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NATO-Jahresbericht
Krisen, Kriege und ein Kaperversuch

Die NATO blickt auf ein schwieriges Jahr zurück, das geprägt war vom Ukraine-Konflikt und dem Rückzug aus Afghanistan. Immerhin auf einem Gebiet konnte das Bündnis Erfolge verzeichnen: Die Schiffe am Horn von Afrika brauchen kaum noch Angst vor Piratenangriffen zu haben.

Von Thomas Otto | 30.01.2015
    Von einem schwarzen Jahr für die europäische Sicherheit spricht NATO-Generalsekretär Stoltenberg im heute erschienenen Jahresbericht des Militärbündnisses für 2014. Nicht nur hat sich die Lage in Nordafrika weiter destabilisiert und sorgt der Islamische Staat und mögliche Terroristen für Unruhe bei den Sicherheitskräften. Vor allem die Krise in der Ukraine und das angespannte Verhältnis zu Russland bereiten Kopfzerbrechen, so Stoltenberg:
    "Russland hat seine Militärausgaben erhöht. Sie haben ihre Fähigkeiten verbessert. Beispielsweise können sie innerhalb weniger Stunden oder Tage Zehntausende Soldaten in Marsch setzen. Und wir haben auch gesehen, dass Russland bereit ist, Gewalt einzusetzen. Das haben wir gesehen in Georgien und Moldawien und wir haben es in der Ukraine gesehen, auf der Krim und in der Ostukraine."
    Regelmäßig teste Russland die Alarmbereitschaft der NATO-Luftstreitkräfte. Über 400 Mal seien russische Maschinen an der Grenze zum NATO-Luftraum abgefangen worden. Diese Zahl habe sich vervierfacht. Wie oft NATO-Maschinen sich anders herum dem russischen Luftraum genähert haben, dazu machte Stoltenberg keine Angaben.
    Mehrere tausend Soldaten in schneller Eingreiftruppe
    Als Konsequenz aus der Krise mit Russland hatten die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten im September in Wales beschlossen, eine schnelle Eingreiftruppe zu schaffen, wie der damalige NATO-Generalsekretär Rasmussen erklärte:
    "Heute haben wir uns darauf geeinigt, eine Speerspitze zu bilden, eine Einheit, die in kürzester Zeit eingesetzt werden kann. Diese Speerspitze wird mehrere tausend Soldaten umfassen, die innerhalb weniger Tage eingesetzt werden können mit Unterstützung aus der Luft, vom Wasser und durch Spezialeinheiten."
    Die Soldaten dieser Speerspitze sollen regelmäßig wechseln. Der Grund: Mit Russland vereinbarte die NATO 1997, in ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten keine Truppen permanent zu stationieren. Dieses Abkommen kann so umgangen werden.
    "Wenn sich kommende Woche die Verteidigungsminister treffen werden, dann werden wir die Zusammensetzung und die Größe der neuen Speerspitze festlegen und Kommandoeinheiten in sechs unserer östlichen Mitgliedsländer etablieren", kündigte Stoltenberg heute an. Diese Kommandoeinheiten sollen in den drei baltischen Staaten sowie in Polen, Rumänien und Bulgarien stationiert werden und die Zusammenarbeit zwischen nationalen und NATO-Einheiten koordinieren.
    Erfolge im Kampf gegen Piraten
    Das kostet Geld, weshalb Stoltenberg auch noch einmal dieses unter den NATO-Staaten umstrittene Thema des vergangenen Jahres in den Mittelpunkt rückte:
    "Man bekommt definitiv nicht mehr mit weniger Geld. Deshalb müssen wir mit dem Wachstum unserer Wirtschaft auch unsere Militärausgaben erhöhen."
    Im vergangenen Jahr hätten die NATO-Mitglieder umgerechnet rund 750 Milliarden Euro für Rüstung ausgegeben. Das ist etwa zehn Mal so viel wie Russland im gleichen Zeitraum investiert hat. Fast zum Nebenaspekt wurde das Ende einer der größten NATO-Operationen im vergangenen Jahr: Der Rückzug aus Afghanistan nach 13 Jahren Kampfeinsatz und fast 3.500 toten NATO-Soldaten.
    Neben all den Krisen und Konflikten konnte Stoltenberg zumindest eine positive Nachricht vermelden: Nach den vielen Piratenangriffen auf Frachtschiffe am Horn von Afrika in den vergangenen Jahren gab es 2014 lediglich einen Versuch, ein Schiff zu entführen. Zumindest hier konnte mit dem Einsatz von Soldaten die Sicherheitslage verbessert werden.