Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Möglicher Job bei Rosneft
"Schröder erweist dem deutsch-russischen Verhältnis keinen Dienst"

Altkanzler Gerhard Schröder ist als Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft im Gespräch. Janis Kluge von der Stiftung Politik und Wissenschaft sieht das kritisch. Das Unternehmen stehe der rechtsstaatlichen Entwicklung des Landes entgegen, sagte er im Dlf.

Janis Kluge im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 30.08.2017
    Altkanzler Gerhard Schröder im Gespräch mit Rosneft-CEO Igor Setschin auf dem Economic Forum St. Petersburg im Jahr 2012
    Altkanzler Gerhard Schröder im Gespräch mit Rosneft-CEO Igor Setschin auf dem Economic Forum St. Petersburg im Jahr 2012 (dpa / AFP Kirill Kudryavtsev)
    Die Unternehmenspolitik von Rosneft sei schädlich für Russlands Entwicklung, meint Kluge. Rosneft spiele in der russischen Politik eine zentrale Rolle. Der Chef des Unternehmens, Igor Setschin, sei bereits seit Jahrzehnten ein enger Vertrauter Wladimir Putins. Das Unternehmen gehe zudem aggressiv gegen Wettbewerber vor. So sei der Teil eines konkurrierenden Konzerns vom Staat enteignet worden - nur um dann von Rosneft - einem Staatskonzern - "privatisiert" zu werden. "Das zeigt, welchen Einfluss Rosneft in Russland hat. Und das ist nur möglich, weil Setschin Putins Vertrauter ist", sagte Kluge. Setschin sei schon immer der zweite Mann hinter Putin gewesen.
    Die Person Gerhard Schröder ist für Kluge aus zwei Gründen interessant für das Unternehmen: Einmal sei Schröder Setschin bestimmt gewogener als der bisherige Aufsichtsratschef Andrej Belousov. Zudem könne Schröder auch für die ausländischen Investoren interessant sein.

