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Selbstverteidigung
Sich als David gegen Goliath wehren lernen

Gefahrensituationen frühzeitig erkennen, Täter abwehren oder am besten gar nicht erst zum Opfer werden: Spätestens seit den Silvester-Vorkommnissen in Köln sind Selbstverteidigungskurse gefragt wie nie. Krav Maga ist dabei eine Technik, die mit Mitteln kontert, die in anderen Kampfsportarten verboten sind. Und das hat seinen Grund.

Von Caroline Kuban | 12.02.2016
    Die Krav-Maga Trainerin Beate Bechmann (r) trainiert am 07.01.2016 in ihrem Studio in Offenbach am Main (Hessen) mit Ayse (l) die Abwehr eines Angriffs. Seit den Übergriffen in Köln verzeichnet die Kampfsport-Ausbilderin einen Ansturm auf Selbstvertidigungskurse für Frauen.
    Die Krav-Maga Trainerin Beate Bechmann (r) trainiert in ihrem Studio in Offenbach am Main mit Ayse (l) die Abwehr eines Angriffs. (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
    Mittwochabend, 19 Uhr. Im Budosportzentrum in der Revalerstraße Berlin-Friedrichshain, geht es zur Sache. Etwa 30 Teilnehmer zwischen 20 und 60 Jahren stehen sich paarweise gegenüber, greifen sich an mit Messern und Stöcken. Selbstverteidigungstraining Krav Maga, einer von neun Standorten des Krav-Maga-Departments in Berlin und Potsdam. Björn Wiebe ist deren Chef-Ausbilder:
    "Wir unterscheiden uns eklatant von klassischen Kampfsportsystemen, Kampfkünsten. Das liegt daran, dass Krav Maga keine fairen Regeln kennt. Wir gehen davon aus, wenn uns jemand attackiert auf der Straße, dann ist das ohnehin schon nicht fair.
    Wir kontern mit Dingen, die in vielen klassischen Systemen gar nicht erlaubt sind. Beispielsweise Tritt zwischen die Beine, Fingerstiche in die Augen, notfalls sogar Schlag Richtung Kehlkopf oder gegen Knie. All das klingt brutal, aber Angriffe sind es genauso.
    Wichtig ist dabei, dass wir uns immer am Notwehrgesetz orientieren, und das vermitteln wir auch entsprechend intensiv."
    Unter Stress reagiert man anders
    Krav Maga wurde Mitte des 20. Jahrhunderts von einem nach Israel emigrierten Slowaken entwickelt. Aufgrund seiner Effektivität wird es auch israelischen Polizisten und Soldaten beigebracht. "Krav Maga" heißt soviel wie "Kontaktkampf".
    Ziel ist die Selbstverteidigung gegenüber einem stärkeren Gegner, und das unter Verwendung möglichst realistischer Szenarien. So kann es durchaus vorkommen, dass der Trainingspartner einen anschreit, wegschubst und erst dann attackiert, sagt Björn Wiebe.
    "Man weiß aus der Empirie heraus sehr genau, dass wir unter
    Stress anders reagieren. Beispielsweise sinken die feinmotorischen Fähigkeiten, und es ist zwingend notwendig, Techniken, die man im Notfall anwenden muss, auch möglichst unter Stress zu trainieren. Wenn man das nicht tut, wird man auch nicht gewappnet sein für die Straße."
    Sandy Jahn kommt seit 4 Monaten regelmäßig zum Training. Man bekomme neues Selbstbewusstsein, so die 25-Jährige, und lerne, sich nicht einschüchtern zu lassen.
    "Ich glaube in Berlin, als junge, alleinstehende Frau ist da
    schon ein großer Prozentsatz dabei, der bereit sein möchte. Wenn man Samstag Abend weggeht, in die Disco, man wird immer angesprochen oder irgendwie angefasst, man möchte einfach in der Lage sein, im Ernstfall sich verteidigen zu können. Ich fühle mich sicherer, seit ich dabei bin."
    "Der Gegner steht vor uns und attackiert uns mit nem harten Schlag ins Gesicht, boom, wir bloggen mit 90 Grad, gleichzeitig punchen, Kick zwischen die Beine und dann hart drauf."
    Zunehmende Nachfrage
    Anwendungssportarten, vor allem im Bereich der Selbstverteidigung, boomen. Das bestätigt Stefan Frommann, Inhaber der Kampfsportschule BudoClub Berlin. Dabei spielt vor allem die Taktik eine wesentliche Rolle. Es geht darum, zu lernen, wie man sich als David gegen Goliath durchsetzen kann. Wichtiger als die Technik ist die Einstellung, sagt Stefan Frommann."
    "Wir haben die positive Erfahrung gemacht, dass Leute, die so etwas lernen und sich sicherer fühlen, dass sie nicht mehr die Signale aussenden auf der Straße, die zu ihrer früheren Opferrolle passen würden. Das heißt, wir schaffen mit der Fähigkeit zu schlagen, zu treten und sich zu verteidigen die Möglichkeit, Sicherheit auszustrahlen und nicht in die typische Opferrolle zu gelangen."

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