Flüchtlingspolitik

Abschiebekultur statt Willkommenskultur?

Am Flughafen Rostock-Lage startet eine Maschine mit abgeschobenen Asylbewerbern, Aktivisten schauen hinter einem Zaun zu.
Am Flughafen Rostock-Lage startet eine Maschine mit abgeschobenen Asylbewerbern © dpa / picture alliance / Bernd Wüstneck
Gäste: Karl Kopp, Pro Asyl und Karl-Georg Wellmann, CDU · 18.02.2017
Mit einem 16-Punkte-Plan wollen Bund und Länder strengeren Asylregeln festlegen. Karl Kopp kritisiert das scharf: "Deutschland soll sich vom Aufnahme- zum Abschiebeland entwickeln". Karl-Georg Wellmann entgegnet: Wir müssen uns auf die konzentrieren, die dauerhaft hier bleiben können.
Schärfere Kontrollen, Rückkehrprämien, "Ausreisezentren" – in einem 16-Punkte-Plan haben sich Bund und Länder auf strengere Asylregeln geeinigt. Damit soll die Ausreise von Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive beschleunigt werden. Während Politiker von SPD und CDU die Maßnahmen als längst überfällig loben, ließ die Kritik seitens der Opposition und der Hilfsorganisationen nicht lange auf sich warten.

Nordafrikanische Flüchtlingszentren sind "Haftzentren"

"Es geht momentan nur darum, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren – das ist das Hauptziel in Deutschland und in Europa", sagt Karl Kopp, Europareferent bei der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. "Deutschland soll sich vom Aufnahmeland zum Abschiebeland entwickeln."
Er beobachtet derzeit ein regelrechtes "Abschiebestakkato" afghanischer Flüchtlinge. "Wir haben die innenpolitische Problematik, dass ohne Sinn und Verstand auf die Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen gedrängt wird." Und dies in ein Land, das vor Kurzem noch als Fluchtland gegolten habe. Es sei auch keine Lösung, die Flüchtlingsproblematik an Länder wie die Türkei oder Griechenland zu delegieren. Scharf kritisiert Kopp zudem die Pläne, Flüchtlinge in Lagern in Nordafrika unterzubringen. "Die Logik dieser Zentren ist, dass sie Haftzentren sind."
Aus Angst vor dem Druck der Rechtspopulisten liefen die Politiker – in Deutschland wie der EU – Gefahr, deren Inhalte zu übernehmen. "Wir haben relativ viele positive Ansätze in Deutschland, und jetzt beobachten wir ein Rollback, und dass wir in die alte, bleierne Zeit zurückkehren."
"Wir haben über 100.000 Menschen, denen das Asyl verweigert ist, wo eine gerichtliche Prüfung bestätigt, dass sie das Land verlassen müssen – und die gleichwohl hier sind", sagt der CDU-Politiker Karl-Georg Wellmann. "Das führt dazu, dass die Menschen zwischen Baum und Borke hängen. Sie wissen, dass sie weg müssen, haben aber keine Bindung mehr nach Hause."

"Brauchen sehr viel mehr Engagement in Flüchtlingsländern"

Er befürwortet die Pläne, die Abschiebungen zu beschleunigen. "Wir müssen die Ressourcen, die wir haben, auf die konzentrieren, die hier eine Perspektive haben, die hier bleiben können. Und es gilt, die auszusieben, die ersichtlich keinen Status haben." Dazu gehörten auch Maßnahmen bereits in den Fluchtländern:
"Ich halte es nicht für menschenwürdig, Leute in der Illusion zu wiegen, zu Hause alles zu verlassen, Schleppern wahnsinnig viel Geld zu geben für eine ersichtlich hoffnungslose Reise. Deshalb brauchen wir sehr viel mehr Engagement in den Flüchtlingsländern." Dies sehe zum Beispiel der "Marshallplan mit Afrika" des Bundesentwicklungsministers vor, mit einer stärkeren Förderung der Wirtschaft vor Ort und vereinfachte Zollbestimmungen. Und Deutschland brauche ein "intelligentes Einwanderungsgesetz": "Wir müssen auch unsere eigenen Interessen wahren und legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen. Wir sind interessiert an Menschen, die bereit sind, hier zu arbeiten und sich einzubringen. Das ist auch für uns ein Mehrwert."
Abschiebe- statt Willkommenskultur – wie weiter in der Flüchtlingspolitik? Darüber diskutiert Matthias Hanselmann heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Karl Kopp und Karl-Georg Wellmann. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.
Informationen im Internet:
Mehr zum Thema