Filme als Leidenschaft

Von Sabine Huthmann und Friederike Wigger · 15.01.2013
Bettina Böhler ist eine der Großen in der deutschen Filmlandschaft - dennoch sieht man sie selten. Sie ist "Film-Editorin", schneidet also Filme. Dafür wurde sie schon mehrfach ausgezeichnet. Diese Woche startet ihr aktuelles Filmprojekt, die erste Zusammenarbeit mit Margarethe von Trotta.
Böhler: "Margarete von Trotta hat diesen Film über Hannah Arendt gedreht, das ist ja ihr neuester Film und ..."

Filmausschnitt

Böhler: "Hannah Arendt hat ja wirklich mit einem extrem deutschen Akzent Englisch gesprochen. Ich fand ganz toll. Da rief mich die Produzentin von Heimatfilm mich an und hat eben gesagt, ja sie produziert einen Film mit Margarete von Trotta über Hannah Arendt und ich sei ihre Traumbesetzung für die Montage.

Und ich meine, so was hört man natürlich sehr gerne. Und das ist meine erste Zusammenarbeit mit Margarete gewesen und diese Zusammenarbeit war wirklich grandios."

Ein Schneideraum in Berlin-Kreuzberg - geräumig und hell, spartanisch möbliert, dennoch einladend. Bettina Böhler sitzt an einem großen, schlichten Schreibtisch und blickt konzentriert auf zwei Bildschirme.

Auf dem einem ist Barbara Sukowa als Hannah Arendt zu sehen, auf dem anderen leuchten die bunten Spuren ihres Filmschnitt-Programms. Vor ein paar Jahren hätte man Bettina Böhler noch als Cutterin vorgestellt.

Böhler: "Die offizielle Berufsbezeichnung, die ist ‚Film-Editor’. Ja, die finde ich eigentlich auch richtig, aber es ist irgendwie komischerweise, wenn mich jemand fragt, was bin ich von Beruf und dann sag ich Filmeditor, dann weiß immer kein Mensch - hä? - was ist denn das? Ja.

Ich sag dann meistens: Ich schneide Filme, ja, was ja eigentlich keine Berufsbezeichnung ist, sondern ne Tätigkeit. Das finde ich, trifft es am ehesten."

Ihre Arbeit beginnt oft schon während der Dreharbeiten. Sie erhält das Bildmaterial, das nur ungefähr eine Woche zuvor aufgenommen wurde. Den Rohschnitt erstellt sie dann zunächst allein.

Böhler: "Im Grunde kann man das ja auch mit ’nem Lektor vergleichen und darum ist ja auch dieser Begriff ‚Editor’ - finde ich halt viel besser - oder auch Herausgeber, weil es hat sehr viel mit ‚herausgeben’ zu tun."

Bettina Böhler trifft die erste Auswahl des gedrehten Materials und kreiert auch schon den Grundrhythmus der Bilder. Erste Proben führt sie den Regisseuren bereits während des Drehs vor, doch die eigentliche Zusammenarbeit beginnt danach.

Bei ihr sitzt die Crème der deutschen Filmszene - Christian Petzold, Dani Levy, Angela Schanelec, Oscar Röhler - um nur einige zu nennen. Auf jeden Fall wird es dann lebhafter - und es gibt mitunter Gerangel.

Böhler: "Ja klar, also was heißt Gerang ... Es gibt dann Diskussionen natürlich ... und also auch da ist es gut psychologisch oder auch diplomatisch-psychologisch zu wirken unter Umständen und dann eben den Regisseur oder die Regisseurin zu überzeugen, was ich eben dann auch besser finde für den Film.

Also ich mein, das klingt jetzt irgendwie sehr machtversessen oder vielleicht auch ein bisschen arrogant, aber es ist einfach so, dass natürlich ein Regisseur dann doch weniger Abstand einfach hat zu der Geschichte, die er erzählt, als ich, die ich natürlich immer mehr so einen Außenblick habe."

Ihr strahlendes Lächeln erzählt von Stolz, Bescheidenheit und einer sympathischen Schüchternheit - das große Podium ist ihre Sache nicht. Bettina Böhler ist jetzt Anfang 50 - in Freiburg geboren, in Berlin aufgewachsen und dort geblieben.

In ihrem Elternhaus spielen die Künste keine so große Rolle, doch sie entdeckt schon früh ihre Liebe zum Film. Als Heranwachsende überlegt sie, ob Regie, Kamera oder Schauspielerei in Frage kämen, aber ...

Böhler: "Aber das habe ich sehr schnell alles fallengelassen, also Schauspieler, uh, da muss man sich dauernd zeigen und das geht gar nicht und dann ja, schon zu Schulzeiten, also noch vor dem Abitur, war mir eigentlich klar, dass ich in Richtung Montage gehen will."

Böhler: "Es gab ja eben damals, das war Ende der 70er-Jahre, weder in Westdeutschland noch in West-Berlin eine Filmhochschule, die eben Montage angeboten hat, das heißt man konnte es nicht studieren, man konnte diesen Beruf nur in der Praxis lernen, und so habe ich das halt gemacht."

Fünf Jahre lang ist sie Filmschnitt-Assistentin. Bei den Geyer-Kopierwerken, im Synchronstudio und später in der West-Berliner Filmszene der 1980er-Jahre. Beim Dreh ist sie nicht dabei. Ganz bewusst.

Böhler: "Abgesehen davon, dass ich jetzt auch wirklich kein Fan von Dreharbeiten bin, das liegt nicht in meiner Natur, darum habe ich mich für diesen ruhigen Schneideraum entschieden, weil ich einfach nicht so gerne mit wahnsinnig viel Leuten zusammenarbeite, was beim Drehen eben unwillkürlich so ist, weil ich eben gar nicht wissen will, was es da für widrige Umstände, wie jetzt bestimmte Szenen zustande gekommen sind oder auch positive Situationen, und ich möchte einfach diesen ganz neutralen Blick."

Böhler: "Axel Milberg spielt ihren Mann."

Im Schneideraum lernte Bettina Böhler auch ihre Lebensgefährtin kennen - die Filmregisseurin Angelina Maccerone. Die beiden arbeiten oft zusammen. Zuletzt entstand "The Look", ein Dokumentarfilm über Charlotte Rampling.

Böhler: "Ja, klar, man teilt natürlich die Leidenschaft für diese Filme. Wir haben auch schon jetzt sieben Filme hinter uns gebracht. Sieben Filme in sieben Jahren, irgendwie funktioniert das sehr gut."