Flüchtlingshilfe

Literatur zum Ankommen

Flüchtlingskinder sollen mit arabischsprachigem Lesestoff versorgt werden.
Flüchtlingskinder sollen mit arabischsprachigem Lesestoff versorgt werden. © picture alliance / ZB - Britta Pedersen
Von Cornelia Wegerhoff · 26.02.2016
Sie sollen ablenken, Trost spenden und Mut machen: Ägyptische Verleger schicken deutsche Kinderbücher, die ins Arabische übersetzt wurden, an Flüchtlingsunterkünfte zwischen München und Kiel. Angestoßen hat die Aktion das Goethe-Institut.
Eine Lesung, bei der sich die Zuhörer kringeln vor lachen. Bei Haitham Shoukry kommt das regelmäßig vor. Der Geschichtenerzähler des Kairoer Goethe-Institutes besucht ägyptische Schulkinder. Schon im dritten Jahr fährt er mit einem bunt bemalten Bücherbus im Nildelta über die Dörfer. Dahin, wo es sonst weit und breit keine Bibliotheken gibt, und die Kinder oft nichts anderes kennen als Schulbücher.
Haitham Shoukry liest vor und lässt die Kinder anschließend aus dem Bücherbus ausleihen. Auch zahlreiche Titel deutscher Kinderbuchautoren stehen dort in den Regalen, übersetzt ins Arabische. Schon leicht abgegriffen ist der Kinderbuchklassiker von Otfried Preußler:

Kooperation mit Flüchtlingsorganisationen

Shoukry: "Das ist 'Die kleine Hexe'. Das ist mein Lieblingsbuch. Sie finden das toll und sie denken immer: Die kleine Hexe ist 127 Jahre alt. Wow, das ist ganz groß. Und ich sage, nein, das ist ganz klein. Und alle Kinder mögen diese Bücher gern."
Kindern Freude bereiten und gleichzeitig die Leselust wecken – das will das Goethe-Institut mithilfe der arabischsprachigen Übersetzungen jetzt auch an ganz anderer Stelle. Wie, das erklärt Sabine Reddel-Heymann, Bibliotheksleiterin in Kairo:
Reddel-Heymann: "Es gibt ja sehr viele arabischsprachige, arabisch lesende Flüchtlinge in Deutschland und von unserer Zentrale, die in dem ganzen Kontext Flüchtlinge sehr aktiv ist, kam an uns die Bitte, Kinder- und Jugendbücher zu organisieren, die aus dem Deutschen ins Arabische übersetzt worden sind. Wir haben dann ausgewählt, was interessant sein könnte, natürlich in Kooperation mit Flüchtlingsorganisationen, mit Bibliotheken in Deutschland, die ja alle vor der großen Herausforderung stehen, eben Bücher in der Heimatsprache anbieten zu wollen."
Die renommierte Kairoer Kinderbuchverlegerin Balsam Saad hat im Auftrag des Goethe-Institutes die gewünschten Titel bei ihren ägyptischen Kollegen organisiert.

Bücher als etwas Lebensnotwendiges

Saad: "Wir haben die Bücher zusammengetragen, die auf dem ägyptischen Markt erhältlich waren. Zwei Buchtitel kamen aus dem Libanon dazu. Insgesamt waren es fast 8000 Kinderbücher. Da waren eine Menge Kartons zu packen", so die Verlegerin. "Der Spediteur hat sich gewundert: Sind das alles Bücher? So eine große Menge haben wir als Verleger noch nie verschifft."
Dass die ungewöhnliche Transaktion vor allem syrische Flüchtlingskinder mit arabischsprachigem Lesestoff versorgen wird, erinnert Balsam Saad an bessere Zeiten. Die syrischen Verleger hätten früher selbst ganz wunderbare Kinderbücher publiziert, erzählt sie.
Saad: "Wir hatten enge Verbindungen zu diesen Kollegen. Einige kamen regelmäßig zur Buchmesse in Kairo und haben uns ihre Bücher verkauft", sagt Balsam Saad. "Ihre Arbeit war besonders bekannt für ihr hervorragendes Arabisch. Die meisten Verleger haben Syrien verlassen. Ich bin wirklich beeindruckt, dass in Deutschland Bücher als etwas Lebensnotwendiges zur Versorgung von Flüchtlingen betrachtet werden. Das berührt mich sehr."

Lesestoff auch für die ganz Kleinen

"Auch wenn man Kummer hat, kann man lesen, will man vielleicht auch lesen. Lesen ist ja immer auch ein Sich-träumen-in-eine-andere Welt",
sagt Sabine Reddel-Heymann. Die 20 speziell ausgesuchten Titel sollen ablenken, Trost spenden, Ängste nehmen, Mut machen. Auch bei ganz kleinen Lesern. Ein Beispiel für eines der deutschen Bücher, das nun kistenweise auf Arabisch reimportiert wird.
Sabine Reddel-Heymann: "Wolf Erlbruch: 'Frau Meier, die Amsel'. Auch ein sehr schönes Kinderbuch, das eigentlich von einem sehr ängstlichen Menschen, dieser Frau Meier, handelt, die aber eine Amsel in ihrem Garten entdeckt und rettet und beschützt. Und ich finde auch, das ist eine sehr, schöne, berührende Geschichte, die ganz wenig Text hat, und hauptsächlich mit Bildern funktioniert."
In den kommenden Wochen will das Goethe-Institut die Bücherlieferung aus Ägypten in deutschen Flüchtlingsunterkünften verteilen.
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