Festival of New Music aus Berlin

Farbige Klangwelt und abrupte Enden

08:41 Minuten
Ein Mann sitzt an einem Flügel in der Mitte des Pierre-Boulez-Saals in Berlin, auf den Treppen des Saals stehen Musiker mit Streich- und Blasinstrumenten, im Vordergrund eine Kamera.
Spieler, Töne und die Leere dazwischen: Jörg Widmanns Komposition "empty space" erlebt seine Uraufführung auf dem Festival. © Monika Rittershaus
Jörn Florian Fuchs im Gespräch mit Mathias Mauersberger · 13.07.2020
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Zehn Uraufführungen in vier Tagen - und alles im Online-Livestream. Das war das Festival of New Music. Kuratiert haben es zwei Musikern von Weltrang: Daniel Barenboim und Emmanuel Pahud. Unser Kritiker war fasziniert.
"Nähe und Distanz" ist ein Motto, das gut in die aktuellen Zeiten der Coronapandemie passt. Unter diesen Bedingungen kuratierten Daniel Barenboim, Musikdirektor der Staatskapelle Berlin, und der Schweizer Flötist Emmanuel Pahud das "A Festival of New Music". Auf ihre Einladung hin setzten sich zehn zeitgenössische Komponistinnen und Komponisten mit dem Zusammenspiel von Abstand und Intimität auseinander.
Das Festival wurde von Donnerstag bis zum gestrigen Sonntag je zwei Stunden lang aus dem Berliner Pierre-Boulez-Saal ins Internet übertragen. Die Stücke wurden vorher aufgezeichnet und zugespielt. Zwischen den Konzertübertragungen sprachen Barenboim und Pahud miteinander und beantworteten Fragen aus dem Netz.

Schön begonnen, unvermittelt abgebrochen

Bei der Auswahl der Komponistinnen und Komponisten seien durchaus die Präferenzen der beiden bemerkbar gewesen, sagt Musikkritiker Jörn Florian Fuchs. "Emmanuel Pahud ist Weltklasseflötist", da sei es nur folgerichtig, dass es drei Stücke für Flöte gab.
"Natürlich wollte Barenboim nicht nur dirigieren, sondern auch ein bisschen Klavier spielen", so der Kritiker. Herausgekommen sei ein Festival mit 14 Stücken. Zehn zeitgenössische Neukompositionen und vier Boulez-Stücke wurden aufgeführt.
Nicht alle Uraufführungen konnten Fuchs überzeugen. Zum Beispiel habe die Komposition "Eumeniden" für Sopran und Ensemble von Irini Amargianaki auf ihn "ein bisschen bieder und simpel gestrickt" gewirkt.
Zwei Stücke – eines von Luca Francesconi und eines von Olga Neuwirth – seien sehr unvermittelt zu Ende gewesen. Dabei habe Francesconis Komposition "Lichtschatten" vielversprechend angefangen und eine sehr farbige, schöne Klangwelt entwickelt.
Neuwirths Stück "coronAtion II" habe dagegen regelrecht abgebrochen gewirkt. Es sei schwer zu sagen, ob dies an der Struktur der Stücke gelegen habe oder jemand vielleicht bis zum Festival nicht ganz fertig geworden sei, so Fuchs.

Blick durchs Schlüsselloch in Boulez' Musikzimmer

Aber es gab auch Positives: "Ein paar Werke waren wirklich sehr faszinierend." So etwa das Stück "Soubresauts" für Soloflöte von Philippe Manoury. Außerdem habe Barenboim zwischen den einzelnen Aufführungen etwa darüber gesprochen, was es bedeutet, zu Coronazeiten Stücke neu zu präsentieren. In einer Atmosphäre ohne Publikum, ohne Huster habe das seinen eigenen Reiz, so Fuchs.
Und Barenboim erzählte Anekdoten - etwa davon, wie er einmal heimlich in Boulez' Komponierzimmer schaute und ganz neue Einblicke in die Werkstatt des Meisters gewann: Dessen überall verstreute Notizen erschienen ihm wie eine Sammlung mathematischer Formeln.
(abr)
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