Film der Woche: "Russian Youth"

Wie sich eine Jugend im Krieg anfühlt

06:38 Minuten
Filmszene aus "A russian youth" von Alexander Zolotukhin. Ein einsamer junger Soldat steht auf einer Waldlichtung im Nebel.
"Russian Youth" von Alexander Zolotukhin lief bereits 2019 auf der Berlinale. © Antidote Sales / Lenfilm Studios
Von Anke Leweke · 30.04.2020
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Im Ersten Weltkrieg verliert ein junger Russe sein Augenlicht, doch er bleibt Soldat. Seine Ohren fungieren von nun an als Frühwarnsystem. In seinem Regiedebüt "Russian Youth" zeigt Alexander Zolotukhin eine Mischung aus Kriegs-, Jugend- und Musikfilm.

Um was geht es?

Ein russischer Junge aus einem Dorf zieht in den Ersten Weltkrieg. Die Uniform scheint zu groß, er weiß nicht wie man ein Gewehr hält. Die älteren Männer machen sich ein wenig lustig über ihn und wenig später liegt man gemeinsam im Schützengraben. Die Deutschen setzen Giftgas ein und der Junge verliert das Augenlicht. Dennoch behält man ihn an der Front, aufgrund seines guten Gehörs setzt man ihn an riesigen Metallrohren lauschend als Frühwarnsystem für feindliche Flugzeuge ein.

Was ist das Besondere?

Alexander Zolutukhin ist ein Student des russischen Regieexzentrikers Alexander Sokurow. Wie sein Lehrer arbeitet auch er mit einer extremen Filmästhetik, entziehen sich seine Bilder eindeutigen Erklärungen. Die Farben seines Regiedebüts sind ausgeblichen, das gestikulierende Spiel der Darsteller erinnert an die Stummfilmzeit. Gleichzeitig entwickeln die grobkörnigen Bilder eine überraschende Gegenwärtigkeit. Kamera und Schnitt halten Schritt mit dem Erblindeten. Er taumelt durch das Militärlager, irritiert die anderen Männer mit Berührungen, weil er seine Umgebung nur noch ertasten kann. Seine Gesichtszüge bleiben stets offen und unschuldig. Der Körper im Krieg wird in Szene gesetzt, seine Verletzlichkeit und Kreatürlichkeit.

Fazit?

Manchmal hört man Musik, manchmal sieht man ein Orchester im Bild. Es handelt sich um aktuelle dokumentarische Aufnahmen von Proben zu Sergei Rachmaninows 3. Konzert für Klavier und Orchester Op. 30 (1909) und den Sinfonischen Tänzen Op. 45 (1940). Diese Einblendungen unterbrechen nicht den Erzählfluss, vielmehr übersetzen sie die Motive und Themen des Films in einen akustischen Resonanzraum. Man stellt sich die zeitlose Frage, was es heißt, eine Jugend im Krieg zu verbringen.

"Russian Youth" von Alexander Zolotukhin
Russische Föderation 2019, 72 Minuten
Zu sehen auf www.mubi.com (Registrierung erforderlich)

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