Folgen des Diesel-Deals

Stau auf Deutschlands Schrottplätzen

Alte Autos auf dem Autofriedhof, nachdem sie durch die Schrottpresse gelaufen sind
Alte Autos auf dem Autofriedhof, nachdem sie durch die Schrottpresse gelaufen sind © imago/blickwinkel
Von Ernst-Ludwig von Aster · 22.05.2018
Ein Neukauf wird üppig belohnt: Mehrere tausend Euro Prämie zahlen Automobilhersteller beim Erwerb eines fabrikneuen Diesel-PKW. Allerdings nur dann, wenn der Kunde seinen alten Diesel verschrottet. Dieser "Diesel-Deal" hat ähnliche Folgen wie einst die "Abwrackprämie".
Ein silberner Toyota-Corolla rollt auf den Parkplatz der Autopresse in Berlin-Tempelhof. Die Fahrerin steigt aus, sie sucht ein paar Ersatzteile. Als sie über den Hof geht, sieht sie einen anderen Toyota, dasselbe Modell, dieselbe Farbe – fertig zur Verschrottung.
"Ja, ich wollte gleich die Scheibenwischer haben, ist aber noch nicht freigegeben."
Die Kundin kauft eine gebrauchte Batterie, rollt vom Hof.

Warten auf die Verschrottung

Andreas Schmidtke inspiziert unterdessen den neuen Schrottwagen. Er ist der Chef der Autopresse: 59 Jahre, Blaumann, Arbeitshandschuhe, Brille, Kurzhaarschnitt.
"Toyota Corolla Verso, Baujahr 2007. Vom Autohaus. Da hat der Kunde einen Neuen gekauft und hat den über der Abwrackprämie in Auftrag gegeben zu verschrotten. Und da kamen dann wieder wir ins Spiel."
Schmidtke eilt über den Hof. Dutzende Diesel-PKW warten, übereinander gestapelt, auf die Verschrottung. Immer drei Karossen übereinander.
"Was wir hier gerade sehen, ist ein Peugeot 307, ein Audi A 4 aus 2006, ein Golf 4 aus 2003, dann haben wir einen BMW 1er aus 2006, und einen Vectra aus 2006. Da sind Fahrzeuge, die normalerweise eigentlich noch auf die Straße gehören."

Debatte um Fahrverbote macht Autofahrer nervös

Doch normal ist hier seit einem Dreivierteljahr gar nichts mehr. Was sich da momentan auf dem Hof türmt, ist rekordverdächtig. Die Diesel-Debatte um Fahrverbote hat viele Autofahrer nervös gemacht.
"Die ersten Andeutungen kamen ja im August, aber da war ja allgemein so der Gedanke: Okay, da werden sich dann ein paar Autos ansammeln, die dann verschrottet werden. Weil ein direktes Fahrverbot gibt es ja nicht."
Dachte Schmidtke und lag daneben. Umweltprämie, Verkaufsaktionen der Hersteller, Angst vor Fahrverboten - heute bekommt er doppelt so viele Fahrzeuge auf den Hof, wie noch vor einem Jahr. Der Kunde kauft neu, der Händler übernimmt den alten Wagen. Und karrt ihn zur Verschrottung. Endstation Autopresse. Schmidtke kommt kaum hinterher.
In einer Halle: die Entsorgungsstraße. Die letzte Ausfahrt vor der Schrott-Presse. Aufgebockt hängt ein VW in der Luft, ein Mitarbeiter bearbeitet die Bremsscheibe. Ein anderer kümmert sich um die Flüssigkeiten. Alles muss raus.
"Motoröl, Getriebeöl, Bremsflüssigkeit, Scheibenwaschanlage, Hydraulikflüssigkeiten, die Reifen müssen demontiert werden, Airbag muss gezündet werden. Tank muss entleert werden, Scheiben müssen raus, und dann ist fertig."
Ab auf den Friedhof: Bei der der Autopresse in Berlin-Tempelhof herrscht derzeit Hochbetrieb, weil Diesel-Autos "abgewrackt" werden.
Ab auf den Friedhof: Bei der der Autopresse in Berlin-Tempelhof herrscht derzeit Hochbetrieb, weil Diesel-Autos "abgewrackt" werden.© Ernst-Ludwig von Aster
Für die letzte Pressung. Schmidtke mustert den Wagen. Er handelt auch mit Ersatzteilen. Da fällt bei fast jedem PKW etwas ab. Ausschlachten und aufbewahren. Weiterverkaufen und weiterverwenden. Das ist die Geschäftsidee. Nachhaltig und umweltfreundlich. Nur leider fehlen die Käufer:
"Das ist ja die Krux. Man hat schöne Autos auf dem Hof, man hat auch genug Ersatzteile. Doch der Reparaturanfall ist relativ gering, der Ersatzteilverkauf ist gering und der Arbeitsanfall ist sehr hoch."

Mit dem Druck von 400 Tonnen

Draußen hievt der Gabelstapler einen Passat in die Schrott-Presse. Schmidtke drückt auf den Knopf. Der 14 Tonnen schwere Deckel senkt sich, 400 Tonnen machen Druck. Die Karosse schrumpft im Sekundentakt. Schmidtke wiegt den Kopf. Autopresse, Ersatzteilhandel und Werkstatt, das sind die drei wirtschaftlichen Säulen seines Betriebes. Richtig gut läuft im Augenblick nur die Presse.
"Die Werkstätten haben relativ wenig zu tun, weil ja diese Fahrzeuge, die so in den Bereich zehn, zwölf Jahre fallen, wären ja die Kandidaten, die natürlich die eine oder andere Reparatur jetzt hätten. Und die jetzt natürlich wegfallen, weil sie auf dem Schrott stehen. Und natürlich haben die Werkstätten weniger zu tun."

Knirschend komprimiert die Presse den PKW. Stau vor der Schrottpresse, das erinnert ihn an das Jahr 2009. An die Abwrackprämie. Als der Staat mit Zuschüssen für den Neuwagenkauf der Automobilindustrie aus der Krise helfen wollte:
"Das war der erste Wahnsinn. Und da war es dann auch himmelhoch jauchzend, und nach wenigen Wochen kam die Ernüchterung, weil ja die kompletten Gebrauchtfahrzeuge vom Markt waren, die mal irgendwo verkauft worden sind oder irgendwo repariert worden sind, da hatten wir die gleiche Situation und einen Riesenberg von Arbeit. Und danach haben alle gesagt 'Gott sei Dank dass die Geschichte vorbei ist, wird es ja Gott sei Dank nie wieder geben', aber wir haben neun Jahre später, da haben wir das Gleiche noch mal."
Etliche der damals neu gekauften Diesel-PKW rollen nun bei ihm auf den Hof. Zum Verschrotten.
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