Finanzhilfe für Clubbetreiber

Wenn die Discokugeln stillstehen

05:29 Minuten
Viele glitzernden Discokugeln hängen von der Decke eines Clubs.
In den Berliner Clubs ist derzeit tote Hose – die Fixkosten laufen trotzdem weiter, und nicht immer hilft der Staat. © unsplash/Matthew Lejune
Von Gerd Brendel · 03.04.2020
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Ein weiteres Wochenende absoluter Stille in Clubs und auf Konzertbühnen steht bevor. Wie die Mitarbeitenden und die Miete bezahlen? Die Politik will mit Krediten helfen. Aber wer bringt die Vermieter zur Einsicht? Impressionen aus der Partystadt Berlin.
Vor ein paar Nächten im Schwuz, einem der größten Berliner Clubs. In den Gewölben der alten Kindl-Brauerei steht Bambi Mercury hinter dem DJ -Pult. Die Lichtorgel flackert und die riesige Discokugel dreht sich.
"Die vermutlich größte Spiegelkugel hier in den Clubs – wir machen immer die Witze, dass da drin Madonna wohnt und nur darauf wartet, rausgelassen zu werden alle paar Monate."
Geschäftsführer Marcel Weber steckt die lange DJ-Nacht am nächsten Morgen noch in den Knochen, als wir uns im leeren Club treffen.
"Und die DJs legen auf und du willst natürlich sofort lostanzen, aber das wäre auch nicht klug und nicht richtig."

Clubpartys werden gestreamt

Denn nicht nur Madonna steckt in ihrem Discokugel-Zuhause fest, auch die Berlinerinnen und Berliner. Der DJ-Gig fand bis auf eine Handvoll Personal im leeren Saal statt und wurde live im Internet übertragen. "United we stream" heißt die Initiative der Berliner Clubkomission und von arte, die allabendlich einen Livestream veranstaltet. Gegen Spenden gibt es eine virtuelle Clubmarke. Die enormen Fixkosten deckt das nicht, sagt Geschäftsführer Weber.
"Unsere Situation ist seit zwei, drei Wochen, dass wir durch den Shutdown keinen einzigen Euro einnehmen. Wir haben knapp 100 Mitarbeitende, davon sind 40 sozialversicherungspflichtig beschäftigt und 60 Minijobber – das ist schon ein großes Team, was wir bezahlen müssen. Dann kommt die Miete dazu, also wir haben im Schnitt Kosten von 90.000 Euro und dann Mieten 15.000 Euro und dann kommt noch Strom dazu... Wir sind im Schnitt bei 130.000 Euro Fixkosten."

Konzertbühnen fürchten um ihre Zukunft

Ein Beispiel von vielen. Was für die Clubs gilt, gilt auch für die Konzertbühnen der Stadt.
"Verschoben sind bis jetzt die Sterne, wir hatten Little Dragon, Heinz Strunk hätte gelesen, Adam Green hätte bei uns gespielt."
Und und und – die Liste der ausgefallenen Konzerte, die Björn von Swieykowski vom Festsaal Kreuzberg über Skype vorliest, ist lang. Er selbst arbeitet von zu Hause. Seine 16 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit.
Der Eingang des Festsaal Kreuzberg, "geschlossene Gesellschaft" in Berlin, wegen des Coronavirus, Stillstand im öffentlichen Leben. 17. März 2020.
Festsaal Kreuzberg© picture alliance/POP-EYE/Christian Behring
"Wir kriegen über das Kurzarbeitsgeld den Großteil der Personalkosten abgefedert. Aber theoretisch schulden wir jetzt jeden Monat unserem Vermieter Miete, so wie alle anderen Clubs und Betreiber, und das ist auf die Dauer ruinös. Je nachdem, wie lange das Veranstaltungsverbot gilt, um so mehr werden sich bei uns Mietschulden anhäufen. Weil wir die Miete aktuell nicht zahlen können."
Dabei haben Schwuz und Festsaal Kreuzberg es noch mit gesprächsbereiten Vermietern zu tun, die wenigstens mit sich über Mietstundung reden lassen.
"Wir sind in engem Kontakt mit den beiden Geschäftsführern, um in der Club-Schließzeit jetzt engmaschig jeweils hilfreich unterstützen zu können, wo es uns möglich ist und sinnvoll erscheint im Gesamtrahmen", teilte die Terra Libra Immobilien GMBH, der das Kindl-Areal mit dem Schwuz gehört, auf Anfragen schriftlich mit. Die GmbH gehört der Stiftung Edith Maryon, die für eine sozialverträgliche Nutzung von Grundeigentum steht.

Verhandeln über Mietstundung

Auch von Swieykowski verhandelt über Mietstundung: "Die hat aber zur Konsequenz, dass wir in der Zukunft die Miete abzahlen müssen. Das heißt, das schränkt unsere finanziellen Spielräume eklatant ein."
Gefragt ist die Politik.
"Dass es für die Mietschulden Landesbürgschaften gibt, oder dass die in ganz langfristige Kredite umgewandelt werden, was man dann daran knüpfen könnte, dass solche Mieter eine Mietervertragsverlängerung bekommen" – Kultursenator Klaus Lederer kennt die Problematik und weiß um die Grenzen der bisherigen Maßnahmen.
"Liquiditätskredite durch die Anstalt für Wiederaufbau, die sollen helfen, Liquiditätsschwierigkeiten zu überbrücken."
Aber was wenn...
"... Kredite, wenn das gesellschaftliche Leben wieder anfährt, gar nicht bedient werden können, weil die dann existierenden Einnahmen gerade das decken, was an Ausgaben regelmäßig ansteht."

Kultursenator appelliert an Vermieter

Ein Appell der Politik an die Immobilienbesitzer, Mieten für Veranstaltungsstätten nicht nur zu stunden, sondern für ein, zwei Monate ganz zu erlassen? Der Senator hebt resigniert die Hände.
"Diesen Appell gibt es, und seit Tagen wiederholen wir hier, dass Solidariät gefragt ist. Die Frage ist nur, wenn die Politik selber nicht bereit ist, und das müsste ja der Bundestag beschließen, Vermieter auch zu zwingen, dann sind all diese Appelle nichts wert."
Konzertveranstalter und Clubbetreiber bleiben angewiesen auf Hilfen von Bund und Ländern und auf das Verständnis ihrer Vermieter. Und in manchen Fällen auch auf die Spenden solidarischer Besucher. "Eigentum verpflichtet" heißt es im Grundgesetz – was das für den privaten Immobilienbesitz von Kulturstätten bedeutet, darüber hat die Diskussion gerade erst angefangen. Hoffentlich wird sie weitergehen, auch wenn sich die Discokugeln der Stadt irgendwann wieder für alle drehen werden.
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