Festival "Save The World" in Bonn

Gemeinsam die Welt retten

Das Opernhaus in Bonn wird auch für Theaterfeste genutzt.
Das Opernhaus in Bonn wird auch für Theaterfeste genutzt. © picture alliance / dpa / Wolfgang Moucha
Von Christiane Enkeler · 20.09.2015
Drei Tage lang hat sich das Theater Bonn im Rahmen des Festivals "Save The World" das Weltklima vorgenommen. Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp ist überzeugt: "Gemeinsam können Wissenschaft und Kunst sich ergänzen, inspirieren und beeinflussen."
"Das ist alles; wir wollen Sie ja nicht verletzen oder schädigen oder..."
Das junge fünfköpfige Theaterkollektiv "Prinzip Gonzo", unlängst in Berlin mit "Spiel des Lebens" sehr erfolgreich, hat in Bonn ein neues Theatre Game in Szene gesetzt: "No Way Out". Mit neun Stationen und 50 Minuten Spielzeit ist es Teil eines Festivals, das sich den Klimawandel vornimmt: "Save The World".
"Herzlich willkommen im NWO-Institut, wir freuen uns sehr, dass Sie sich bereit erklärt haben, heute an unseren Sondierungen teilzunehmen; Sie wissen vielleicht, haben draußen schon gelesen, wir beschäftigen uns hier mit dem Problem der Überbevölkerung und wollen heute im Rahmen von mehreren Sondierungen herausfinden, ob Sie vielleicht Teil der Lösung sein können. Ja? Ich würde Ihnen gerne an Hand des Planes kurz erklären, wie das funktioniert..."
Prinzip Gonzo "sondiert" Freiwillige in Disziplin, Neugier und Impulskontrolle. Alles wirkt freundlich, fürsorglich und entspannt. In Räumen mit Titeln wie "Altar der Opferbereitschaft" und "Schlund der Angst" sammelt jeder einzeln Punkte. Um am Ende an der "Pforte der Gerechtigkeit" anzuklopfen.
Hier wabern Nebel um eine quietschende Wippe herum, auf deren anderen Ende eine Figur Platz nimmt, die auf einem Auge blind ist und das Urteil spricht: ob man dazugehört oder ob man eingeladen wird, durch die Einnahme eines Serums zum Teil der Lösung zu werden.
Wie das paradiesische Klima Zivilisation erst möglich gemacht hat
Natürlich ist das keine Info-Veranstaltung. Die Gruppe will auch kein Statement abgeben. Sondern im besten Fall zum Nachdenken und zu Diskussionen anregen.
Herzstück des Festivals aber ist ein Parcours durch die Gänge und Werkstätten der Bonn-Beueler Spielstätte: In zwei Stunden besuchen die Zuschauer für je 15 Minuten sechs Teams aus Künstlern und Experten.
"Gemeinsam, so lautet unsere These, können Wissenschaft und Kunst sich ergänzen, inspirieren und beeinflussen."
Nicola Bramkamp, Schauspieldirektorin des Theaters Bonn und eine der beiden künstlerischen Leiterinnen des Festivals, hat sich Unterstützung geholt: Der 22-jährige Klimaaktivist David Saddington meint, das Klimaproblem erscheine uns so kompliziert, dass wir denken, wir haben nichts damit zu tun – sondern eher die Wissenschaftler. Er appelliert: Wir müssen anders darüber reden. Es müssen persönliche Erfahrungen geschaffen werden. Der Kunst traut er zu, andere Sichtweisen einzuführen und neue Denkwege zu etablieren.
"Glaubst du, die Dinge werden wahrer, wenn man sie wiederholt und je öfter man sie wiederholt, oder werden sie dadurch unwahrer?"
