Flüchtlinge aus Eritrea

Weg aus dem Leben ohne Perspektive

Flüchtlinge nach ihrer Ankunft an einem Bahnsteig am Bahnhof in Schönefeld
Flüchtlinge nach ihrer Ankunft an einem Bahnsteig am Bahnhof in Schönefeld © picture alliance/dpa/Patrick Pleul
Von Oliver Ramme · 05.04.2016
Nicht nur aus Syrien und Afghanistan, auch aus Eritrea fliehen viele nach Deutschland. Es gibt dort zwar keinen Krieg, aber ein Regime, das Menschenrechte in großem Stil verletzt. Vor allem junge Menschen sind davon betroffen - und versuchen zu entkommen. Wir haben zwei von ihnen getroffen.
In einem Café in Köln. Ich bin mit Zenagabriel verabredet. Er ist 28 Jahre, und seit 2013 in Deutschland. Zenagabriel ist schlank, circa 1,80 Meter groß, Jeans, weißer Pulli. Der Mann mit freundlichem Gesicht erzählt von seiner Flucht und seinen Freunden.
"Der Einzige in Deutschland bin ich. Zwei sind in Israel gelandet, einer in Saudi Arabien. Ich bin der Einzige in Europa."
Zenagabriel und die anderen kannten sich schon in Eritrea.
"Wir sind zusammen aufgewachsen im gleichen Dorf. Drei Freunde und ich. Und etwa ein, zwei Jahre, bevor wir geflohen sind, haben wir zum ersten Mal über unsere Unzufriedenheit gesprochen. Das ging nur sehr langsam, da du nie weißt, wem du trauen kannst. Einer von uns war Grenzsoldat. Er kam auch mit. Er half uns zu fliehen. Er kennt die Grenze, er weiß wo sie lauern, wann man gehen muss. Er hat alles geplant."
Mussie: "Ich weiß nicht was mit ihm damals passiert ist. Ich weiß nur, was sie mir angetan haben: Sie haben mir meine Nase gebrochen, schauen Sie, wie ich aussehe."
Den 32-jährigen Mussie treffe ich wenig später beim Kölner Hauptbahnhof. Mussie sitzt vor mir mit Kapuze über dem Kopf. Als wolle er die Narbe, die quer über seine verkümmerte Nase läuft, verbergen. Mussie ist bereits vor zehn Jahren aus Eritrea geflohen.
"Wir wurden bei Adi Keyh vom Militär gestoppt. Mein Vater hatte zu der Zeit ein Sammeltaxi und ich als Schüler half ihm abends beim Kassieren im Auto. Die Soldaten fragten meinen Vater: Bist du der und der? Dann haben sie ihn aus dem Auto gezerrt, zusammengeschlagen und weggeschleppt. Mich haben sie auch verprügelt. Ich kam dann ins Krankenhaus. Drei Tage. Und danach habe ich meinen Vater gesucht. Aber niemand konnte mir sagen wo er ist, auch die Polizei nicht. Für mich war da klar, ich muss abhauen, rüber nach Äthiopien."
Zenagabriel: "Es gab Ärger mit den Chefs. Aber viel schlimmer war die Perspektivlosigkeit. Man macht immer das Gleiche, und das über Jahre. Du steckst in diesem verdammten Nationalen Dienst fest. Es gibt keine Entwicklung. Und wenn man das bei den Chefs ansprach, dann wurde man bestraft. Man durfte nur den Mund halten. Man kann nichts planen und man ist nur unter Beobachtung. Das Leben dort ist langweilig gewesen."
Mussie: "Über Politik redet man nicht. Es gibt Überwachung, du traust keinem, du weißt nicht mal, ob dein Nachbar dich nicht ausspioniert. Unter uns Brüdern haben wir in der Öffentlichkeit nie über heiße Themen gesprochen."

Wie geht es weiter mit dem Land?

Beide, Zenagabriel und Mussie, sind schon Jahre weg aus Eritrea. Kontakt halten sie aber weiter mit ihren Verwandten über Telefon.
Zenagabriel: "Meine Eltern wurden aufgefordert 5000 Nakfa wegen meiner Flucht zu zahlen. Das sind etwa 300 Euro. Aber die haben sie nicht. Die sind arm. Aber sobald sie Geld haben, müssen sie das Geld zahlen."
Mussi: "Die Menschen sind gut. Anständige Menschen, die wollen nur Frieden. Und die Regierung gibt nur falsche Versprechen."
Zenagabriel: "Ich müsste zwei Prozent meines Einkommens an die Regierung zahlen, um überhaupt an Papiere zu kommen. Das ist illegal, was die Regierung da macht. Aber die meisten Eritrea zahlen diese Zwangssteuer. Wir müssen eine Diktatur mitfinanzieren."
Ich sage den beiden, dass ich bald nach Eritrea reisen werde. Was werde ich dort erleben?
Mussie: "In Asmara – der Hauptstadt - ist es schön, alles friedlich. Aber sie werden kein Gefängnis sehen. Obwohl es davon viele gibt in Eritrea!"
Zenagabriel: "Wir haben 30 Jahre gegen die äthiopische Diktatur gekämpft. Und wir sind tolerant. Ich kann nur sagen: Sie werden das den Leuten nicht ansehen. Die Leute scheinen glücklich zu sein – obwohl sie unter Druck stehen. Man sieht nicht, was sich in den Köpfen abspielt."
Wie geht es weiter mit ihnen und ihrer Heimat? In Eritrea gab es bisher nur Diktatur.
Zenagabriel: "Die meisten wollen keinen Krieg sehen. Wir haben 30 Jahre für die Unabhängigkeit gekämpft. Dabei sind fast 100.000 Menschen gestorben alleine in dem Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea. Auch sterben viele während der Flucht. Wir haben es satt. Niemand will Gewalt anwenden, eine blutige Revolution oder so. Aber es wird sich was verändern – hoffe ich."
Mussie: "Ich will nicht zurück. Nur wenn das Land frei ist und die Regierung gewechselt hat. Nur dann. Ich liebe mein Land."
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