Filmfestival in Venedig

Glamour und großes Kino – trotz Corona

13:43 Minuten
Cate Blanchett, Präsidentin der Jury und ihre MItstreiter Nicola Lagioia, Joanna Hogg, Veronika Franz, Matt Dillon, Ludivine Sagnier, Christian Petzold beim Filmfestival in Venedig.
Die Schauspielerin Cate Blanchett (Mitte) ist dieses Jahr Präsidentin der Jury beim Filmfestival in Venedig, das unter Coronabedingungen stattfindet. © picture alliance / Photoshot
Anke Leweke im Gespräch mit Vladimir Balzer · 02.09.2020
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In Venedig haben die Filmfestspiele begonnen und trotzen der Coronakrise. Unsere Filmkritikerin Anke Leweke schildert ihre ersten Eindrücke und erwartet ein politisches Kinoprogramm. Das Branchentreffen sei gerade jetzt umso wichtiger.
Die Internationalen Filmfestspiele von Venedig waren schon immer ein Highlight der jährlichen Kinosaison. Dieses Mal kommt der Großveranstaltung auf dem Lido besondere Bedeutung zu. Die "Biennale di Venezia" ist das erste große Filmfestival, das seit Beginn der Coronapandemie wieder regulär stattfindet.
Festivalleiter Alberto Barbera nannte die Entscheidung, das älteste Filmfestival der Welt nicht virtuell abzuhalten oder ganz abzusagen, ein "Zeichen der Zuversicht und eine konkrete Unterstützung" für die Filmindustrie. "Es ist nun mal sehr bequem, Filme zu Hause zu sehen und oftmals billiger dazu. Du musst nicht raus, bleibst in deiner Wohnung oder in deinem Hotel", sagte er. "Aber das Kino ist nicht verhandelbar. Wir brauchen es! Als einmalige, unersetzliche Erfahrung." Die große Leinwand gehöre zur Natur des Kinos.
Jeder zweite Sitz im Kino bleibt frei 
Auch in Venedig muss wegen Corona jeder zweite Sitz im Kino freibleiben. © picture-alliance/ZB//Robert Michael
Wenn man am Strand entlanglaufe, dann sei es wie immer ein idyllischer Postkarten-Anblick, schildert unsere Filmkritikerin Anke Leweke ihre ersten Eindrücke in Venedig. Die Venezianer machten sich sonst immer gern zurecht und mischten sich unter die Schaulustigen am roten Teppich.
Aber heute Abend sei die Prominenz von einer langen Mauer am Roten Teppich abgesperrt. "Das ist ein trauriges, absurdes Bild, aber vielleicht ist es auch angemessen in diesen Zeiten", sagt Leweke.
"Und trotzdem hat man das Gefühl, die Menschen kommen alle zum Lido, denn man hat mehr denn je Publikumsaufführungen organisiert." Es gebe zwar weniger Filme, aber das Programm sei Dank der Freiluftkinos umfangreich. Überall dürfe während des Festivals nur jeder zweite Platz besetzt werden.
"Man muss immer eine Maske tragen." Aber da könne sich jeder auch etwas einfallen lassen. Sie selbst trage eine Maske, auf der der grinsende Jack Nicholson entgegen lacht. Viele Venezianer trügen eine rote Maske mit dem goldenen Löwen, dem Wahrzeichen der Stadt.

Festivals sind mehr denn je gefragt

Auch vor Corona sei das Kino bereits in einer Art von Krise gewesen, meint Leweke. "Die Besucherzahlen gingen zurück." Es existierten immer mehr Internetportale und Streamingdienste. "Es gibt eine Überfülle an Filmen und deshalb sind Festivals auch mehr denn je gefragt." Das Branchentreffen in Venedig sei deshalb gerade jetzt umso wichtiger.
Bei der Eröffnung seien heute acht Leiter anderer großer Festivals, wie Locarno, Cannes oder Berlinale, mit dabei gewesen. Sie alle hätten ihre Solidarität mit dem Kino ausgedrückt und gesagt: "Kino ist eine Kunstform und Festivals sind die Orte der Vermittlung zwischen Publikum und den Machern." Festivals seien auch Bildungsstätten, die physisch stattfinden müssten.

Politisches Programm in Venedig

Leweke erwartet ein politisches Programm in Venedig. "Man könnte sagen, dass die Regisseure sich an europäischen und anderen Zuständen abarbeiten", sagt die Kritikerin. Besonders gespannt sei sie auf den Film "Liebe Kameraden" des russischen Regisseurs Andrej Kontschalowski, in dem es um die Breschnew-Ära gehe. Auch der deutsche Film "Und morgen die ganze Welt" von Julia von Heinz reihe sich gut ein, in dem es um eine junge Juristin gehe, die gegen Neonazis aktiv wird.
(gem)
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