Fleischverzehr

Hacksteak vom Hund

Rassehundeausstellung in Berlin-Schönefeld
Es muss ja nicht immer Schwein oder Rind sein: Ist es vertretbar, Hunde zu essen? © picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger
Von Udo Pollmer · 15.08.2014
Darf man die Lieblingstiere der Deutschen wirklich essen? Allein die Frage löst Empörung aus. Dabei gibt es gute Gründe, darüber nachzudenken, ob der Hunger auf der Welt nicht auch durch einen Schmusetierbraten gestillt werden kann, meint Udo Pollmer.
Ein Mitglied des britischen Königshauses, Prinzessin Anne, hat ein Tabu gebrochen: Vor Tierschützern erklärte sie, es sei an der Zeit, das Verhältnis zu Pferden zu überdenken und neben dem Reitsport endlich auch den kulinarischen Wert des Pferdefleisches zu würdigen. Ähnlich äußerte sich auch die Jugendorganisation einer deutschen Partei im Sommer vorigen Jahres. Sie forderte die Aufhebung des Schlachtverbotes für Hunde und Katzen. So könnte tierisches Eiweiß sinnvoll genutzt werden. Doch bevor eine Diskussion in Gang kam, fuhren die liberalen Parteioberen den vorlauten Parteiwelpen gehörig über die Schnauze.
Dabei werden in deutschen Privatwohnungen 12,5 Millionen Katzen und fast so viele Hunde durchgefüttert, die letztlich eine fatale Ökobilanz aufweisen. Wer den Konsum dieses Fleisches generell ablehnt, der müsste aus Sorge um Welternährung und Klimabilanz die Haltung von Schmusetieren verbieten, außer solchen, die sich ihre Mäuse oder Singvögel selber fangen. Viele Bürger halten den bloßen Gedanken an ein Hacksteak vom Hund mit Sojasprossen für eine Kulturschande. Dabei gibt es viele Kulturen, die solche Gerichte lieben - Kulturen von denen wir uns durchaus eine Scheibe abschneiden können.
Keine Toleranz für "Anders-Essende"?
Bedenkenswert ist der Hinweis der Parteijugend, es handele sich bei dem deutschen Schlachtverbot von Hunden und Katzen um eine Diskriminierung von Menschen aus anderen Kulturen. Stimmt! Wir respektieren die obskursten Sekten in Deutschland, aber bei der elementaren Frage der Wahlfreiheit beim Essen kennen wir gegenüber "Anders-Essenden" kein Pardon. Multikulti bei Tisch – ja, aber nur, wenn wir das auch selbst mögen. Wer da nicht den rechten Glauben im Blut hat und sich auf der Veranda ein Haustier am Spieß brät, muss inzwischen fürchten, vom aufgebrachten Pöbel gesteinigt zu werden.
In der Schweiz stellt man ans Essen nicht nur höhere Qualitätsansprüche als in Deutschland, man speist auch unverbissener. In manchen Gegenden werden noch immer Hund und Katz gegessen – eine alte kulinarische Tradition. Früher war die Schweiz ein bettelarmes Land. Niemand konnte es sich leisten, einen Braten zu verschmähen. Auch in Deutschland kennt jeder bessere Koch die subtilen Merkmale, an denen er einen geschlachteten "Dachhasen" von einem Karnickel unterscheiden kann. Warum wohl? Weil oft genug Nachbars Katze auf den Märkten zum Preis eines Karnickels aus Stallhaltung angeboten wurde.
Hunde, Igel und Frösche haben auch hierzulande Tradition
Solange keine zuverlässige Kühltechnik vorhanden war, konnte man Fleisch nicht über weite Strecken transportieren und lagern. Das begünstigte den Verzehr von Hunden, Igeln und Fröschen: Es wurde alles gefangen und zubereitet, was da kreuchte und fleuchte. Heute würde man sagen, eine abwechslungsreiche regionale Küche – und meist fangfrisch. Beim jagdbaren Wild in Wald und Flur war Vorsicht geboten, denn dieses war dem Adel vorbehalten. Aber "Hauswild" sowie alles was sich im Wasser tummelte, war beim gemeinen Volk begehrt.
Wenn heute über Fastenspeisen aus früheren Zeiten gespottet wird, weil kirchliche Würdenträger behaupteten, Biber, Seeottern oder Schildkröten seien Fisch und nicht Fleisch, muss man wissen, dass es damals gar nicht Absicht war, das Fleischverbot zu umgehen. Alle Tiere, die schwammen, waren schlicht "Schöpfungen des Wassers". Unsere biologischen Kategorien waren der damaligen Welt völlig unbekannt. Man glaubte beispielsweise, Ringelgänse entstünden aus Entenmuscheln, die wiederum würden auf Bäumen wachsen, deshalb seien die Gänse pflanzlicher Natur. Das ist auch nicht absurder als die Idee, der Verzehr von Obst in drei verschiedenen Farben schütze vor Krebs.
Die Fastenregeln früherer Zeiten spiegeln die damalige Ernährungsberatung wider. An fleischfreien Tagen gab's die Tiere des Wassers: Otterschinken, panierte Froschschenkel, Sumpfschildkrötensuppe und saftigen Biberbraten. Da herrschte die gleiche Begeisterung vor, wie wenn heute Menschen anderer Kulturen ihre traditionelle Küche lieben, mit Speisen die für uns genauso ungewöhnlich sind, wie unsere ehemaligen Fastengerichte. Mahlzeit!
Literatur
Enoch N: Princess Anne says we should eat HORSE meat... for the sake of animal welfare. Daily Mail Online 14. 11. 2013
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Spinrath A: FDP-Nachwuchs: Jungliberale empören mit Antrag zur Hunde-Schlachtung. Spiegel Online 14.11.2013
Ferraro L: «Bei uns kommt noch Katze auf den Teller» Blick 17.2.2013
Meier J:«Büsi und drunder» und andere Rezepte. Aargauer Zeitung 20. Januar 2011
Anon: Doch Hundefleisch. Der Spiegel 23. 12. 1953, S.25-26
Geppert P: Hundeschlachtungen in Deutschland im 19. Und 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in München.
Harris M: Good to Eat: Riddles of Food and Culture. Waveland Press, Long Grove 1998
Meixner ME: Linzer Kochbuch. Kaiserlich-königliche private akademische Kunst- Musik und Buchhandlung, Linz 1818
Statista: Haustierbesitzer in Deutschland nach Anzahl von Hunden im Haushalt von 2010 bis 2013 & Haustierbesitzer in Deutschland nach Anzahl von Katzen im Haushalt von 2010 bis 2013; de.statista.com
Springer KB, Kinzelbach RK: Das Vogelbuch von Conrad Gessner (1516-1565). Springer, Heidelberg 2009