Film "Ruined Heart"

Rauschhafte Bilder ohne viele Worte

Schauspieler, Kameramann, der philippinische Regisseur Khavn Nicolas de la Cruz (4.v.re.) und der Produzent Stephan Holl (re.) des Films "Ruined Heart - Another Love Story Between a Criminal and a Whore" beim 27. Tokio Film Festival am 23. Oktober 2014
Der philippinische Regisseur Khavn Nicolas de la Cruz (4.v.re.) und der Produzent Stephan Holl (re.) mit weiteren Beteiligten des Films "Ruined Heart" © dpa / picture alliance / Christopher Jue
Stephan Holl im Gespräch mit Susanne Burg · 21.03.2015
Die Frau eines Mafia-Bosses in Manila brennt mit einem seiner Mitarbeiter durch. Darum geht es im Film "Ruined Heart", einer philippinisch-deutschen Koproduktion. Der Trip aus wilden Bildern sollte mit möglichst wenigen Dialogen erzählt werden, sagt der Produzent Stephan Holl.
Susanne Burg: In der kommenden Woche läuft eine philippinisch-deutsche Koproduktion in den Kinos an. Sie heißt "Ruined Heart. Another Lovestory Between a Criminal and a Whore". Was auf Deutsch so viel bedeutet wie: "Kaputtes Herz. Eine weitere Liebesgeschichte zwischen einem Kriminellen und einer Hure". Und es ist eine Geschichte, die alles andere als klassisch erzählt ist. Als Punk-Noir-Oper bezeichnen die Schöpfer des Werks diesen Film selbst. In rauschhaften Bildern ohne Worte, begleitet unter anderem durch die Musik des Berliner Elektropop-Duos Stereo Total, erzählt der Film von einem Mafiaboss in Manila, der einem Mitarbeiter den Auftrag erteilt, seine Frau zu beschützen. Die beiden verlieben sich und rennen davon. Regie geführt hat der philippinische Regisseur Khavn De La Cruz, produziert hat ihn Stephan Holl, gleichzeitig auch Geschäftsführer des Filmlabels Rapid Eye Movies und jetzt hier im Studio. Freut mich, dass Sie gekommen sind, guten Tag, Stephan Holl!
Stephan Holl: Guten Tag, hallo!
Burg: Es ist der zweite Film mit Khavn De La Cruz, den Sie produziert haben, Stephan Holl. Was mögen Sie an ihm?
Holl: Seine Art, Filme zu machen, ist äußert ungewöhnlich. Khavn ist noch ein junger Regisseur, aber hat bereits über 40 Langfilme gedreht und kann nicht anders als permanent Filme zu machen. Und diese Energie finde ich ganz außerordentlich und das ist wirklich was Besonderes.
Burg: Ich habe ja eben schon gesagt, dieser Film ist so ein Trip aus Bildern, begleitet von Musik. Warum braucht der Film eigentlich keinen Dialog?
"Die Absicht war, möglichst dialogarm zu erzählen"
Holl: Ich sage mal so, die Absicht war, möglichst dialogarm zu erzählen. Und eigentlich ist schon alles gesagt im Titel, "Another Lovestory Between a Criminal and a Whore". Wir wollten damit auch sagen, vielleicht hat man die Geschichte so schon mal gesehen, aber sicherlich nicht in dieser Form, so wie das Khavn erzählt. Und das Drehbuch, auf das wir uns dann nach einigen Treffen geeinigt haben, das war überschrieben mit "45 Scenes in a random order", also 45 Szenen in einer beliebigen Reihenfolge oder zufälligen Reihenfolge. Also, das war durchaus alles beabsichtigt, eine Improvisation und nicht alles auszudefinieren und genau hinzuschreiben und schon zu wissen, was dann auf einen zukommt, sondern eine Collage.
Burg: Zu der Collage gehören ja auch die eindrücklichen Settings. Der Film spielt in winzigen Gassen, mit vielen Menschen in einer Markthalle, in der Kleidungsstücke verkauft werden, aber auch ein Konzert stattfindet, wo rote und goldene Glitzerfäden von der Decke hängen. Sie hatten nur fünf Drehtage, aber man hat fast den Eindruck, dass auch die Schauplätze selbst mitspielen!
