Film der Woche: "Unantastbar"

Warum Weinstein sich so sicher fühlte

06:36 Minuten
Szene aus der Dokumentation über Harvey Weinstein.
Harvey Weinstein wurde im März 2020 wegen Vergewaltigung zu 23 Jahren Haft verurteilt. © Koch Films
Von Jörg Taszman · 09.04.2020
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Einschüchterung, Erpressung, Abfindungen und Schweigeklauseln: In "Unantastbar – Der Fall Harvey Weinstein" zeigt die Regisseurin Ursula Macfarlane eindrucksvoll, warum das Missbrauchssystem des Filmproduzenten so lange funktionierte.

Worum geht es?

Zu Beginn des eindrucksvollen Dokumentarfilms "Unantastbar – Der Fall Harvey Weinstein" sieht man Hope d'Amore, ein Opfer Weinsteins, die seit 40 Jahren nicht über den Missbrauch geredet hat.
Sie erlebte den umtriebigen Harvey noch, als er in der Studentenstadt Buffalo Musikstars wie die Stones oder Sinatra auf die Bühne brachte. Schon damals wollte Weinstein zusammen mit seinem Bruder Bob zum Film und nahm seine Mitarbeiterin Hope d'Amore mit zu einer Geschäftsreise nach New York.
Angeblich gibt es aber dort im Hotel nur noch ein einziges Zimmer, das sich, so Harvey, beide nun teilen müssten. Aber später legt er sich einfach nackt zu ihr ins Bett und zwingt sie zum Sex, nachdem er ihr droht und Versprechungen macht.
Es ist dieses Schema, das Weinstein später bei Schauspielerinnen oder Assistentinnen anwendet. Er lockt sie in seine Hotelzimmer, präsentiert sich plötzlich nackt, verlangt Massagen oder Sex.

Was ist das Besondere?

Ursula Macfarlane zeigt in ihrem Film, warum das Erpressungs- und Missbrauchssystem lange funktionierte. Frauen, die wagten, gegen Weinstein vorzugehen, wurden mit Abfindungen und Schweigeklauseln mundtot gemacht. Aber viele, vor allem junge und unsichere Frauen waren völlig eingeschüchtert.
An einem Beispiel illustriert der Film auch, warum sich Weinstein so sicher fühlte. Als er auf einer Filmparty eine junge Reporterin wüst beschimpfte, anschrie und handgreiflich wurde und ihren zu Hilfe eilenden Redakteur eigenhändig aus dem Club warf, nahmen einige Fotografen dieses vermeintliche Skandalbild auf. Doch es erschien nirgendwo, in keiner Zeitung, in keiner Zeitschrift.

Fazit

In ihrem vielschichtigen Porträt zeigt die Filmemacherin auch, wie sehr Weinstein mit seiner Leidenschaft für das Kino Menschen faszinierte. Als "Mister Oscar" gelang es ihm mit teuren Kampagnen, unter anderem die Karrieren von Quentin Tarantino oder Roberto Benigni zu begründen.
Aber dennoch entsteht so kein zwiespältiges Bild eines zu Recht gefallenen Filmmoguls, sondern eher ein komplexes Porträt eines Mannes, der seinen inneren Dämonen viel zu lange ungestraft nachgab.
Und so ist "Unantastbar – Der Fall Harvey Weinstein" ein gut recherchierter und keinesfalls dogmatischer Dokumentarfilm über Weinstein und seine Allmachtsfantasien, der viel über die Hierarchien innerhalb der Filmbranche aussagt, über Feigheit, Zivilcourage und Machtmissbrauch.

"Unantastbar – Der Fall Harvey Weinstein"
USA 2019, 101 Minuten
Von Ursula Macfarlane
Mit Harvey Weinstein, Jeffrey Katzenberg, Sophia Loren, Roberto Benigni u.a.
DVD/Video-on-Demand Premiere am 9. April

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