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Positionspapier
Union will Therapeuten aufwerten

Physiotherapeuten, Masseure oder Logopädinnen leisten viel, verdienen aber schlecht. In einem Positionspapier schlagen Unionspolitiker nun vor, dass Therapiefreiheit, mehr Geld und eine moderne Ausbildung die Berufe aufwerten soll. Ärzte, die bisher die Diagnosen ihrer Patienten stellen, sind skeptisch.

Von Stefan Maas | 02.04.2015
    Eine Physiotherapeutin betreut eine Patientin, die zur Stärkung der Rückenmuskulatur eine Übung macht.
    Therapeuten, Masseure oder Logopäden sollen besser bezahlt werden. (picture alliance / dpa / Klaus Rose)
    Geht es nach den Plänen der Union, sollen Physiotherapeuten, Logopäden, Masseure und andere Heilmittelerbringer aufgewertet werden. In einem Positionspapier heißt es, die Therapeuten sollten nicht nur mehr Geld bekommen, sondern auch die Möglichkeit erhalten, zukünftig ohne Vorgabe des Arztes zu entscheiden, welche Anwendung ihre Patienten brauchen.
    "Das ist deshalb auch ein Vorteil, weil sich ja zum Beispiel im Laufe der Behandlungen etwas verändern kann."
    Erklärt Roy Kühne, der Autor des Positionspapiers. Auch wird überlegt, ob sich Patienten nicht direkt an die Therapeuten wenden können sollten - ohne vorher zum Arzt zu gehen. Der Therapeut würde dann auch die Diagnose stellen. Dies ist zum Beispiel in den Niederlanden und Schweden schon möglich.
    Krankenkassen grundsätzlich positiv
    Grundsätzlich positiv steht der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen den Vorschlägen gegenüber, sagt Florian Lanz, der Pressesprecher des GKV-Spitzenverbandes. Oft sähen die Therapeuten im Laufe der Behandlung, dass andere Methoden geeigneter seien als die vom Arzt vorgeschlagenen:
    "Und diese praktischen Erfahrungen, die dann möglicherweise dazu führen, dass er sagt, bei dieser oder jener Diagnose bei Patient A ist im ersten Schritt diese Form der Therapie richtig, bei Patient B aber eine andere, das können Ärzte möglicherweise, und genau das gilt es herauszufinden, nicht so gut beurteilen."
    Ob sich die neuen Modelle aber auch in der Praxis umsetzen lassen, das müssten erst die Ergebnisse mehrerer Modellversuche zeigen, die noch bis Ende des Jahres laufen. Auch Hilde Matheis, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion sieht noch einige Hürden, auch wenn ihre Partei die Vorschläge grundsätzlich gut findet - und selbst im vergangenen Jahr Ähnliches vorgeschlagen hat. Zum einen müsse festgelegt werden, was als medizinisch notwendige Leistung von den Therapeuten erbracht werden könne.
    "Nicht jede Anwendung ist eine, die medizinisch notwendig ist und da muss man erst mal Standards setzen. Nicht jede Wellnessanwendung darf zulasten der Krankenkassen sein."
    Ein weiterer Punkt, der vor allem für den Fall entscheidend wäre, wenn Patienten direkt zum Therapeuten gingen: die berufsrechtlichen Regelungen.
    Die Frage der Standards stelle sich auch bei der Ausbildung - vor allem dann, wenn die Therapeuten auch Diagnosen stellen sollen. Ein Thema, mit dem sich die etwa Physiotherapeuten bereits beschäftigen, erklärt Andrea Rädlein, die Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Physiotherapie: Es gebe bereits die Empfehlung für eine spezielle - auf 60 Stunden angelegte Schulung:
    Nachschulungen zur Verfügung stellen
    "Wir müssen entscheiden, ob der Patient bei uns richtig aufgehoben ist oder ob er besser noch mal zum Arzt gehen muss, ob es einer medizinischen Indikation bedarf und einer Diagnose. Das ist sicherlich das, was wichtig wäre. Wir wollen das unbedingt diese 60 Stunden in die Ausbildung integrieren, aber für die praktisch tätigen Physiotherapeuten als Nachschulung zur Verfügung stellen."
    Für Dr. Klaus Reinhardt, den Vorsitzenden des Hartmannbundes, in dem niedergelassene Ärzte organisiert sind, sind die Überlegungen der Union dennoch unausgegoren. Die Ärzte sollten auch weiterhin sowohl die Diagnose stellen als auch festlegen, welche Anwendungen für den Patienten geeignet seien. Sinnvoll sei aber eine bessere Abstimmung mit den Therapeuten:
    "Diesen Dialog, diese Interaktion zwischen Arzt und Therapeut zu befördern, das hielte ich für sinnvoll. Aber ich hielte es für völlig falsch, ärztlicherseits abzugeben und komplett den Therapeuten zu überlassen, darüber zu entscheiden: Was ist jetzt sinnvoll und was nicht."
    Ob Einsparungen möglich seien, sollten die Therapeuten zusätzliche Aufgaben übernehmen, sei schwer abzuschätzen, sagt Florian Lanz vom GKV-Spitzenverband:
    "Einerseits würde möglicherweise etwas Geld gespart werden, weil natürlich Physiotherapeuten nicht solche Spitzenverdiener sind wie Ärzte. Andererseits muss auch darüber diskutiert werden, wenn die Physiotherapeuten mehr Verantwortung bekommen, ob man sie besser bezahlen müsste."
    Auch hier gilt für ihn zunächst einmal: Abwarten, was die Modellversuche bringen.