sind auf Regen angewiesen. Wie sieht das denn aus mit diesen künstlichen Bäumen? Wie viel Wasser benötigen die?
    May: Das ist ein großer Vorteil der künstlichen Photosynthese, da sie ein geschlossenes System haben. Sie können sich das sozusagen wie eine Solarzelle vorstellen, über die Wasser fließt und in die auch noch CO2 eingeleitet wird. Und daher wird das Wasser nicht verdampft, wie bei jedem landwirtschaftlichen Prozess – es geht ja immer ein Teil des Wassers in Form von Verdunstung verloren –, sondern das Wasser wird nur als Ausgangsstoff verwendet, um dann einen künstlich hergestellten Kohlenwasserstoff zu erzeugen.
    Standort Sahara oder Thar-Wüste
    Reuning: Energie durch Sonnenlicht ist wichtig. Wasser wird nicht sehr viel benötigt. Gibt es denn einen idealen Standort für diese Technologie?
    May: Da diese Technologie einen weiteren Vorteil hat, und zwar dass sie unter sehr intensiver Lichteinstrahlung nicht an Effizienz verliert, im Gegensatz zur natürlichen Photosynthese, wären der ideale Standort eigentlich die Wüstenregionen der Welt. Zum Beispiel die Sahara-Wüste oder die Thar-Wüste in Indien.
    Reuning: Was würde es denn kosten, wenn wir die künstliche Photosynthese nutzen, um Kohlendioxid aus der Luft zu entfernen und dann nicht zu nutzen, sondern einfach nur irgendwo einzulagern?
    May: Das ist bei dem momentanen Stand der Technik sehr schwer abzuschätzen. Wir haben das ganz grob überschlagen und sind mit sehr idealisierten Randbedingungen auf einen unteren Wert, müsste man sagen, von etwa 65 Euro pro Tonne – bis Sie das Produkt haben – gekommen. Dazu würden dann hinzukommen noch die Kosten der Einlagerung selbst. Und das würde bedeuten, dass Sie etwa im Jahr 2050 Kosten von 650 Milliarden Euro pro Jahr hätten für dieses negative Emissionsziel. Und das ist natürlich das große Problem der negativen Emissionen. Sie transferieren Kosten von jetzt in die Zukunft, für zukünftige Generationen.
    Besser Emissionen vermeiden
    Reuning: Zu welchem Schluss kommen Sie denn dann? Ist die künstliche Photosynthese ein geeigneter Weg, um Emissionen in Zukunft zu begrenzen?
    May: Künstliche Photosynthese ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, negative Emissionen zu realisieren, aber es ist eine, die jedenfalls physikalisch möglich wäre, im Gegensatz zur natürlichen Photosynthese, wo zehn Millionen Quadratkilometer doch eher unrealistisch erscheinen. Aber andererseits müssen wir auch bedenken, dass es wirklich nur der allerletzte Ausweg ist, negative Emissionen zu realisieren. Es ist auf jeden Fall immer günstiger und vorzuziehen, die Emissionen zunächst zu vermeiden. Und ob diese künstlichen Photosynthese-Ansätze oder andere negative Emissionstechnologien überhaupt realisierbar sind in der notwendigen Skala, das ist noch nicht ausgemacht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.