Filmische Mahnungen

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 06.02.2008
Als "Petey" Greene Mitte der 60er Jahre aus dem Gefängnis entlassen will, verfolgt er hartnäckig seinen Traum Radiomoderator zu werden. In seiner Show redet er mit den Menschen über die Bürgerrechtsbewegung und Rassismus. Seinen größten Moment hat er ausgerechnet in dem Augenblick, als Martin Luther King erschossen wird. "Unsere Erde" ist ein Dokumentarfilm der Superlative, der in beeindruckenden Bildern von der Schönheit und Zerbrechlichkeit unseres Planeten erzählt.
"Talk to me"
USA 2007. Regie: Kasi Lemmons. Darsteller: Don Cheadle, Chiwetel Ejiofor, Taraji P. Henson, Martin Sheen, Mike Epps, Cedric The Entertainer, Vondie Curtis Hall u.a. Länge: 118 min.

"Talk to me " von Kasi Lemmons; die heute 47-jährige Tochter eines Biologielehrers und einer Psychotherapeutin debütierte 1979 als Schauspielerin ("Das 11. Opfer"; an der Seite von Nicolas Cage). In "Das Schweigen der Lämmer" (1991) spielte sie die Rolle der mit Clarice Starling (Jodie Foster) befreundeten Studentin an der FBI-Akademie. Als Drehbuch-Autorin und Regisseurin debütierte sie 1997 mit dem Drama "Eye's Bayou" (mit Meagan Good und Samuel L. Jackson). Für diesen Film erhielt sie u.a. den "National Board of Review Award" als beste Regie-Debütantin sowie 1998 den "Independent Spirit Award". 2001 war sie Jury-Mitglied beim renommierten SUNDANCE-Festival.

In "Talk To Me" lässt sie die 60er Jahre wieder auferstehen und erinnert - in einem packenden Porträt - an einen legendären Radio-Moderator namens Ralph Waldo Greene, genannt "Petey" Greene. Der sitzt, als wir ihm erstmals Mitte der 60er begegnen, im Gefängnis. Im Rahmen des dortigen Resozialisierungsprogramms unterhält er zweimal am Tag seine Mitgefangenen mit einem hauseigenen Radio-Knast-Programm, reißt Witze und plaudert mit seinem Schandmaul über Gott und die Welt. So hört ihn Dewey Hughes das erste Mal, der schwarze Programmdirektor eines "weißen" Senders in Washington D.C., der hier seinen Bruder besucht und von Dewey "angemacht" wird.

Nach seiner Entlassung begibt sich Greene unverzüglich zu Dewey, um im Sender als Moderator zu arbeiten. Über einige unfreiwillige wie urige Umwege und gegen alle Absichten des konservativen Bosses (Charlie Sheen) gelingt dies schließlich auch, und die afroamerikanische Plaudertasche wird zum Quoten-Helden, weil er ganz anders in der Öffentlichkeit redet als bis dato bekannt und geduldet, über Ungerechtigkeiten zwischen Weißen und Schwarzen, über Politik, Rassismus, Drogen und Sex. Die 60er Jahre sind in Bewegung gekommen, und "Petey" Greene startet mittendrin nun durch.

Als am 4. April 1968 der Bürgerrechtler Martin Luther King erschossen wird und aufgebrachte Schwarze ihrer Wut auf den Straßen freien Lauf lassen, wird Greene zum Sprachrohr der Gewaltlosigkeit. In einer legendär gewordenen Moderation gelingt es ihm, die Stimmung der Bevölkerung zu treffen; der sonst so clowneske, rotzige Ton weicht einer tiefempfundenen, ehrlichen Trauer. Ein Höhepunkt im Leben des Außenseiters, der zum Promi wird, im Fernsehen auftritt und sogar ins Weiße Haus geladen wird.

Doch "Petey" Greene besitzt auch eine andere, eine selbstzerstörerische, dunkle Seite. Eine spannende, nahegehende Geschichte, die weitgehend auf Rührseligkeiten verzichtet, dafür mit viel stimmungsvoll-überzeugender 60er Jahre Atmosphäre und mit einem phantastischen Darsteller-Ensemble aufwartet, aus dem die beiden Führungsakteure herausragen: Der aus Kansas stammende Don Cheadle (einer der Mannen um Danny Ocean alias George Clooney in "Ocean's Eleven/Twelve/Thirteen"; "L.A. Crash"; "Hotel Ruanda", "Oscar"-Nominierung als Bester Hauptdarsteller) und Chiwetel Ejiofor aus London, der Sohn nigerianischer Eltern, der erstmals im Woody-Allen-Film "Melinda und Melinda" (2004) auffiel und kürzlich in den Genre-Filmen "Children Of Men" und "American Gangster" (von Ridley Scott) mitspielte.

Cheadle saugt sich förmlich in die Figur des "Petey" Greene hinein, präsentiert sie in allen (und nicht nur sympathischen) Facetten, übertreibt nicht, wirkt - vor allem auch körpersprachlich - absolut authentisch wie glaubwürdig. Ejiofor überzeugt als Mentor und Freund, der den Erfolg "seiner Entdeckung" genießt und ausbauen möchte und dabei an eigene (Lebens- wie Identitäts-)Grenzen stößt. Ein beeindruckendes "Paar". Klasse-Außenseiter-Kino, mit exzellenter Unterhaltungsquote.