    Das Interview in voller Länge:
    Jessica Sturmberg: Russische Medien hatten berichtet, dass Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder bald Verwaltungsratschef des russischen Mineralölkonzerns Rosneft werden könnte. Die Wahl ist laut Nachrichtenagentur Interfax am 29. September. Diese Personalie kommt SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz im Wahlkampf gerade überhaupt nicht gelegen. Wie problematisch wäre das - ein deutscher Ex-Kanzler an der Spitze eines russischen teilstaatlichen Konzerns? Darüber habe ich vor der Sendung mit Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin gesprochen. Meine erste Frage: Zur Einordnung: Was für ein Konzern ist Rosneft eigentlich?
    Janis Kluge: Rosneft ist der größter Ölförderer Russlands. Das hat sich in den letzten zehn Jahren dahin entwickelt. Es ist eines der beiden zweitgrößten Unternehmen, neben Gazprom und gerade in den letzten Jahren hat das Unternehmen eine wirklich zentrale Rolle auch in der russischen Politik eingenommen. Wenn man sich die Unternehmenspolitik von Rosneft anschaut gerade in den letzten zwei, drei Jahren, da sieht man wie das Unternehmen unter der Leitung von Igor Sechin, einem Putin-Vertrauten in den letzten Jahren eben aggressiv gegen Konkurrenten vorgeht und beispielsweise von einem Konkurrenten Sistema ein Teil des Geschäfts enteignet wurde vom Staat und danach an Rosneft privatisiert wurde.
    "Rosneft nutzt Schwächen des Rechtssystems aus"
    Rosneft ist zwar ein Staatskonzern, aber durch den Einfluss von Sechin konnte es diese Privatisierung trotzdem durchsetzen, also Privatisierung in Anführungszeichen. Und es zeigt einmal dieses Verfahren und dann noch ein aktuelles Gerichtsverfahren, welchen Einfluss Rosneft in Russland besitzt und diesen Einfluss, den es auch immer wieder verwendet um die Schwächen des russischen Rechtssystems auszunutzen um den eigenen Einfluss eben zu vergrößern. Und das ist für Rosneft nur deshalb möglich, weil an der Spitze eben Igor Sechin steht und Igor Sechin schon seit Anfang der Neunzigerjahre ein sehr enger Vertrauter von Wladimir Putin ist. Der war mit ihm gemeinsam in Sankt Petersburg. Er ist mit ihm nach Moskau gekommen. Er war immer der zweite Mann hinter Putin, Vizepremier als Putin Premier war und ist dann 2012 an die Spitze von Rosneft aufgestiegen.
    Sturmberg: Wenn Gerhard Schröder diesen Posten bekommt, dann wird sich ja Rosneft irgendetwas davon erhoffen. Was könnte das sein?
    Kluge: Naja, aus der Perspektive von Igor Sechin ist Gerhard Schröder sicherlich ein deutlich bequemerer Aufsichtsratsvorsitzender als der Vorgänger das war Andrej Beloussow, Wirtschaftsberater des Präsidenten. Beloussow war immer auch ein Widersacher von Sechin und die beiden hatten kein besonders gutes Verhältnis. Hier kann Gerhard Schröder vermutlich Entlastung schaffen für Sechin und gleichzeitig ist er auch für die ausländischen Investoren, die ja auch an Rosneft beteiligt sind, also BP oder das Schweizer Unternehmen Glencore, der Katar-Investmentfonds – für diese Unternehmen ist es auch nicht uninteressant, wenn eben kein Russe an der Stelle sitzt.
    Sollte Schröder noch Deutschlands Interessen vertreten?
    Sturmberg: Warum?
    Kluge: Weil man einem Außenstehenden eher unterstellen würde, dass er auf eine andere Weise mit den Figuren vor Ort verbunden ist und dass es vielleicht eine höhere Transparenz gibt, dass er sich vielleicht eher dafür einsetzen könnte, dass die Interessen dieser Minderheitsaktionäre berücksichtigt werden, weil er eben nicht direkt aus dem Netzwerk kommt. Ob das aber so eintritt, das ist erst mal dahingestellt. Es bleibt abzuwarten, ob Schröder dazu wirklich das Gewicht hat in diesem Unternehmen und in welcher Form er diese Rolle ausführen kann.
    Sturmberg: Könnte Gerhard Schröder auch in einen Interessenkonflikt geraten, schließlich ist Rosneft ja von den Sanktionen der EU auch betroffen?
    Kluge: Ja, er käme in einen Interessenskonflikt im Gegensatz, wenn man davon ausgeht, dass er als Ex-Kanzler noch das Interesse Deutschlands vertreten soll. Rosneft ist im Unterschied zu Gazprom, mit dem Schröder schon vorher über Nord Stream kooperiert hat, ein Unternehmen, was eben auf der Sanktionsliste steht, gegen das Deutschland und die EU Sanktionen erhoben haben und es wird nun direktes Geschäftsinteresse von Schröder sein – das ist seine Rolle in dem Unternehmen – auch gegen diese Sanktionen vor zu gehen und natürlich gibt es da einen Interessenkonflikt. Der ist nur da, wenn man der Ansicht ist, dass ein Ex-Kanzler auch noch die Interessen Deutschlands vertreten soll. Wenn man sagt, das ist Privatsache, was er macht, dann gäbe es diesen Interessenskonflikt natürlich nicht.
    Sturmberg: Irgendwie wollen wir doch, dass auch ein Ex-Kanzler im Interesse der Bundesrepublik agiert, könnte das einen Konflikt geben, der problematisch wird?
    Kluge: Das hängt sicher auch vom Ausgang der Bundestagswahl ab. Natürlich hat Gerhard Schröder noch immer ziemlich gute Verbindungen in die SPD. Von daher ist das noch nicht abzusehen. Mehr kann ich an der Stelle noch nicht dazu sagen.
    "Rosneft ist für Russlands Entwicklung schädlich"
    Sturmberg: Umgekehrterweise könnte man ja auch sagen, vielleicht erweist er ja dem deutsch-russischen Verhältnis da einen Dienst?
    Kluge: In meinen Augen tut er das nicht. Der Punkt ist, dass er sich eben hier für ein Unternehmen engagiert, was der Entwicklung, der weiteren Entwicklung Russlands – und das ist ja auch ein Interesse von Deutschland, dass es auch mit der Rechtsstaatlichkeit vorangeht – dass er sich bei einem Unternehmen engagiert, was diesem Ziel praktisch entgegenarbeitet, eben durch diese Rechtsverfahren, die eben keinen rechtsstaatlichen Charakter tragen, wo Sechin eben gegen Konkurrenten vorgeht, in einem Unrechtsverfahren, um seinen Einfluss zu vergrößern. Weil Schröder sich in so einem Unternehmen engagiert, tut er in meinen Augen auch langfristig nichts für das Verhältnis Deutschland und Russland, weil das Verhältnis von Deutschland und Russland hängt ja nicht nur davon ab, wie es in den nächsten fünf Jahren weitergeht, sondern das hängt vor allen Dingen davon ab, wie es mittel- und langfristig in Russland weitergeht und für eine rechtsstaatliche und natürlich auch prosperierende wirtschaftliche Zukunft für Russland ist die aktuelle Unternehmenspolitik von Rosneft in meinen Augen schädlich.
    Sturmberg: Janis Kluge, Russlandexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin mit Einordnungen zu Rosneft und Gerhard Schröder.