Fleischeis

Die Rettung für einen französischen Milchbauern

05:53 Minuten
Illustration von Speiseeis in einer Waffel.
Neben Fleischeis stellen die Riautés auch andere Sorten her. © imago / agefotostock / Fotosearch / artshock
Von Christiane Kaess · 31.07.2021
Audio herunterladen
Fleisch wird in Frankreich nicht nur gegrillt und geschmort. Es wird auch Eis daraus gemacht. Zumindest auf dem Bauernhof von Patrice Riauté und seiner Frau Catherine. Die Idee, ein Fleischeis herzustellen, rettete sogar ihren Hof und ihre Kühe.
Patrice Riauté steht in einem kühlen Raum vor sirrenden Kühlschränken. Hinter Glastüren stapeln sich große und kleine Eiscremebehälter. Lange war Riauté Milchproduzent. Aber als vor Jahren die Milchpreise dramatisch sanken, mussten er und seine Frau sich entscheiden.
"Es war sehr schwierig für uns", erzählt er. "Wir hatten die Wahl, die Milchproduktion einzustellen, weil sie nicht mehr rentabel war, oder weiter zu machen, aber etwas Neues zu finden." Auf der Suche nach Alternativen kam ihnen die Idee, mit der Milch Eis zu produzieren.

"Das war neu in der Region"

"Wir wollten ein Produkt, das zu uns passt - etwas Festliches, Fröhliches, das in der Region noch nicht hergestellt wurde. Käse-, und Joghurt-Produzenten gab es schon. Mit denen wollten wir nicht konkurrieren. Wir entschieden uns also für Eiscreme. Das war neu in der Region", erklärt Patrice Riauté.
Patrice Riauté posiert für ein Foto.
"Sarthe und Rillettes – die beiden haben eine lange Geschichte", erzählt Patrice Riauté.© Deutschlandradio / Christiane Kaess
Die Riautés experimentierten, stellten erst herkömmliches Eis her und kamen schließlich auf Eiscreme aus Rillettes. Das Schmalzfleisch ist typisch für ihr nordwestliches Département. Das mit Fett eingekochte Fleisch wird hier normalerweise im Glas verkauft und als Brotaufstrich gegessen.
"Wir sind aus Sarthe. Alle sprechen hier vom Rillettes. Sarthe und Rillettes – die beiden haben eine lange Geschichte. Wir wurden auf einen Wettbewerb aufmerksam, der sich ‚Frühling des Rillettes‘ nennt. Dafür muss man ein Rezept auf der Basis von Rillettes erfinden. Wir haben mit Freunden gescherzt: Könnten wir es schaffen, ein Eis mit dem Rilettes-Geschmack zu machen? Wir haben recherchiert, ein Rezept erstellt, es ausprobiert – und es war ein Erfolg."

"Das Fleischeis macht uns bekannt"

Heute stellen die Riautés unterschiedliche Eissorten her, aber das Rillettes-Eis ist ihr zugkräftigstes Produkt.
Patrice Riauté präsentiert einen Karton mit verpackten Eisportionen.
Patrice Riauté präsentiert einen Karton mit verpackten Eisportionen.© Deutschlandradio / Christiane Kaess
"Viele kommen aus Neugier. Das Fleischeis macht uns bekannt, die Leute probieren und kaufen dann auch andere Sorten. Das Rillettes-Eis hat es uns ermöglicht, unsere Produktion schnell aufzubauen." Patrice Riauté schiebt den Deckel einer Gefriertruhe auf und nimmt einen kleinen Plastikbehälter in der Form eines Schnapsglases heraus.
Er empfiehlt das Rillettes-Eis in kleinen Mengen als Vorspeise oder zum Aperitif. Es ist blassgelb, fast wie Vanilleeis, schmeckt auch ähnlich, aber zudem salzig und erinnert mit einem leicht fleischigen Geschmack tatsächlich an Rillettes.

Ein Eislabor mit strengen Hygieneregeln

In einem großen weißen Container am Eingang des Bauernhofes liegt das Labor, wie Patrice Riauté es nennt. Hier herrschen strenge Hygieneregeln. Seine Frau, Catherine, steht in einem weißen Kittel und mit Haube über den Haaren auf einem hellen Fliesenboden.
Catherine Riauté posiert in der Eiswerkstatt für ein Foto.
"Wenn die Temperatur erreicht ist, läutet die Maschine": Catherine Riauté bei der Eisproduktion.© Deutschlandradio / Christiane Kaess
"Hier produzieren wir das Eis", erklärt Catherine Riauté und zeigt auf eine große silberne Maschine. Der runde Deckel auf der Oberseite steht weit offen.
"Wir mischen die Zutaten, geben sie oben rein, alles wird pasteurisiert. Wenn die Temperatur erreicht ist, läutet die Maschine. Die Masse rutscht nach unten. Dann wird sie zu Eis."
Das Rezept für das Rillettes-Eis ist patentiert und natürlich geheim. Aber so viel kann Patrice Riauté verraten: "Man braucht Milch, Eidotter und Sahne und zwischen 15 und 16 Prozent Rillettes. Das wird direkt ins Eis gegeben, vermischt und pasteurisiert – ohne künstliches Aroma. Dann kommt alles in die Eisturbine. Daraus wird eine sehr homogene Masse. Also Fleischstücke findet man nicht darin."

Auch andere Sorten werden produziert

Neben der Milch von den eigenen Kühen setzen die beiden bei dem, was sie sonst noch brauchen auf die Nachbarschaft. Das Rillettes wird vom Metzger im Dorf hergestellt und kommt von Tieren aus der Umgebung. Catherine Riauté isst die selbsterfundene Sorte gern. "Ja, aber ich bestehe darauf, zu sagen, dass wir auch viele andere Sorten herstellen."
Vanille, Karamell, Schokolade zum Beispiel. Gerade ist Himbeereis dran. Catherine klopft es portionsweise in kleine Becher. Viele Kunden kaufen das Eis direkt auf dem Hof, sagt Patrice Riauté. Ihm ist der Kontakt zu den Konsumenten wichtig.
Und umgekehrt glaubt er: "Der Konsument schätzt wiederum den direkten Kontakt mit dem Produzenten sehr. Als Produzent nehmen wir heute wieder einen Platz ein, der ein bisschen in Vergessenheit geraten ist. Das müssen wir nutzen, dann macht die Landwirtschaft auch wieder Spaß."

Die Kühe spazieren auf der Weide

Draußen, auf der anderen Seite des Hofes stehen unter einer Überdachung braun-, und schwarz-weiß gefleckte Kälber. An ausgewachsenen Milchkühen hat das Ehepaar Riauté derzeit 42. Aber ihr offener Stall, auf den Patrice Riauté deutet, ist leer.
"Unsere Kühe haben das ganze Jahr Zugang zu den Weiden", erzählt er. "Sie kommen und gehen wie sie wollen. Jetzt haben sie gerade gefressen und gehen spazieren. Wenn es heute Nachmittag zu heiß wird, kommen sie zurück in den Schatten."
Um dann wieder gemolken zu werden. Denn gerade im Sommer steht die Eisproduktion nie still.
Mehr zum Thema