Der Pop-Sänger Peter Licht gehört mit Christoph Bals, Gründungsmitglied der NGO Germanwatch, zu einer der sechs Stationen. Die Regisseurin S.E. Struck hat die beiden inszeniert wie in einem vertieften Wohnzimmergespräch. Sie sind überhaupt nicht einer Meinung, aber sie zeigen Empathie und Geduld, erwägen Gedanken und Befindlichkeiten des anderen und sprechen darüber, wie das paradiesische Klima Zivilisation erst möglich gemacht hat. Also auch dieses zivilisierte Gespräch.
"Naja die Frage war halt eher so: Wie ist der Zugang auch zum Publikum? Also jeder hat ja sein Publikum, also Germanwatch hat sozusagen ne andere Zuhörerschaft als Peter Licht, und dadurch ist jetzt der Versuch dabei entstanden: Wie klingt das eher wissenschaftlich Vortragende, wie wirkt das auf die Leute im Dialog mit dem Vorsingen? Derselben Themen? Im Grunde."
Bänder unterteilen Räume, Reiskörner veranschaulichen Ungleichheit
In der Montagehalle des Theaters schafft der norwegische Schlagzeuger Amund Sjølie Sveen eine kontemplative Kirchenatmosphäre und hält mit dem Juniorprofessor Jan Börner den Klingelbeutel. So kann jeder einzelne Zuschauer seinen ganz persönlichen CO2-Fußabdruck im Festival wieder gut machen. Oder das Versprechen einer konkreten Verhaltensänderung geben.
Der Musiker ist für das Festival dreimal nach Bonn geflogen. Er präsentiert seine Fragen: Wie aus den Gesprächen mit dem Agrarwissenschaftler Kunst werden soll. Ob nicht nur das Gefühl entsteht, etwas Gutes zu tun. Ob der Vortrag nicht auch per Skype hätte stattfinden können. Wie er selbst von Prestige, Honorar und Bequemlichkeit abhängt. Und Jan Börner zeigt auf, dass wir Verhaltensweisen ändern können, ohne Verhaltensziele ändern zu müssen.
Inner- und außerhalb des Parcours wird Statistik visualisiert: Bänder unterteilen Räume, Reiskörner veranschaulichen Ungleichheit. In einem Container auf dem Theaterhof kann man "Blumenbomben" basteln. Gegenüber singt Bernadette La Hengst mit vielen Kindern fürs gute Klima. Ein Kunsthistoriker mit klarem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit klärt über "Gebäude-Recycling" auf.
In einem Experiment kann man "Zeichnen nach Anleitung über Kopfhörer" und am Ende vergleichen, ob man dieselben Koordinaten verstanden hat wie die anderen – oder ob die Dreiecke offen geblieben sind oder vielleicht ein Quadrat fehlt. Denn die Verständigung über Koordinaten wird bei einer Klimakonferenz mit fast 200 teilnehmenden Staaten auch nicht einfach. Das Festival bietet Konzerte. Außerdem zwei Premieren, die keinen direkten Bezug zum Klimathema haben, was wie eine große, aber unentschiedene Geste wirkt. - Warum ist alles so eng gedrängt? Andrea Tietz, künstlerische Leiterin:
"Ich glaube, weil wir versucht haben, und darüber muss ich auch noch nachdenken, verschiedene Zielgruppen zu bedienen."
Künstler, Kunst-Interessierte, Wissenschaftler, Aktivisten und viele Kinder begegnen sich auf dem Hof des Theaters. Die offene, entspannte Atmosphäre lädt zum Austausch und zum Nachfragen ein. Das sollte man dann aber auch wahrnehmen (können). Die Gonzo-Produktion, die jeder nur für sich alleine erfährt, setzt genau auf diesen Austausch. Wer weiß, was die anderen im "Himmel der Potenz" erlebt haben.
"Es war schön mit Ihnen in der Kiste. Aber ich glaube, Sie müssen zur Pforte der Gerechtigkeit, stimmt's?"
"Aber immerhin haben wir's noch geschafft, in die Kiste zu steigen. Ich find's super."
"Phänomenal."
"Sollen wir wieder raus?"
"
Luft, ja!"
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