Folgen des Beauty-Trips

27.04.2010
"Bodies. Schlachtfelder der Schönheit" von Susie Orbach stellt dar, wozu der extreme Beauty-Trip für den Einzelnen und die Gesellschaft führt. Es zeigt, dass Zivilisationskrankheiten wie Magersucht oder Fettleibigkeit auch als eine Reaktion auf ein immer unerreichbareres Körperideal zu verstehen sind.
Models in Frauenzeitschriften, auf riesigen Plakatwänden und in der Fernsehwerbung: Wir sind umgeben von vollkommenen Körpern. Doch welche Auswirkungen hat es auf unsere eigenen Körper, wenn wir pro Woche mit durchschnittlich mehr als 2000 dieser - oft digital manipulierten - Bildern konfrontiert werden? Wir reagieren mit Kränkung und Optimierungsdruck, schreibt die englische Psychoanalytikerin Susie Orbach in ihrem neuen Buch "Bodies. Schlachtfelder der Schönheit".

Und bringt es damit in ebenso klarer, wie eleganter Sprache treffend auf den Punkt. Angesichts der digitalen Bilderflut verwandelt sich unser eigner Körper in eine Art Baustelle, auf der jeder einzelne Teil generalüberholt werden muss, so Orbach. Wenn wir selbst nicht diszipliniert genug sind, verspricht die Schönheitsindustrie Hilfe, direkt in unsere wachsende Verunsicherung hinein, mit Anti-Falten-Cremes, Hautstraffenden Lotionen oder gar mit Operationen. Für Frauen wie Männer. Dazu kommt noch die neueste Mode, die Abhilfe verspricht und oft noch mehr Leid provoziert.

Alle Abweichungen vom globalisierten Körperideal, sei es durch Größe, Hautfarbe oder Gewicht werden zum anklagenden Makel. Körperhass, wie es die Psychoanalytikerin nennt, ist das gemeinsame Problem vieler ihrer Patientinnen und Patienten, deren Fallgeschichten in allen sechs Kapiteln des Buches vorkommen. Ein Buch, in dessen Licht Zivilisationskrankheiten wie Magersucht oder Fettleibigkeit auch als eine Reaktion auf ein immer unerreichbareres Körperideal zu verstehen sind.

Anfangs beschäftigt sich die Autorin mit der Art und Weise, wie wir überhaupt einen Körper bekommen. Denn, und das ist die zentrale These ihres Buches, der Körper ist nicht stabil, sondern wird "gemacht"; er ist das Produkt von Erziehung, Gesellschaft und Kultur. Angesichts der schieren Masse an digital manipulierten Körperbildern und der schönheitsbesessen Celebrity-Kultur unterliegen unsere eigenen Körper heute einem zunehmenden Bewertungsdruck und damit verbundenen Vergleichs- und Kontrollmechanismen. Das beginnt schon im Baby-Alter: die Interaktion zwischen Mutter und Kind formt das erste Körpergefühl. Ist die Mutter über ihren Körper verunsichert, überträgt sie diesen Zweifel auf ihr Kind. Körperunsicherheit schreibt sich fort, von Generation zu Generation.

Im weiteren Verlauf des Buches widmet sich Susie Orbach den subtilen Zusammenhängen von seelischer Verfassung und Körpergefühl. Sie denkt über virtuelle Körper im Netz nach, über neue Operationstechniken und Körperoptimierungsfelder wie Knie oder innere Geschlechtsorgane und den Zusammenhang zwischen Schönheitswahn und den immer weiter wachsenden Umsätzen der Schönheitsindustrie.

Orbachs Buch ist kluge Konsumkritik und hellsichtige Analyse der Gegenwart, fundiert, provokativ und überzeugend. Ihr therapeutischer Blick macht klar, wie entfremdet unsere Körpererfahrungen geworden sind, und wie notwendig es ist, der Bilderflut Widerstand zu leisten. Es geht um nichts Geringeres als die Vielfalt menschlicher Formen, die angesichts globalisierter Schönheitsideale zu verschwinden droht. Am Ende verweist Susie Orbach auf die Würde unseres eigenen Körpers, den wir bewohnen und genießen sollten, anstatt ständig an ihm herumzuwerken - denn Lebenssinn und Sinnlichkeit hängen eng zusammen.

Besprochen von Ariadne von Schirach

Susie Orbach: Bodies. Schlachtfelder der Schönheit
Übersetzt von Cornelia Holfelder - von der Tann, Arche Verlag 2010
200 Seiten, 17,90 Euro