Filme über Flucht beim "Internationalfeiertag"

Die in Wien stattfindende Viennale ist das größte Filmfestival Österreichs. Jedes Jahr fällt der Nationalfeiertag in diese Zeit. Das Festival erfand dagegen den "Internationalfeiertag". Die gezeigten Filme geben der Flüchtlingskrise, die das Land spaltet, eine historische Dimension.
Ein Mann in einem Anzug und mit Melone auf dem Kopf hängt über der Reling und fängt gut gelaunt einen Fisch. Die Mitpassagiere hingegen liegen blass und elendig auf dem Boden. Der Seegang macht ihnen zu schaffen. Charlie Chaplins Figur des Tramp ist im Film "The Immigrant" von 1917 ein Mann, der sich trotz seiner Mittellosigkeit immer würdevoll verhält, und clever. Mit drei Chaplin-Filmen beginnt der Internationalfeiertag bei der Viennale.
Hans Hurch: "Wir haben ein Foto ausgewählt aus 'The Immigrant', um den Film zu bewerben. Und wenn man dieses Foto sieht, sieht man sofort die heutigen Fotos aus der Flüchtlings ... aus der Berichterstattung im Fernsehen. Daran sieht man dass Chaplin ein großer realistischer Filmemacher war. Dass dieses Bild immer noch stimmt, auch heute noch."
Natürlich wollte Viennale-Direktor Hans Hurch bewusst Bezug nehmen auf die aktuelle Diskussion um die Flüchtlingskrise in Österreich. Die Stimmung im Land ist nach wie vor aufgeheizt, auch wenn die sozialdemokratische SPÖ nach den Landtagswahlen in Wien vor zwei Wochen das Szepter nicht - wie befürchtet - an die Rechtspartei FPÖ übergeben musste.
Hans Hurch: "Jetzt sind viele erleichtert, dass es in Wien so ausgegangen ist. Ich bin nicht erleichtert. Ich finde, dass das ausreicht, dass ein Drittel der Leute wirklich rechtsradikal wählen. Aber man hat noch Schlimmeres befürchtet. Und das ist etwas sehr typisch Österreichisches: Wir sind noch mal davon gekommen. Und dann so tun als wäre nichts. Das ist eine große Spezialität hier. Also so runterspielen und noch mal Glück gehabt. Ich finde, das ist kein großes Glück."
Die Flüchtlingskrise spaltet das Land. Die Filme bei der Viennale geben der aktuellen Diskussion eine historische Dimension. Sie zeigen, wie Menschen immer wieder gezwungen wurden, ihr Land zu verlassen. Oder nicht zurückkehren konnten. Der Regisseur Jerzy Skolimowski war gerade dabei, mit polnischen Arbeitern sein neues Haus in London zu renovieren, als 1981 in Polen das Kriegsrecht verhängt wurde.
"Last Shelter" zeigt Umgang mit Flüchtlingen
Einige Wochen später machte er aus seiner persönlichen Geschichte einen Film, "Moonlighting". Jeremy Irons spielt darin Nowack, den Anführer einer Gruppe Arbeiter, die aus Warschau kommend in London landen und damit in einer für sie fremden neuen Welt. Sie schlafen im dreckigen Haus auf dem Boden, verschwinden in Staubwolken aus niedergerissenen Wänden und essen Hungerrationen aus Dosen.
Filmausschnitt "Moonlighting"
Weil er seine Arbeiter schützen will, erzählt Nowack ihnen nichts von der politischen Situation in Polen. Das wird zunehmend schwieriger, und so fängt er an, sein eigenes kleines Terrorregime aus Sperrstunde und Hausarrest aufzubauen. Ein Film, der mit dem Surrealismus der Arbeit begonnen hatte, endet beim Trauma der Politik. Die "New York Times" nannte "The Moonlighting", als er 1982 herauskam, einen der besten Filme, die je übers Exil gemacht wurden. Diesem Urteil hält der Film auch heute noch Stand.
Filmausschnitt "Last Shelter"
Einen Blick auf Österreichs Umgang mit Flüchtlingen wirft der Dokumentarfilm "Last Shelter". Gerald Igor Hauzenberger begleitet eine Gruppe Asylbewerber aus Pakistan, die 2012 in Wien die Votivkirche besetzt haben, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Monate lang harrten sie aus, gingen in Hungerstreik, protestierten, verhandelten, einige wurden abgeschoben, einige bekamen Asyl, zwei heirateten Österreicherinnen. Der Film zeigt ihren Kampf, auch immer wieder ihre Verzweiflung.
Hauzenberger: "Wir hatten den Film eigentlich schon fertig abgedreht im Frühling, aber im Mai war uns klar, es geht in eine völlig neue Richtung, es gibt eine neue Dimension, die Asylanträge verzehnfachen sich. Und in Traiskirchen beginnt ein neuer Protest."
Und so ist Hauzenberger ins Erstaufnahmelager nach Traiskirchen gefahren und im Sommer an die österreich-ungarische Grenze und schlägt damit den Bogen bis ins Heute. Damit passt "Last Shelter" natürlich perfekt ins Programm des Internationalfeiertags, an dem Tag, an dem der Rest des Landes feiert, dass 1955 das Gesetz zur österreichischen Neutralität beschlossen wurde.
Hauzenberger: "In Österreich fahren die Panzer gerade über den Ring. Und es gibt eine große Heeresschau. Also es wird das Militär abgefeiert. Und der Internationalfeiertag am Nationalfeiertag heißt, dass Österreich jetzt über den Tellerrand hinausschauen will und sich natürlich solidarisch erklärt mit den Ländern der EU, aber auch weit drüber hinaus."