Folge der Coronakrise

Blutkonserven werden knapp

06:22 Minuten
Eine DRK-Mitarbeiterin hält eine fertige Blutkonserve in den Haenden.
In vielen Regionen Deutschlands werden die Blutkonserven extrem knapp (Symbolbild). © picture alliance / Fotostand / Matthey
Von Horst Gross · 08.10.2020
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Blutspendedienste schlagen Alarm: In der Coronakrise fehlt es an Blutkonserven. Das liegt allerdings nicht ausschließlich an mangelnder Spendenbereitschaft.
Auf einer aktuellen Videopressekonferenz schlagen Deutschlands Transfusionsmediziner Alarm. Ein Versorgungsengpass mit Blutkonserven droht. Coronabedingt. Kritisch wurde die Lage bereits vor Beginn des Lockdowns, berichtet der saarländische Transfusionsmediziner Herrmann Eichler.
"Wir haben es stark gemerkt, dass die Mitbürgerinnen und Mitbürger, wenn immer möglich, den öffentlichen Raum gemieden haben und auch den Blutspendeterminen ferngeblieben sind. Die Krankenhäuser liefen dann noch ganz normal, und das hat dazu geführt, dass sehr rasch die Blutlager leer wurden."

Im Lockdown wurden viele Operationen verschoben

Nachdrückliche Spendenaufrufe und – paradoxerweise – auch der Lockdown selbst, haben die Situation zeitweise dann wieder entschärft.
"Wir haben dann später tatsächlich gesehen, dass viele Menschen erstmals zu Spenden gekommen sind, oder Menschen, die schon mal gespendet hatten, wieder zur Spende kamen, sodass dann diese leeren Lager wieder aufgefüllt werden konnten. Parallel dazu fuhren die Krankenhäuser aber ihre elektiven Programme nach unten. Um etwa 30 Prozent ging der Gesamtblutverbrauch in Deutschland zurück, sodass dann ausreichend Blut da war."
Wahleingriffe, wie etwa Hüftoperationen, bei denen es stark bluten kann, waren im Lockdown per Gesetz untersagt. Das hat sich mittlerweile geändert und die Krankenhäuser laufen fast wieder im Normalbetrieb.
"Seit Wochen werden wieder Patienten behandelt. Und wir sehen jetzt immer noch ein geringeres Annehmen von Blutspendeterminen. Das heißt, die Krankenhäuser brauchen wieder Blut. Die fahren wieder unter Volllast. Und die Spender bleiben aus oder kommen jedenfalls nicht ausreichend zur Blutspende."

Blutabnahme unter verschärften Hygienemaßnahmen

Besuch beim Deutschen Roten Kreuz in Berlin-Steglitz. Der Eingang zur Blutspende erinnert an ein Hochsicherheitslabor. DRK-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in Schutzanzügen und Masken messen Fieber, fragen nach kritischen Reisezielen und prüfen auf Erkältungszeichen. Wie fühlt sich Blutspenden unter diesen Bedingungen an?
"Ich meine: Das ist das Deutsche Rote Kreuz. Die wissen, was sie tun. Die halten sich an alle Abstandsregeln und Hygienesachen. Man muss sich ja jetzt einen Termin geben lassen. Es ist alles abgestimmt, dass nicht so viele Leute hier sind zur gleichen Zeit. Temperatur wird gemessen, gleich beim Eingang. Man desinfiziert sich die Hände. Man sieht, dass alle Mund- und Nasenschutz tragen. Total sicher. Keine Bedenken. Kein Problem."

Spendenbereitschaft ist in manchen Regionen hoch

Auch Oberärztin Britta Dimanski, Leiterin des Instituts für Transfusionsmedizin des DRKs in Berlin und Potsdam, bestätigt den Eindruck der Berliner Spenderin. Nach Beginn des Lockdowns kam es, zumindest in der Hauptstadt, zu einem regelrechten Run auf die Blutspende-Dienste.
"Da gab es überhaupt keine Probleme. Am Beginn der Pandemie war es wirklich so, dass die Leute auch noch draußen warten mussten. Da hatten wir dieses Terminreservierungssystem noch nicht. Und da waren hier wirklich ganz lange Schlangen, mit großen Abständen zwischen den einzelnen Spendern. Das wurde sehr, sehr gut angenommen. Kann man sich nur bedanken. Also die Spendenbereitschaft ist wirklich hoch. Unsere Termine sind ausgebucht. Alle Termine, die wir anbieten, sind ausgebucht, und wir sind mit allen Leuten im Einsatz."
Aber warum mangelt es trotzdem an Blutkonserven? Zum einen, weil das Spenderaufkommen bundesweit immer noch zu gering ist, sagt Britta Dimanski. Zum anderen sind es organisatorische Hürden.
"Aber man kann auch pro Zeiteinheit natürlich jetzt bei wenigen Spendern Blut abnehmen, einfach, weil die Abstandsregeln eingehalten werden müssen. In den Spenderlokalitäten kann immer nur eine bestimmte Anzahl an Personen da sein, weil wir sehr darauf bedacht sind, dass jegliches Ansteckungsrisiko minimiert wird."

Keine Spendenaktionen in Betrieben oder Schulen

So hat das Deutsche Rote Kreuz bis vor Kurzem für ambulante Blutspenden in Betrieben, Schulen oder Heime geworben. Damit ist jetzt Schluss. Die Spendenbusse sind zu eng für die Hygieneauflagen. Zudem herrscht in vielen Bürogebäuden immer noch gähnende Leere, berichtet Oberärztin Britta Dimanski.
"Betriebe, die immer noch im Homeoffice arbeiten, da nehmen wir nicht ab. Weiterhin Schulen, Senioreneinrichtungen. Das ist natürlich auch ganz schön schwierig dort, die Situation. Und wir müssen jetzt auch wieder gucken, wie sich das ganze Infektionsgeschehen weiterentwickelt."
Die reibungslose Versorgung mit Blutkonserven setzt ein dauerhaftes und stabiles Spendenaufkommen voraus. Denn bis heute gibt es keine Möglichkeit, Blut langfristig zu konservieren, zum Beispiel durch Einfrieren.
"Es ist natürlich wirklich so, dass Blutspende ein kontinuierlicher Prozess ist. Das heißt, durch die begrenzte Haltbarkeit der einzelnen Produkte ist man ständig auf neue Blutspenden angewiesen. Thrombozytenkonzentrate, die halten sich nur fünf Tage. Und Erythrozytenkonzentrat eben auch nur bis zu 42 Tage."

Blutspender werden nicht auf Corona getestet

Blutspenderinnen und Blutspender werden auf alle möglichen Infektionskrankheiten hin getestet. Das ist immer so. Aber auch auf Corona? Das fragen viele den Transfusionsexperten Herrmann Eichler.
"Wir testen die Spenderinnen und Spender auf eine Vielzahl von Infektionskrankheiten, die durch Blut übertragen werden können. Aber wir machen eben keine Testung auf das Coronavirus, weil das Coronavirus nicht durch Blutprodukte übertragbar ist. Das ist der aktuelle Wissensstand."
Fast vier Millionen Blutkonserven wurden im vergangenen Jahr gespendet. Eine Zahl, die 2020 nur erreicht wird, wenn die Blutspende-Bereitschaft deutschlandweit wieder zunimmt, so wie bei dieser Berlinerin: "Eine gute Freundin von mir hat gesagt, dass jetzt die Konserven irgendwie knapp werden. Und dann dachte ich: Na ja, warum nicht. Ich denke einfach: Jeder trägt ein Stück für die Gesellschaft bei."
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