Fluchtpunkt Schweiz

07.07.2013
"Es war, als hätt‘ der Himmel die Erde still geküsst…" – Eichendorff und Schumann, ein Inbegriff des deutschen Kunstliedes. In Stuttgart musiziert von Bariton Markus Eiche und dem Pianisten Jens Fuhr, ergänzt um Gabriel Fauré und Frank Martin.
Seit einiger Zeit widmet sich die Internationale Hugo-Wolf-Akademie in Stuttgart dem Verhältnis zwischen deutschem und französischem Kunstlied. Das klingt selbstverständlich, ist es aber auch im Jubiläumsjahr des Elysée-Vertrages nicht ganz: Beide Liedtraditionen stellen die wohl wichtigsten, aber auch besonders konträre Entwicklungen dieser Gattung dar. Und obwohl französische Lieder – dort meistens "mélodies" genannt – durchaus auf deutschen Liedprogrammen auftauchen, sind sie hier bislang nicht heimisch geworden.

Vermittelnd also ist hier jene Akademie tätig, die einen der größten Vertreter des deutschen (bzw. in diesem Fall: deutschsprachigen) Kunstliedes im Namen führt – Hugo Wolf. Mit Robert Schumanns "Liederkreis" nach Gedichten von Joseph von Eichendorff op. 39 eröffnet einer der berühmtesten Liederzyklen das Konzert, gipfelnd in dem veritablen Klassiker "Mondnacht".

Das französische Gegenstück dazu ist "La bonne chanson", eine Reihe von Liedern nach Gedichten Paul Verlaines, komponiert um 1890 von Gabriel Fauré. Mit diesen neun Liedern schuf Fauré einen Höhepunkt des französischen Liedes: schwebend, sinnlich, bildhaft. Seine klassizistisch orientierten Zeitgenossen waren davon schockiert; Camille Saint-Saëns soll nach der Uraufführung 1895 ausgerufen haben: "Fauré ist vollkommen verrückt geworden!"

Gewissermaßen auf "neutralem" Boden bewegen wir uns mit dem letzen Programmpunkt, den Monologen aus Hugo von Hofmannsthals "Jedermann", komponiert 1943 von Frank Martin. Der heute leider zu wenig beachtete schweizerische Komponist vereinte sowohl die deutsche als auch die französische Tradition in sich und schrieb im Stillen eine in sich gekehrte und doch dramatische Musik, quer zu den politischen und ästhetischen Entwicklungen seiner Zeit.

Jens Fuhr begleitet in diesem Programm seinen Bühnenpartner Markus Eiche, der den Staatsopern in Wien und München durch Residenzverträge verbunden ist und der kürzlich in der Düsseldorfer "Tannhäuser"-Produktion als Wolfram zu erleben war. Eine Inszenierung, in deren Skandal die musikalische Leistung der Sänger unterging.


Staatsgalerie Stuttgart, Vortragssaal
Aufzeichnung vom 16.05.2013


Robert Schumann
Liederkreis nach Gedichten von Joseph von Eichendorff
für eine Singstimme und Klavier op. 39

Gabriel Fauré
"La bonne chanson" nach Paul Verlaine
für Singstimme und Klavier

ca. 21.00 Konzertpause mit Nachrichten
Olaf Wilhelmer im Gepräch mit den Musikern

Frank Martin
Sechs Monologe aus "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal
für Bariton und Klavier


Markus Eiche, Bariton
Jens Fuhr, Klavier