Folter in CIA-Gefängnissen in Polen

Wer wusste davon?

Ein ehemaliger Militärstützpunkt im polnischen Stare Kiejkuty: Hier sollen zwei Häftlinge festgehalten worden sein
Ein ehemaliger Militärstützpunkt im polnischen Stare Kiejkuty: Hier sollen zwei Häftlinge festgehalten worden sein © picture alliance / dpa / Tomasz Waszcuk
Von Florian Kellermann · 10.09.2015
Bereits seit acht Jahren ermittelt die polnische Staatsanwaltschaft wegen möglicher CIA-Gefängnisse in Polen. Politiker von früher und heute schweigen. Die Freundschaft zu den USA gilt in Polen unter allen Regierungen als Staatsraison. Doch nun haben die Ermittler neue Zeugen gewonnen.
Im nordpolnischen Szymany, 150 Kilometer von der Ostsee entfernt, gibt es einen alten Militärflughafen. Zurzeit ist er nicht in Betrieb, und auch um die Jahrtausendwende landeten dort nur ab und zu Charterflugzeuge. Deshalb blieb lange unbemerkt, dass dort immer wieder ein bestimmtes Passagier-Flugzeug ankam, das im polnischen Luftfahrzeugregister nicht auftauchte.
Diese Boeing 737 bezeichneten Medien später als Folter-Taxi des CIA. Mit ihr beförderte der US-Auslandsgeheimdienst Gefangene, die er des Terrorismus verdächtigte.
Zwischen 2002 und 2003 soll die Maschine mindestens fünf Mal in Szymany gelandet sein und Gefangene in ein Schulungszentrum des polnischen Geheimdienstes gebracht haben.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah dies als erwiesen an, sagt Barbara Grabowska, Juristin der Warschauer Helsinki-Stiftung für Menschenrechte.
"Der Gerichtshof hatte in seinem Urteil keine Zweifel daran, dass Personen ohne Gerichtsverfahren in Polen festgehalten und gefoltert wurden. Er hat außerdem erklärt, dass Polen die erhobenen Vorwürfe bisher nicht aufgeklärt hat. Polen hat damit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Sie garantiert Festgenommen, dass diese sich an ein ordentliches Gericht wenden können."
Waterboarding und nackt in einem Sarg schlafen
Zwei der mutmaßlich elf Gefangenen hatten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geklagt: al-Rahim al-Naschiri aus Saudi-Arabien und der Palästinenser Abu Subaida. Sie wurden nach ihrer Gefangenschaft in Polen in weitere CIA-Gefängnisse in andere Länder gebracht - und schließlich in das US-Lager in Guantanamo Bay auf Kuba.
Die USA beschuldigen sie, an verschiedenen Terroranschlägen beteiligt gewesen zu sein, darunter auf das US-Marineschiff USS Cole im Jahr 2000. Dennoch sind die beiden bisher nicht verurteilt und werden seit mehr als zehn Jahren ohne Gerichtsverfahren im US-Lager Guantanamo Bay festgehalten.
Der Palästinenser Abu Subaida wird auch im Bericht des US-Senats erwähnt, der die Foltermethoden des CIA beschreibt. Der Gefangene wurde nicht nur mit Waterboarding misshandelt. Er musste auch nackt in einem Sarg schlafen.
Für die Taten in Polen verhängte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Schmerzensgeld von jeweils 100.000 Euro für beide Gefangenen. Die zahlte der polnische Staat.
Ein Schuldeingeständis? Keineswegs, sagt Barbara Grabowska.
"Die polnische Regierung hat die meisten vom Gericht dargestellten Sachverhalte weder bestätigt noch dementiert. Sie hat erklärt: Die polnische Staatsanwaltschaft ermittle in dieser Sache, dem wolle sie nicht vorgreifen. So wissen wir immer noch nicht genau, welche Rolle der polnische Geheimdienst bei dem Ganzen gespielt hat und wer persönlich für diese Zusammenarbeit verantwortlich ist."
Zahlte Washington dem polnischen Geheimdienst 15 Millarden Euro?
Aufeinander folgende polnische Regierungen hatten die Existenz der Gefängnisse abgestritten. Erst vor knapp zwei Jahren räumte Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski ein, der polnische Geheimdienst habe dem CIA Räume für Verhöre zur Verfügung gestellt. Später zog er diese Aussage wieder zürück. Kwasniewski war Präsident bis 2005, er musste von den Gefangenen-Transporten ebenso wissen wie der damalige polnische Ministerpräsident Leszek Miller vom "Bündnis der demokratischen Linken".
Miller stritt dies immer wieder ab, erklärte aber gleichzeitig, dass der Kampf gegen den Islamismus außergewöhnliche Maßnahmen rechtfertige.
"Entweder erachten wir die Rechte der Mörder für wichtiger - oder die Rechte der Opfer. Entweder halten wir es für nötig, dass sich die Welt gegen ideologische Fanatiker wehrt, oder wir hängen gleich die weiße Fahne aus dem Fenster, heben die Hände und geben auf. Polen war, ist und bleibt auf der richtigen Seite."
Laut Ex-Premier Miller gab es keine CIA-Gefängnisse, aber selbst wenn, wäre das gar nicht so schlimm. US-Medien berichteten allerdings, dass sich Polen keineswegs nur aus Solidarität auf die Zusammenarbeit einließ. Washington soll dem polnischen Geheimdienst 15 Millionen US-Dollar gezahlt haben. Angeblich in bar, in Kartons mit der Diplomatenpost aus Berlin, so die Zeitung "Washington Post".
Ermittlungen seit acht Jahren
Die heutigen polnischen Regierungsparteien haben zwar nichts mit den Verantwortlichen von damals zu tun. Aber auch die liberale "Bürgerplattform", die Partei des heutigen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, rührt das Thema kaum an. Die Freundschaft zu den USA gilt in Polen unter allen Regierungen als Staatsraison.
Nur wenige Politiker machen eine Ausnahme, so wie der Senator Jozef Pinior von der regierenden "Bürgerplattform":
"Diejenigen, die diese Einrichtung zugelassen haben, haben große Gefahr über Polen gebracht. Diese Foltermethoden, die Erniedrigung dieser Menschen - das stachelt Terroristen doch nur an. So treiben wir junge Menschen im Nahen Osten in terroristische Organisationen."
Die polnische Staatsanwaltschaft ermittelt seit inzwischen acht Jahren. Warum sie so viel Zeit brauchten, teilen die Ermittler nicht mit. Vor kurzem haben sie neue Zeugen gewonnen - die Kellner eines Warschauer Restaurants. Sie haben angeblich belauscht, wie sich Ex-Präsident Kwasniewski und Ex-Premier Miller über die CIA-Gefängnisse beraten haben. Medien berichten: Die beiden sollen ihre Versionen für mögliche Verhöre abgesprochen haben.
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