Formspiele des literarischen Nachwuchses
In Berlin ist das 20. "Treffen Junger Autoren" zu Ende gegangen. 21 Autoren im Alter zwischen 14 und 22 Jahren stellten ihre Beiträge in öffentlichen Lesungen vor und hatten die Gelegenheit an Workshops teilzunehmen. Dabei fiel auf, dass die jungen Autoren wieder verstärkt mit Formen spielen und herumexperimentieren.
Ausschnitt aus der Preisträgerlesung. Die 22-jährige Maria Kozachenko aus Lebach im Saarland liest aus ihrem ebenso komischen wie doppelbödigen Text "Die Käseschriftstellerin". Im scheinbar belanglosen Ulk lauern Abgründe. In der Zeile von den bedrohten, ja sogar umgebrachten Berufskollegen rückt die Erinnerung an Zeiten der Unfreiheit im Herkunftsland der Autorin ins Blickfeld.
Was dem hier gehörten Prolog folgt, sind dadaistische Wort- und Gedankenspiele. Von Andrej Petrowitsch ist die Rede, der am liebsten die Sorte Gaudi auf schwarzem Brot gegessen hat, vom Postaustausch zwischen van Gogh und einem Käse und vom Briefwechsel zwischen den Marquisen Cordon Bleyx I und II. Irgendwie denkt man an die Texte der jungen russischen Futuristen Daniil Charms und Andrej Wedenski, bei denen dampfende Teekannen miteinander sprachen und Plastepuppen zum Leben erwachten.
Diese Suche nach der ungewöhnlichen Form hat die Jurorin Waltraud Lewin in vielen Arbeiten des diesjährigen Jahrgangs entdeckt:
" Ich würde sagen: dieser Jahrgang ist optimistischer als andere Jahrgänge. Diese Themen, die junge Leute sehr bewegt haben in der letzten Zeit - Tod, unglückliche Liebe, Selbstmord - haben diesmal eine minimale Rolle gespielt, dass diesmal bisschen mehr Formbewusstsein bei unserer Auswahl eine Rolle gespielt hat."
Viele der eingereichten Texte künden, geschrieben mit leichter Hand, von wundersamen Begebenheiten, die ganz überraschend aus dem Alltäglichen aufsteigen. Im Text "Ich, meine Kuh und die Stadt" von Milena Kowalski wird ein Mädchen heimgesucht vom Albtraum von der Hochzeit mit einem ungeliebten jungen Bauern, in dessen Verlauf sie nach abgegebenem Ja-Wort in der Kirche die Notbremse zieht und zusammen mit einem Kalb in den Zug einsteigt und in die Stadt fährt.
In "Der Papagei in der Gitarre" von Joshua Lange wird der tierische Held seines Gefieders beraubt, weil ein unsensibler Gitarrenspieler das Instrument malträtiert, und in "Frühlingsgefühle" von Anne Josefine Israel werden die Jungen und Mädchen der Klasse 7a mit dem Aufkommen von Frühlingswinden von seltsamen Anfällen der Liebessehnsucht heimgesucht.
Einen nachdenklichen, ja schmerzhaften Text hat dagegen Dina Reis aus Weilerbach geschrieben.
Die Paula, die sich in den Schrank verkriechen will, verschmilzt im folgenden Text mit dem Mädchen, die in unserem Ausschnitt in dem überfallenen Auto sitzt. Den Schock wird diese Paula nicht verdrängen können, nicht in den Jahren des ersten Küssens, nicht in der Zeit der Wende im Osten, als neue Unternehmen aus dem Boden schossen und wieder verschwanden. Die Paula wird schließlich mit ihrem Freund in den Westen gehen, dort nie richtig ankommen, aber ihre Eltern nie wieder sehen. Was hat die junge Autorin zu diesem eher bedrückenden Text veranlasst?
" Ich bin nach dem Abitur nach Nowosibirsk gefahren. Ich komme ursprünglich aus dieser Stadt und habe einfach ein bisschen Wurzelsuche betrieben. Ich saß da ein bisschen fest, weil ich Ärger mit den Behörden hatte. Ich habe einfach viel gesehen in dieser Zeit, ich habe Leute wieder getroffen, die mit meinen Eltern befreundet gewesen sind. Ich habe Geschichten gehört, ich hatte Bilder im Kopf."
Was an all diesen Texten auffällt, ist die Suche nach der eigenen Sprache, das Misstrauen gegen Worthülsen und abgegriffene Formulierungen. Für Prof. Joachim Sartorius, dem Intendanten der Berliner Festspiele, liegt in dem Beitrag zur Bewahrung einer lebendigen Sprache einer der wesentlichen Verdienste dieses Treffens:
"Es gibt ja die große Gefahr, dass Sprache einfach verschludert und dass die gängige Sprache immer mehr verkommt zu einer Art ontologischer Leere. Man kann das sehr gut in den Talkshows im Fernsehen beobachten. Ich glaube, dass Literatur - neben der Reflektion über sich selbst und das Leben - immer auch Bewahren einer durchdachten, vielleicht auch einer schwierigen Sprache ist. "
Pünktlich zum 20. Jubiläum dieses Treffens ist unter dem Titel "Schreibwelten" ein Buch herausgekommen mit Beiträgen von ehemaligen Preisträgern. Die literarische Qualität dieser Beiträge beweist den Sinn des Wettbewerbs. Die Liste der im Buch zu Wort kommenden Autoren ist aufschlussreich. Namen bekannter Theaterautoren wie Felicitas Zeller und Andreas Laudert sind enthalten, Namen auch von Filmschauspielern und Journalisten. Die Autorentreffen der Vergangenheit sind nicht umsonst gewesen.
