Fit für den Weltmarkt durch Stellenabbau

Von Michael Braun |
Der Betriebsrat fühlt sich übergangen von der Ankündigung, dass so viele Stellen bei Siemens wegfallen sollen. Siemens-Chef Kaeser möchte die Schwierigkeiten gerne dem alten Geschäftsjahr zuordnen. Unterdessen werden die Gründe für die Probleme andernorts gesucht.
15.000 von 370.000 Stellen im Konzern fallen weg, ein Drittel davon in Deutschland, 5000 von 119.000 Beschäftigten. Der Gesamtbetriebsrat, sagt seine stellvertretende Vorsitzende Birgit Steinborn, habe damit nicht gerechnet:

"Uns ist niemals eine so große Abbauzahl bekannt gemacht worden."

Der Betriebsrat sei mit vielen einzelnen Projekten konfrontiert worden, habe über viele einzelne Projekte gesprochen. Das Unternehmen müsse nun erklären, wie es auf diese Zahl gekommen sei, sagte Frau Steinborn dem Deutschlandradio Kultur:

"Wir haben am Mittwoch Wirtschaftsausschusssitzung. Wir werden natürlich die Firmenseite jetzt auffordern, uns den Hintergrund dieser Zahlen auch zu geben, wie sie auf die Anzahlen insgesamt kommen. Wir haben es für uns nicht aufaddiert, weil wir das sehr konkret auf den Einzelfall bezogen immer verhandelt haben. Und ich kann auch mal sagen: Diese Gesamtzahl wäre überhaupt nicht tolerierbar, weil das Unternehmen ist kein Sanierungsfall."

Dass die Pläne zum Stellenabbau übers Wochenende bekannt wurden, wird kein Zufall sein. Denn heute endet das Geschäftsjahr bei Siemens. Und der neue Siemens-Chef Joe Kaeser dürfte Interesse daran haben, bekannte Schwierigkeiten noch dem alten Geschäftsjahr zuzuordnen. Bei Amtsantritt vor zwei Monaten wollte er den Beschäftigten die Angst um den Arbeitsplatz nehmen:

"Die Mitarbeiter müssen mit dabei sein. Wenn sich jemand vor Siemens fürchtet, wenn jemand vor Siemens Angst hat, dann müssen das die Mitbewerber sein."

Aber Joe Kaeser hatte an dem Sanierungsprogramm Siemens 2014, das unter seinem Vorgänger Peter Löscher erarbeitet worden war, mitgearbeitet. Schließlich war Kaeser ja zuvor sieben Jahre Finanzvorstand des Konzerns. Dass bei Siemens nicht alles rund läuft, hat mehrere Gründe, weiß Ulrich Trabert, Analyst vom Bankhaus Metzler:

"Die Situation, mit der Siemens derzeitig konfrontiert ist, ist, dass das Umsatzwachstum schwächelt. Das liegt daran, dass der Superboom in China sein Ende gefunden hat und möglicherweise auch so schnell nicht wieder aufflammen wird. Das liegt auch nach wie vor an der wirtschaftlichen Schwäche Gesamteuropas, wo Siemens immer noch einen großen Anteil seiner Umsätze erwirtschaftet. Und es gibt Preisdruck im Markt. Und dem muss man begegnen."

Das weiß auch Kaeser. Er hat sich für seine Zeit als Vorstandsvorsitzender vorgenommen:

"Denn wirklich wichtig sind zwei Dinge: Erstens, dass wir die Ertragslücke zwischen dem Wettbewerb und uns im Laufe der Zeit reduzieren beziehungsweise schließen. Und zweitens: dass alle, und ich mein wirklich alle Maßnahmen, nachhaltig und strukturell auch über 2014 hinaus zielführend und zielstrebig und erreichbar sind."

Das Ziel scheint klar, die Kommunikation offenbar nicht. Der Betriebsrat hat sich jedenfalls übergangen gefühlt. Er hat für die Hälfte der betroffenen Mitarbeiter, also für rund 7.500, die Bedingungen schon ausgehandelt. Darunter auch Weiterbildung und firmeninterne Versetzungen, so dass ein Teil der abgebauten Arbeitsplätze an anderer Stelle im Konzern wieder neu eingerichtet wird. Auch Altersteilzeit wurde verabredet, die ja zunächst mal eine Weiterbeschäftigung für zweieinhalb Jahre vorsieht. Zum Instrumentarium sollen auch Abfindungen gehören, nur betriebsbedingte Kündigungen nicht. Jedenfalls für die deutschen Standorte sollen sie ausgeschlossen sein.
Mehr zum Thema