Folk-Rock von Kevin Morby

Kirchenlieder ohne Gott

05:25 Minuten
Der Musiker Kevin Morby sitzt auf einem Balken vor einem Tal, im Hintergrund leuchten Lichter einer Stadt.
US-Amerikaner Kevin Morby: "Dann wirst du älter und siehst nur noch einen Haufen Chaos". © Dusdin Condren
Von Bernd Lechler · 29.04.2019
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"Ich bin ohne viel Religion aufgewachsen", erzählt der Singer-Songwriter Kevin Morby. Trotzdem spielen religiöse Bilder auf dem Album "Oh My God" eine große Rolle – aber nur, um mit ihnen weltliche Geschichten zu erzählen.
Dieser Song wies den Weg: "Beautiful Strangers" von Kevin Morby, erschienen 2016 nach den Attentaten von Paris und Orlando, zugunsten einer Initiative für strengere US-Waffengesetze.

"Damals bekam ich praktisch jedes mal Todesangst, wenn ich die Zeitung aufschlug. Wenn man so viel vom Tod liest, denkt man irgendwann über den eigenen nach, und über dieses ganze Thema."

Der Ausruf "Oh mein Gott", der damals seinen Protestsong emotional auf den Punkt brachte, tritt nun ein ganzes Album los, und die Songs darauf heißen "Hail Mary", "Gegrüßest seist du Maria", oder "No Halo", "Kein Heiligenschein".

Biblische Welten als Kunstgriff

"Ich finde, es sind sehr schöne, lebendige Bilder, mit denen man gut Geschichten erzählen kann. Ich bin ohne viel Religion aufgewachsen, aber ich war trotzdem davon umgeben. Wilde Geschichten, die man glauben soll, mit Engeln und Dämonen – mich fasziniert das auf eine ähnliche Art wie der Wilde Westen."
Biblische Bildwelten als Kunstgriff: "Oh My God" handelt also nicht von Religion und untersucht weder unchristliche Waffengesetze noch islamistischen Fanatismus.
Trotzdem ist in Kevin Morbys metaphernreichen Texten die Hölle los: Der Sänger trägt schwarz und zündet Kerzen an, kniet und beichtet, trägt Hörner und Flügel, aber die Themen sind ganz persönlich: Liebe, Ängste, Beziehungen. Oder Erwachsen-Werden, wie in "Nothing Sacred All Things Wild".
"Da geht es um den Verlust der Unschuld. Wenn man jung ist, steckt in allem Bedeutung, die Welt passt zusammen wie ein lückenloses Puzzle. Dann wirst du älter und siehst nur noch einen Haufen Chaos."

"Wenn es dir schlecht geht, kannst du immer noch singen"

Sie erzählt vor allem von der Suche nach Erlösung. Und die findet Kevin Morby am Ende samt Spiritualität und Gemeinschaft nicht in der Kirche, sondern in der Musik. Denn noch ein Begriff taucht immer wieder auf: "A Glad Song", ein "frohes Lied".
"Bei einer Hochzeit auf Hawaii las ich auf dem Friedhof eine Inschrift, irgendwas von einem ‚glad song‘, und das blieb hängen. In dem Fall waren sicher Kirchenlieder gemeint. Bei mir ist aber jedes Lied ein frohes Lied und hat Kraft und ist religiös innerhalb der Religion Musik. Für mich war Musik immer Therapie. Wenn es dir schlecht geht, kannst du immer noch etwas singen."
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