Filmemacherin Ula Stöckl

"Ich bin dort zu Hause, wo ich etwas verändern kann"

Die Regisseurin Ula Stöckl kommt zur Vorführung ihres Films «9 Leben hat die Katze» am 15.07.2013 ins Kino Arsenal in Berlin. Im Anschluss an den Film soll eine Podiumsdiskussion stattfinden
Ula Stöckl: Die #MeToo-Debatte ist ein Angriff auf das Patriarchat. © Jörg Carstensen / dpa
Ula Stöckl im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 08.02.2018
Ula Stöckl gehört in Deutschland zu den feministischen Filmemacherinnen der ersten Stunde. Auch mit 80 Jahren mischt sie sich in die #MeToo-Debatte ein. Anlässlich ihres runden Geburtstags ist im Berliner Kino Arsenal eine Werkschau von ihr zu sehen.
Ula Stöckl ist eine Pionierin: Als erste Frau überhaupt wurde sie 1962 am Institut für Filmgestaltung der Hochschule für Gestaltung in Ulm aufgenommen, der Keimzelle des Neuen Deutschen Films. Ihr Abschlussfilm "Neun Leben hat die Katze" von 1968 gilt als der erste feministische Film, lange bevor von Feminismus hierzulande überhaupt die Rede war. Auch mit 80 Jahren ist sie kämpferisch und mischt sich in die #MeToo-Debatte ein.
Die Filmemacherin hat mehr als 20 Werke realisiert und zum Teil auch selbst produziert. Ihr Motiv dabei:
"Um was es mir immer noch geht, dass das Persönliche das Politische ist. Wie ändere ich Machstrukturen, in dem ich mich in meinem Leben so verhalte, dass etwas zu verändern möglich ist?"

Frauen wurde der Schwarze Peter zugeschoben

In ihren Filmen ging es immer auch um das Geschlechterverhältnis, um Machtverteilung – gesellschaftlich wie im Privaten. Sie weiß, was es heißt, sich in dem von Männern dominierten Geschäft zu behaupten. Und sie ist begeistert, dass sich die Frauen mit #MeToo weltweit wehren:
"Es ist ein Angriff auf das Patriarchat und wird jetzt hoffentlich wieder ein größeres Loch reißen. Denn – ich meine – sexuelle Nötigung einerseits war ja immer irgendwie ein Vorrecht der Patriarchen. Und eine Frau konnte sich nicht wehren und sich nicht beschweren bis jetzt, weil ihr keiner geglaubt hat. Und als die Rechtslage endlich so war, dass sie sich streiten konnte vor Gericht, wurde ihr auch der Schwarze Peter zugeschoben: Sie war schuld, die war die Nutte, sie war diejenige, die es provoziert hat."
Einschneidend war für sie auch ihre eigene Erfahrung mit ihrem Filmprojekt "Killertango" in den 70er-Jahren, das letztlich nie realisiert wurde:
"In diesem Projekt erstickt eine Frau an dem Schwanz eines Mannes. Das war für mich die Metapher für das tägliche Sterben unzähliger Frauen an den patriarchalischen Bedingungen, denen sie unterworfen sind."

Filmdozentin in Florida

Die Reaktion des Fernsehsenders, der den Film mitproduzieren sollte, ließ nicht lange auf sich warten: Sie sollte die Szene entfernen – was sie nicht tat. Ula Stöckl unterstützt auch die Initiative "Pro Quote Film", die sich für eine 50-prozentige Quote für die Vergabe von Aufträgen, Fördergeldern und Rollen einsetzt. Und sie gibt ihr Wissen und ihre Erfahrungen an Filmstudentinnen und -studenten an der University of Central Florida in Orlando weiter.
"Weil es ganz wunderbar ist, weiterhin aktiv daran beteiligt zu sein, mit jungen Menschen zu arbeiten, denen klarzumachen, in welcher Realität sie sich befinden. Denn ich kann ja auch meine Realität ja nur dann vermitteln, wenn ich sie mit vielen teile. Wir müssen viele sein – und dann können wir etwas verändern. Und deswegen auch mein Spruch: Zu Hause bin ich, wo ich etwas verändern kann."

Anlässlich ihres 80. Geburtstages widmet das Berliner Kino Arsenal der Filmemacherin vom 9. bis 14. Februar 2018 eine Werkschau mit 17 ihrer bedeutendsten Produktionen.

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