Floskelterror der Liebe

Von Natascha Pflaumbaum · 20.01.2012
Vor zwei Jahren wurde "Liebesspiel" von Lars Noré in Stockholm uraufgeführt wurde. Die deutsche Erstaufführung hat sich das Frankfurter Schauspiel gesichert. Inszeniert hat sie ein junger Regisseur: Alexander Frank, Jahrgang 1980, der in Frankfurt bislang als Regieassistent arbeitete.
In seinem 2010 uraufgeführten Kammerspiel "Liebesspiel" inszeniert der schwedische Lyriker und Dramatiker Lars Norén ein Spiel mit und über die Liebe. Er zeigt zwei Paare und den Verlauf ihrer Beziehung mit den üblichen Beziehungsproblemen: Unfruchtbarkeit, Adoptionswunsch, Liebesschwund, Untreue. Die deutsche Erstaufführung hat sich das Schauspiel Frankfurt gesichert. Der junge Regisseur Alexander Frank hat das Stück dort in den Kammerspielen auf die Bühne gebracht.

Am Anfang steht ein kleiner Junge (Ioannis Germanidis) in einem hellen Schäfchenplüschumhang vor dem Publikum, faucht, fletscht unbeholfen die Zähne, zeigt wie ein Raubtier die Krallen, um sich dann unbekümmert in ein luxuriös ausgestattetes Baumhaus zu verkrümeln. Ja, er ist das Goldene Kalb, um das sich in den nächsten 80 Minuten alles dreht. Ein Kind ist ja der doppelte Endzweck vieler Paare: Ein Kind ist der Beweis für eine "gute" Beziehung und zugleich die wandelnde Projektionsfläche für alles das, was Eltern sich idealerweise so vorstellen.

Der schwedische Autor Lars Norén lässt seine beiden Paare A/B und C/D um das Schreckgespenst Kind kreisen, der Regisseur Alexander Frank stellt sie in Frankfurt auf eine karge, schräge Bretterbühne (Bühne: David Gonter), wo sie dann Szene für Szene ihr nahezu Requisite loses Leben wegspielen. Immer im Wechsel: zunächst erzählt A/B als rot gekleidetes Paar von seinen Hauskaufambitionen, dann C/D als grün gekleidetes Paar von seinem Kinderwunsch. Kurze Szenen sind das, zwei Minuten lang vielleicht, mal Ausschnitte aus Gesprächen über Sex, die Zukunft, über ein Kind aus dem Ausland, eher trivial, mal beklemmende Situationen: immer nur kurz angetippt.

So wie in einem Film aufgeblendet. Der Regisseur Alexander Frank montiert die Szenen dieses Kammerspiels seriell aneinander, trennt sie durch Schwarzblenden, das heißt, jede Szene beginnt und endet im Schwarz. Das wirkt künstlich und stoppt, gibt den durchweg trivialen Gesprächen aber eine extreme Präsenz, geradezu überzogene Bedeutung. Die beiden Paare unterhalten sich ja nicht, sondern "benennen" nur ihre Handlungen, agieren seltsam hölzern.

Alles ist nur Blabla, Floskelterror - wie in einer TV-Soap. In dieser Sperrigkeit, die Till Weinheimer, Constanze Becker, Andreas Uhse und Birte Leest klar und streng ausspielen, liegt der große Mehrwert: Eben weil weder Autor noch Regisseur psychologisieren, wird diese Form von Liebe gnadenlos entlarvt. Hier agieren Menschen, die Liebe als das Antragen von Ansprüchen und Wünschen an andere missverstehen, die sich jahrelang damit begnügt haben, dass sich alles so "anhört" und "aussieht" wie Liebe.

Wie sich Liebe anfühlt, wissen die nicht. Alexander Franks filmisches Konzept setzt Noréns Text, den Katja Hagedorn ins Deutsche übersetzt hat, konsequent und stimmig als Drehbuchtext für eine Theateraufführung um: Der auf der Bühne gespielte Film wirkt künstlich, dabei ist das Alltag, was er zeigt. Als Film würde das gar nicht irritieren, aber gespielt auf der Bühne wirkt es grotesk. Viel Applaus.
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