Flüchtlingsintegration durch Sport

Fit gemacht

Flüchtlinge stehen in einer Berliner Sporthalle und hören einem Trainer zu.
Flüchtlinge als künftige Sporttrainer © Wolf-Sören Treusch
Von Wolf-Dieter Treusch · 22.03.2016
Die Diskussion über Flüchtlinge und über die "Willkommenskultur" in Deutschland hat sich verändert. Dabei drohen positive Beispiele in den Hintergrund zu treten. Ein Berliner Projekt bildet Flüchtlinge zu Sporttrainern aus und bietet parallele Praktika.
"Okay, passt noch mal auf bitte!"
Energisch bittet Kursleiter Niels Steinke um Aufmerksamkeit.
"Ihr sollt jetzt planen, ungefähr 15 Minuten" (arabisch)
Methodenlehre steht auf dem Stundenplan. In Kleingruppen sollen die 21 Flüchtlinge Trainingseinheiten ausarbeiten. Die Themen: Fußball, Fitness, Thaiboxen und Kindersport. Ihr Blick signalisiert: sie wollen lernen, sie wissen nur nicht so genau, was und wie.
Nach dreimonatiger Ausbildung winkt die Trainerlizenz
"In der letzten Woche haben wir halt viel praktisch gemacht, und das größte Problem, was ich dabei gesehen habe, war aber, dass eben dieser Fokus, wofür wir eigentlich hier sind, noch gar nicht in allen Köpfen drin ist. Es geht ja darum, dass sie lernen, wie man Übungen mit anderen Leuten zusammen macht. Wie man Leute anleitet, dass sie halt irgendwann irgendwas lernen."
Drei Monate dauert die Ausbildung. Sollten sie die Abschlussprüfung bestehen, erhalten die Flüchtlinge die Trainerlizenz des Landessportbundes Berlin. Dort ist Frank Kegler für den Bildungsbereich zuständig. Interessiert hat er gerade den Unterricht verfolgt.
Kegler: "Für uns war immer wichtig, dass wir auch Menschen gewinnen wollen, die dann in einem Verein auch ein Stück Verantwortung übernehmen können in Form von Anleitung von Sportgruppen, oder in den Unterkünften selbst, wir haben im letzten Jahr, haben wir 'ne Fußballausbildung gemacht, mit einer Gruppe von Migranten, die schon vor etlichen Jahren zu uns gekommen sind, alles Frauen, mit dem Berliner Fußballverband zusammen, 15 Fußballtrainerinnen ausgebildet. Die hatten schon vorher Vereinskontakte, und die sind jetzt dort in der Lage, Training anzubieten."
Prallelle Praktika beim Bäcker oder Zahnarzt
Die Ausbildung zum Übungsleiter ist nur ein Teil des Integrationsprojekts. Parallel dazu machen die Flüchtlinge auch ein Betriebspraktikum. Bei einem Bäcker, in einem Krankenhaus oder einer Zahnarztpraxis.
"Deutsch lernen, und Mathe, er liebt Mathe auch."
Ahmed und Odai füllen einen Fragebogen aus, eine Sozialarbeiterin hilft ihnen dabei. Die mögliche berufliche Perspektive macht das Projekt für die Flüchtlinge besonders attraktiv. Am Nebentisch sitzt Markus Deecke. Er hat das Ganze organisiert, hat Landessportbund, private Unternehmer und Sozialarbeiter zusammengebracht.
Deecke: "Von Marokko bis Doha werden überall Übungsleiter und Sportlehrer gesucht, und in Deutschland auch. Und dann habe ich gesagt: ‚wir müssen doch jetzt mal nach der Willkommenskultur eine Qualitätsoffensive starten und mal versuchen ein Modell zu entwickeln’, mit hinterher einem Zertifikat, in Klammern Made in Germany, was weltweit höchsten Ansprüchen gerecht wird und einen guten Ruf hat, mit dem man was anfangen kann."
In einer Berliner Sporthalle werden Flüchtlinge als Sporttrainer ausgebildet. Auf dem Foto springt ein junger Mann über ein Seil.
Flüchtlinge als künftige Sporttrainer© Wolf-Sören Treusch
Nach so viel Theorie geht es endlich in die Sporthalle. Die 3 Frauen und 18 Männer laufen wild durcheinander. Sie freuen sich, dass sie sich bewegen können. Sie toben. Jeder von ihnen schnappt sich einen Ball. Gezieltes Aufwärmen? Fehlanzeige.
"So ist falsch?"
Alaa lässt sich von Kursleiter Niels Steinke zeigen, wie man einen Basketball wirft. Standbein vor, Wurfarm locker nach oben schnellen lassen: sie probiert es.
Alaa träumt von einer Zukunft als Krankenschwester
Alaa ist 19 und kommt aus Syrien. Wegen des Krieges in ihrem Heimatland musste sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester abbrechen. Das Projekt gibt ihr nun die Chance, ihren Traum weiter zu leben. Sie hat einen Praktikumsplatz in einem Berliner Krankenhaus vermittelt bekommen.
Alaa: "Ja, wenn ich habe mein Arbeit, alles kann ich machen hier in Deutschland, dann bleibe ich in Deutschland."
Ihre Kleingruppe hat Übungen zum Thema Kindersport vorbereitet. Alaa schnappt sich ein Springseil und macht sie vor. Mal springt sie mit beiden Beinen, mal mit einem. Die anderen tun es ihr nach. Der Hallenboden schwingt.
Steinke: "Was ist wichtig bei Kindern? Was hast du gesagt?"
Alaa: "Sie können, die Kinder, probieren."
Steinke: "Genau."
Alaa: "Weil es ist leicht, nicht so schwer für Kinder. "
Niels: "Und sie wollen Spaß haben. "
Alaa: "Weil: die Kinder sagen immer 'langweilig, langweilig'".
Niels: "Am besten noch mal laut für alle, Achtung!"
Alaa erklärt ihren Mitschülern, worauf sie bei den Übungen achten müssen. Sie kann sich vorstellen, später auch einmal in einem deutschen Sportverein tätig zu sein.
"Ja, (lacht) ja. Ich mag auch nicht mit den arabischen Leuten immer Sport machen. Ich mag mit Deutschleute, weil: wir können zusammen reden. Deutsch reden."
Steinke: "Und dann müssen wir variieren."
Doch dafür muss sie erst einmal die Prüfung für die Trainerlizenz bestehen. Und das wird schwer genug. Ob mit oder ohne Springseil.
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