Filmmusik der Zukunft

Von Markus Hablizel · 26.11.2006
Filmmusik ist ein fester Bestandteil der filmischen Wirklichkeit und beeinflusst unsere Hörgewohnheiten. Wie die Filmmusik der Zukunft aussehen könnte, damit beschäftige sich der Kongress Soundtrack_Cologne. Hier wurden aktuelle Trends vorgestellt und junge Talente ausgezeichnet.
"Ich kann kaum glauben, dass ich gewonnen habe. Ich bin immer noch voller Adrenalin."

Der Niederländer Paul van Vulpen von der Utrecht School of Arts ist der diesjährige Gewinner in der Kategorie "Filmscore". Der Filmmusikpreis ist ein wichtiges Instrument, um interessante musikalische Schöpfer an die Branche heranzuführen und neue Talente zu entdecken. Hochschüler aus ganz Europa können sich aus dem Internet zwei Kurzfilme herunterladen und ihnen einen komplett neuen Soundtrack verpassen.

"Der Film hatte verschiedene Elemente. Die Hauptfigur war der Magie mächtig, also brauchte ich irgendwie magische Musik. Dann gab es diese sehr dramatische Szene, zu der ich versucht habe, sehr dramatische Musik zu komponieren. Es musste eben alles zusammen passen. Ich habe meine Themen so komponiert, dass sie als Tango, Jazz und für ein Orchester funktionieren."

Mischtonmeister Stefan Korte von der Jury erläutert die Entscheidung.

"Begründet wird dies, dass er es geschafft hat, mit seinem Score sehr frische Ideen mit rein zu bringen in einen relativ konventionellen Animationsfilm. Mit Jazzelementen, speziell Swingelementen zu arbeiten und die auch sehr gut thematisch durchzuführen für die verschiedenen Figuren. Auch der Einsatz der Musik in Zusammenhang mit den weiteren Tonebenen ist sehr gut gelungen und schafft sehr gute Übergänge zwischen dramaturgischen Handlungssträngen."

Während der Komponist van Vulpen einen konventionellen Animationsfilm mit bekannten Mitteln vertont hat, zeichnen die Preisträger in der Kategorie "Sounddesign" ein anderes Hörbild. Die Ebenen "Sounddesign" – also Geräusche oder Dialoge – und "Musik" ergänzen sich nicht nur, sondern bedingen sich gegenseitig. Da wird aus dem Geräusch einer Schere ein Rhythmus entwickelt oder man tanzt zur Melodie der Türglocke.

Erstaunlich auch die Tatsache, dass es sich bei der Projektgruppe Matthias Heuser, Leif Thomas und Christiane Buchmann um drei Kamerastudenten der Fachhochschule Dortmund handelt. Hier zeichnet sich eine Entwicklung ab, die nicht zuletzt durch die technologischen Umbrüche der letzten Jahre und die zunehmende Arbeitsteilung angestoßen wurde. Man muss nicht zwangsläufig Komposition studiert haben. Computertechnik und Software sind inzwischen so erschwinglich und durchschaubar geworden, dass immer mehr Quereinsteiger Bilder mit Musik und Sound anreichern. So finden sich unter den Nominierten auch Medizinstudenten oder Audiodesigner. Michael Aust, der Geschäftsführer der SoundTrack_Cologne, benutzt für die Beschreibung der Tonspur lieber den Begriff "Medienmusik", als schlicht von Filmmusik zu sprechen.

""Für uns ist natürlich eine Intention bei der Veranstaltung, erst einmal überhaupt das Augenmerk auf die Tonspur zu lenken, aber auch auf deren Bedeutung für unsere Gesellschaft. Insbesondere solche Aspekte zu beleuchten, dass eine musikalische Sozialisation heute im Wesentlichen über Medienmusik stattfindet. Also über Musik, die im Fernsehen gesendet wird, Filme, Fernsehsendungen, oder eben Hörspiele. Und das sind natürlich Themen, die uns hier berühren."

Im Verlauf der Veranstaltung werden zahlreiche Gespräche über Reichweite und Wirkung von Soundtracks geführt. Immer schwingt das Wissen über die Möglichkeit zur aktiven Gestaltung der medialen Zukunft mit. Die Komponisten und Macher sind sich bewusst, wie sie mit ihrer Arbeit für Film, Fernsehen und Internet direkten Einfluss auf zukünftige Hörergenerationen nehmen. Neuen Techniken steht man offen gegenüber und fördert bewusst den Nachwuchs. So sieht man in der Öffnung durch technologische Innovationen und der gleichzeitigen Wahrung hoher Qualitätsmaßstäbe keinen Widerspruch. Und so waren auch dieses Jahr Jury und Publikum gleichermaßen von der Güte der Arbeiten überrascht.

Die beiden Preisträger der "Lobenden Erwähnung" verdichten Sounddesign und Filmmusik auf nahezu unerhörte Art und Weise. Geradezu symbiotisch durchdringen sich Musik und Geräusch und schaffen so eine ganz neue Filmrealität. Erstaunlich, da Ronnie van der Veer und Jesse Koolhaas, ebenfalls von der Utrecht School of Arts, einen Dokumentarfilm neu vertont haben, der den Einsatzbereich zweier Arbeiter in der "Telefonzerlegung" einer Caritaswerkstätte porträtiert. Sounddesigner van der Veer erfindet die Werkstattgeräusche neu, Koolhaas baut aus fallenden Schrauben und surrenden Bohrern perkussiv-hypnotische Klänge. Ein besonders gelungenes Beispiel der zukünftigen Komposition von Medienmusik, meint auch Geschäftsführer Michael Aust.

"Scoring The Future hat natürlich mehrere Bedeutungen. Es geht einerseits um diesen Aspekt, dass wir im Grunde genommen über die Medienmusik vorbereiten, wie die Leute von morgen Musik rezipieren, wie sie die hören und wie sie die verarbeiten. Wenn die Qualität der Medienmusik schlechter wird, führt das auch dazu, dass die Leute weniger geschulte Ohren haben und anders vorbereitet an klassische oder Popmusik herangehen."