Holl: Ja. Es ist so, dass wegen dieser wenigen Drehtage ... natürlich ist auch klar, dass man nicht in Manila selbst jetzt auch noch viele, viele verschiedene Locations bespielen kann. Und so war klar, es gibt eigentlich nur zwei Haupt-Locations. Ganz bemerkenswert ist also eine Slum-Area, eine Gegend, in der auf sehr engem Raum sehr viele Menschen leben. Was aber auch einen sehr dörflichen Charakter hat. Und Khavn ist eben sehr vertraut in dieser Umgebung und die Leute haben uns dort willkommen geheißen und waren augenblicklich auch Teil des Films. Also, es ist nicht so, dass man da als Crew ankommt und alles absperrt und dann sozusagen was inszeniert, sondern das echte Leben findet dann sofort auch Eingang in den Film. Und das, denke ich, macht auch den Charakter von "Ruined Heart" aus. Eine andere Location, die absolut erstaunlich ist, ist in Manila der Northern Cemetery, also ein Friedhof, der das Ausmaß einer Kleinstadt hat und sehr, sehr alt ist und wo Tausende von Menschen leben, im Einvernehmen mit den Nachfahren der dort Begrabenen. Es leben dort wirklich Familien in der Gruft und es gibt Fernseher und Strom und die Wäsche hängt zum Trocknen aus und ein kleines Kiosk. Es ist sehr merkwürdig, wie da sozusagen das pralle Leben und der Tod, wie nah das beieinander ist. Und solche Orte, die haben natürlich auch unseren Film geprägt. Und "Ruined Heart" lebt genau auch davon, vom Ort, vom Raum, in dem dann das Geschehen stattfindet.
Burg: Ist ja auch interessant, man hat so den Eindruck, seit fast schon 15 Jahren, mit dem Auftreten von Lav Diaz und dann auch Brillante Mendoza und dann Khavn De La Cruz kommen immer wieder interessante Filme aus den Philippinen. Was zeichnet für Sie dieses philippinische Kino aus?
Philippinisches Kino lebt von der "Freiheit im Erzählen"
Holl: Ich glaube, es ist eine Freiheit im Erzählen und dann auch mit einem Blick auf die Wirklichkeit dort. Also, warum es dort jetzt so eine Szene von Filmemachern gibt, die jetzt schon seit vielen Jahren so auf sich aufmerksam machen, ist schwer zu beantworten. Ich war dort, auch zum Dreh unseres Filmes, und es ist schon eine Energie, die auch der Ort und die Leute mit sich bringen, was vielleicht auch sehr inspirierend ist für Filmemacher. Und vielleicht ... Ja.
Burg: Ihre Firma Rapid Eye Movies gibt es seit 1996. Sie haben anfangs vor allem im Bereich Verleih und Vermarktung gearbeitet, schon immer mit dem Schwerpunkt auf asiatische Filme. Sie haben quasi die Bollywood-Welle auch in Deutschland mit angeschoben, vor allem auch durch Ihren Deal mit RTL 2, die ab 2004 viele Bollywood-Filme gezeigt haben. Da hieß es dann immer, nun ist Bollywood endlich auch in Deutschland angekommen, dann gab es viele andere Filme, und bei dem Film "Don. The King is Back" von 2011 hat dann sogar das Medienboard Berlin-Brandenburg mitgewirkt und Geld gegeben. Der Film lief an den Kinokassen aber dann nicht so wirklich gut und man muss sagen, er ist auch nicht so wirklich gut. Seitdem scheint es in Deutschland ruhiger geworden zu sein um Bollywood. Was ist mit diesem Boom?
Holl: Schön ist, dass es eine sehr loyale Fangemeinde gibt für Bollywood-Filme. Es war mal Teil des Mainstreams für vielleicht ein oder zwei Jahre, und das auch, weil RTL 2 tatsächlich sehr mutig einen Bollywood-Film im Hauptprogramm platziert hat, ohne zu wissen, was dann geschieht. Und das hat die Tür sehr weit aufgestoßen ganz speziell für Filme mit Shah Rukh Khan, der also von da an auch in Deutschland eben ein Star geworden ist. Und es ist heute ...
Burg: Man muss sagen, auch so der einzige Star aus Bollywood, das ist dann wieder der Pferdefuß dabei.
