Flüchtlingsboote im Mittelmeer

"Die EU nimmt bewusst Tote in Kauf"

Ein Frachter mit mehreren Hundert Flüchtlingen legt im Hafen der kalabrischen Stadt Crotone an.
Ein Frachter mit mehreren Hundert Flüchtlingen legt im Hafen der kalabrischen Stadt Crotone an. © AFP
Harald Glöde von borderline-europe im Gespräch mit Nana Brink · 02.01.2015
Wieder einmal trieb ein Frachter mit Hunderten von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer, bereits der zweite innerhalb weniger Tage. Für Harald Glöde von "borderline-europe" ist das auch ein Resultat einer verfehlten EU-Politik.
Gleich zwei Schiffe mit Hunderten von Flüchtlingen an Bord trieben innerhalb weniger Tage führerlos auf dem Mittelmeer. Die Menschen konnten zwar mit knapper Not gerettet werden. Aber so kann es nicht weitergehen, sagen Flüchtlingsorganisationen. Sie fordern eine andere EU-Flüchtlingspolitik.
Derzeit bestehe diese im Wesentlichen aus Abschreckung und Abschottung, sagte Harald Glöde von der Flüchtlingsorganisation "borderline-europe". Insbesondere wirft er der EU vor, sich nicht an der Operation "Mare Nostrum" der italienischen Regierung beteiligt zu haben, die mehr als 150.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet habe. Stattdessen habe man die Frontex-Operation "Triton" ins Leben gerufen, aus seiner Sicht eine "Alibi-Aktion". Triton verfüge über weniger als ein Drittel der Finanzmittel von "Mare Nostrum" und habe entsprechend weniger Personal und Schiffe im Einsatz. Außerdem sei die Reichweite von "Triton" deutlich geringer.
"Es wird wieder viele Tote im Mittelmeer geben"
Mit ihrer Flüchtlingspolitik nehme die EU ganz bewusst Tote in Kauf, so Glöde. "Wenn sie jetzt darauf verzichtet, den Meerraum vor der italienischen Küste zu kontrollieren, dann ist das relativ klar und zu erwarten - das wissen alle Beteiligten: Es wird dort wieder eine Vielzahl von Toten geben."
Glöde fordert, es müssten Möglichkeiten für Flüchtlinge geschaffen werden, in den Botschaften in ihren Heimatländern und in den Transitländern Asylanträge zu stellen:
"Das Problem ist letztlich, dass es für Flüchtlinge, die Schutz suchen, keine legalen Zugangsmöglichkeiten zur EU gibt. Und so lange es diese legalen Zugangsmöglichkeiten nicht gibt, sind diese Leute darauf angewiesen, sich diesen Schleppern anzuvertrauen."
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