Mehr Infos:
Berliner Festspiele: Treffen junger Autoren
Was dem hier gehörten Prolog folgt, sind dadaistische Wort- und Gedankenspiele. Von Andrej Petrowitsch ist die Rede, der am liebsten die Sorte Gaudi auf schwarzem Brot gegessen hat, vom Postaustausch zwischen van Gogh und einem Käse und vom Briefwechsel zwischen den Marquisen Cordon Bleyx I und II. Irgendwie denkt man an die Texte der jungen russischen Futuristen Daniil Charms und Andrej Wedenski, bei denen dampfende Teekannen miteinander sprachen und Plastepuppen zum Leben erwachten.
Diese Suche nach der ungewöhnlichen Form hat die Jurorin Waltraud Lewin in vielen Arbeiten des diesjährigen Jahrgangs entdeckt:
" Ich würde sagen: dieser Jahrgang ist optimistischer als andere Jahrgänge. Diese Themen, die junge Leute sehr bewegt haben in der letzten Zeit - Tod, unglückliche Liebe, Selbstmord - haben diesmal eine minimale Rolle gespielt, dass diesmal bisschen mehr Formbewusstsein bei unserer Auswahl eine Rolle gespielt hat."
Viele der eingereichten Texte künden, geschrieben mit leichter Hand, von wundersamen Begebenheiten, die ganz überraschend aus dem Alltäglichen aufsteigen. Im Text "Ich, meine Kuh und die Stadt" von Milena Kowalski wird ein Mädchen heimgesucht vom Albtraum von der Hochzeit mit einem ungeliebten jungen Bauern, in dessen Verlauf sie nach abgegebenem Ja-Wort in der Kirche die Notbremse zieht und zusammen mit einem Kalb in den Zug einsteigt und in die Stadt fährt.
In "Der Papagei in der Gitarre" von Joshua Lange wird der tierische Held seines Gefieders beraubt, weil ein unsensibler Gitarrenspieler das Instrument malträtiert, und in "Frühlingsgefühle" von Anne Josefine Israel werden die Jungen und Mädchen der Klasse 7a mit dem Aufkommen von Frühlingswinden von seltsamen Anfällen der Liebessehnsucht heimgesucht.
Einen nachdenklichen, ja schmerzhaften Text hat dagegen Dina Reis aus Weilerbach geschrieben.
Die Paula, die sich in den Schrank verkriechen will, verschmilzt im folgenden Text mit dem Mädchen, die in unserem Ausschnitt in dem überfallenen Auto sitzt. Den Schock wird diese Paula nicht verdrängen können, nicht in den Jahren des ersten Küssens, nicht in der Zeit der Wende im Osten, als neue Unternehmen aus dem Boden schossen und wieder verschwanden. Die Paula wird schließlich mit ihrem Freund in den Westen gehen, dort nie richtig ankommen, aber ihre Eltern nie wieder sehen. Was hat die junge Autorin zu diesem eher bedrückenden Text veranlasst?
" Ich bin nach dem Abitur nach Nowosibirsk gefahren. Ich komme ursprünglich aus dieser Stadt und habe einfach ein bisschen Wurzelsuche betrieben. Ich saß da ein bisschen fest, weil ich Ärger mit den Behörden hatte. Ich habe einfach viel gesehen in dieser Zeit, ich habe Leute wieder getroffen, die mit meinen Eltern befreundet gewesen sind. Ich habe Geschichten gehört, ich hatte Bilder im Kopf."
Was an all diesen Texten auffällt, ist die Suche nach der eigenen Sprache, das Misstrauen gegen Worthülsen und abgegriffene Formulierungen. Für Prof. Joachim Sartorius, dem Intendanten der Berliner Festspiele, liegt in dem Beitrag zur Bewahrung einer lebendigen Sprache einer der wesentlichen Verdienste dieses Treffens:
"Es gibt ja die große Gefahr, dass Sprache einfach verschludert und dass die gängige Sprache immer mehr verkommt zu einer Art ontologischer Leere. Man kann das sehr gut in den Talkshows im Fernsehen beobachten. Ich glaube, dass Literatur - neben der Reflektion über sich selbst und das Leben - immer auch Bewahren einer durchdachten, vielleicht auch einer schwierigen Sprache ist. "
Pünktlich zum 20. Jubiläum dieses Treffens ist unter dem Titel "Schreibwelten" ein Buch herausgekommen mit Beiträgen von ehemaligen Preisträgern. Die literarische Qualität dieser Beiträge beweist den Sinn des Wettbewerbs. Die Liste der im Buch zu Wort kommenden Autoren ist aufschlussreich. Namen bekannter Theaterautoren wie Felicitas Zeller und Andreas Laudert sind enthalten, Namen auch von Filmschauspielern und Journalisten. Die Autorentreffen der Vergangenheit sind nicht umsonst gewesen.
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Berliner Festspiele: Treffen junger Autoren