Holl: Richtig, ja, ja. Wir arbeiten natürlich schon seit vielen Jahren auch fleißig daran, das man auch unterschiedliche Filme aus Indien oder auch, bleiben wir mal bei Bollywood, bei dem Begriff, also auch dort unterschiedliche Filme hier bekanntmacht und verfügbar macht. Aber es ist ruhiger geworden, ja, aber es gibt eine wirklich tolle Fangemeinde, die sehr gut informiert, sehr gut vernetzt ist, und was es uns möglich macht, auch weiterhin kontinuierlich indische Filme hier rauszubringen.
Burg: Sie sind dann auch in die Filmproduktion eingestiegen, 2011 haben Sie Ihren ersten Film produziert, "Underwater Love. A Pink Musical" von Shinji Imaoka, eine japanisch-deutsche Koproduktion. War das auch, um ein bisschen so die Fühler auszustrecken, um die Geschäftsfelder zu erweitern?
"Eine sehr persönliche Auswahl von dem, was uns gefällt"
Holl: Nein, das war kein Businessplan oder so was, so okay, man muss jetzt hier irgendwie noch die Produktion sich drauftun. Sondern was wir als Verleih seit vielen Jahren machen, ist eine sehr persönliche Auswahl von dem, was uns gefällt. Und immer wieder Neues auszuprobieren und an den Rändern zu schauen. Und so kann man auch eben große Überraschungen erleben, wie dass plötzlich Bollywood in Deutschland so bekannt wurde. Das hatte bis vor uns niemand wirklich ernst genommen. Ha ha, das sind so Filme, drei Stunden und singen und tanzen, aber niemand hat das wirklich mal gesehen. Und wir haben das gemacht und damit auch großen Erfolg gehabt, wo ich auch wirklich dankbar für bin. Und diese Neugier hat sich auch in dieser Hinsicht durchaus mal gelohnt, solche Risiken einzugehen. Und ich denke, das ist aber kein Geschäftsmodell, was wir sozusagen von Anfang an formuliert und dann gelebt haben, sondern das ist eine Intuition und das ist eine Auswahl von etwas, was uns permanent auf die Suche macht, Neues zu finden. Und daraus entstanden sind natürlich auch über die Jahre Begegnungen mit Filmemachern, die wir sehr schätzen und die auch unsere Arbeit schätzen. Und so sind dann eben, würde ich sagen, natürlich-organisch haben sich Gelegenheiten ergeben, dann lass uns doch einen Film zusammen produzieren, direkt auch was entwickeln, eine Idee entwickeln und weiterverfolgen. Und ganz konkret war das in diesem Falle ein Treffen mit Christopher Doyle, dem Kameramann. Zunächst wollten wir eigentlich ein Buch machen über seine Arbeit und haben da auch lange dran gearbeitet, dieses Buch gibt es aber bis heute nicht, dafür haben wir aber jetzt zwei oder fast drei Filme miteinander gemacht, wo er auch immer ein ganz wesentlicher Teil ist im kreativen Prozess. Also, es sind die Leute eigentlich, denen wir begegnen und wo dann manchmal eben auch ein Film bei entsteht.
Burg: "Ruined Heart. Another Lovestory Between a Criminal and a Whore", so heißt der Film von Khavn De La Cruz, den Sie ab Donnerstag in den Kinos sehen können. Produziert hat ihn Stephan Holl. Und zum Abschluss hören wir noch ein Stück aus dem Film, "Coeur brisé" von Stereo Total, eine von verschiedenen Versionen von einem Lied, "Ruined Heart". Stephan Holl, warum gibt es da so verschiedene Versionen?
Holl: Khavn, der Regisseur, ist auch Musiker und hat uns dieses Stück komponiert, "Ruined Heart". Und das haben wir verschiedenen Musikern gegeben, befreundeten Musikern. Also Stereo Total, Scott Matthew hat seine Version "Ruined Heart" daraus gemacht und eine philippinische Soulband, "Bing Austria and the Flippin Soul Stompers" haben eine sehr schöne Soul- oder Ska-Version des Songs beigesteuert. Vielleicht ist das der Herzschlag von "Ruined Heart", ist dieses Lied.
Burg: "Coeur brisé" von Stereo Total und vielen Dank, Stephan Holl!
Holl: Danke schön auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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