"Unsere Erde"
Deutschland / Großbritannien 2007. Regie: Alastair Fothergill. Sprecher: Ulrich Tukur. Länge: 99 min.

"Unsere Erde - Der Film" von Alastair Fothergill. Der 47-jährige Fothergill, studierter Zoologe, schloss sich 1983 der "Natural History Unit", der Naturkunde-Abteilung der BBC an. Nach einigen größeren Natur-Dokumentationen wurde er im Alter von 32 Jahren im November 1992 Leiter dieser BBC-Abteilung, trat jedoch im Juni 1995 von diesem Posten zurück, um sich bis 2001 auf seine Aufgabe als Produzent der (auch bei uns bekannten) TV-Serie "Unser blauer Planet" zu konzentrieren, der preisgekrönten Reihe über die Naturgeschichte der Weltmeere.

2004 entstand daraus der abendfüllende Dokumentarfilm "Deep Blue", der weltweit das Interesse am ökologischen Dokumentarfilm neu belebte. Danach folgte seine Arbeit als Produzent und Regisseur der TV-Serie "Planet Erde" und schließlich dieser in deutsch-englischer Co-Produktion, mit Co-Regisseur Mark Linfield entstandene gewaltige Film.

"Unsere Erde - Der Film" ist eine epische Weltreise in rd. 1 1/2 Stunden vom Nord- zum Südpol. Mit zahlreichen Zwischenaufenthalten auf allen Kontinenten und vielen tierischen Begegnungen: Buckelwalen, Haien, Elefanten, Löwen, Paradiesvögeln und natürlich vielen Eisbären. Dabei stets im gedanklichen wie einzigartigen Blick- und Mittelpunkt: Die Wertschätzung unseres Planeten. Denn diese Wertschätzung ist überhaupt erst der Garant, sich für den vernünftigen Erhalt einzusetzen. Dabei geht man zunächst keineswegs Klimaschutz klagend vor, sondern im Rhythmus der Bewegung der Natur, der Montage und der elegischen Musik (Komponist: George Fenton/Ausführende: Die Berliner Philharmoniker): Das Fließen der Wolken im Gebirge, das Streifen des Windes, das Aufscheinen der Sonne. Dazu: Die erklärenden Worte der deutschen Off-Stimme Ulrich Tukur.

Dann folgen die Tiere. Der Mensch bleibt hier außen vor, er taucht nur "im Sinn" als derjenige auf, der die Lebensräume in große Gefahr gebracht hat. "Der Mensch muss kennen, was er schützen soll", argumentiert Alastair Fothergill die aufwendige Fünf-Jahres-Arbeit an diesem Projekt, für die 40 Millionen Euro Produktionskosten aufgebracht wurden, für den Kinofilm sowie die parallel entstandene Fernsehserie: Gefilmt wurde an mehr als 200 Orten in 26 Ländern. Mehr als 40 Kamerateams waren an etwa 4000 Drehtagen im Einsatz. Sie machten etwa 250 Tage Luftaufnahmen und sammelten insgesamt etwa 1000 Stunden Filmmaterial.

Mit Hilfe eines nepalesischen Aufklärungsflugzeuges zum Beispiel wurden erstmals Aufnahmen vom Himalaya in 8800 Metern Höhe gemacht. Kameras, die sonst für das Filmen von Crashtests verwendet werden, wurden umgebaut und für das Drehen in freier Natur angepasst. So entstanden nie zuvor gesehene Aufnahmen der Beutejagd des Weißen Hais und des Geparden.

Schließlich führt die 6.000 Kilometer weite Seereise einer Buckelwalmutter mit ihrem in warmen tropischen Gewässern geborenen Jungen zur Antarktis, dem südlichsten Punkt unseres Planeten. Es geht über die Taiga und Tundra, hinweg über tausende von Karibus, über Laubwälder mit den fast ausgestorbenen Amur-Leoparden bis hin zum Äquator, wo ein Paradiesvogel mit einem Konkurrenten um die Wette balzt; und, und, und.

Ein wunderbarer, weil auch kein belehrender Film, sondern ein Film, der die Schönheit wie Einzigartigkeit von Natur und Tieren beschreibt und zugleich die Bedeutung für das Gleichgewicht, die Existenz auf unserer Erde spektakulär-unterhaltsam vor Augen führt. Der die Sinne schärft für diesen Teil der Erde, den es möglicherweise bald so nicht mehr geben wird. In einer Zeit, in der weltweit das Bewusstsein um die Zerbrechlichkeit und Gefährdung unseres Planeten Erde immer stärker wächst, zieht dieser außergewöhnliche Film den Zuschauer in seinen Bann und signalisiert zugleich größte Aktualität.

In Frankreich hatte er nach vier Wochen über eine Million Kino-Zuschauer; in Spanien entwickelte er sich zur inzwischen erfolgreichsten Natur-Leinwand-Dokumentation überhaupt. Fazit also: Ein Gigant des Dokumentarfilms!
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