Festival „Female Voices of Iran“

"Wir haben das Potenzial, Friedensbotschafterinnen zu sein"

Gruppenbild der Sängerinnen, die in bunten Kleidern beisammen stehen.
Sängerinnen des Festivals "Female Voices of Iran". © © Zeitgenössische Oper Berlin/ dlf
Von Bamdad Esmaili · 12.11.2018
Auf dem Musikfestival Female Voice of Iran in Berlin sangen neun iranische Künstlerinnen Lieder aus ihrer Region. Einige standen zum ersten Mal alleine auf der Bühne, denn das Singen für Frauen ist seit der islamischen Revolution im Iran verboten.
Die Sängerin Atefeh Moghimi aus der Stadt Amol am kaspischen Meer war einer der Sängerinnen, die bei dem Festival Female Voice of Iran dabei war. Mit traditionellen, bunten Kleidern stand sie mit drei weiteren Musikern auf der Bühne der prachtvollen Villa Elisabeth in Berlin. Sie hat Melodien ihrer Stadt präsentiert.
Atefeh Moghimi: "Vor ungefähr 16 Jahren habe ich mit dem traditionellen iranischen Gesang angefangen. Und nach drei bis vier Jahren haben mir Leute vorgeschlagen, dass ich mit der Musik aus Mazandaran, aus dem Norden Irans weitermache. Ich muss tatsächlich neben der iranischen Musik erst die Musik aus meiner Region kennenlernen."

Soziales Engagement als Auswahlkriterium

So ist auch das Festival konzipiert. Neun Sängerinnen aus der jungen Generation, meistens aus den Grenzgebieten im Iran, stellen Musik ihrer Region vor. Denn der Iran ist ein Vielvölkerstaat. Menschen aus verschiedenen Ethnien wie Kurdistan, Aserbaidschan, Lorestan oder dem arabisch stämmigen Südwesten Khuzestan leben miteinander. Kuratorin des Festivals Yalda Yazdani berichtet, dass sie bei der Zusammenstellung des Programms zwar die Qual der Wahl hatte, aber dennoch ein bestimmtes Ziel verfolgt hat:
"Wir suchen die Sängerinnen nicht nur aufgrund ihrer Gesangsqualität aus. Ich schaue auch, inwieweit ist die Person in ihrer Region sozial aktiv. Sie kann unterrichten, Musik aus dem Gebiet aufnehmen oder auftreten. Für mich ist es wichtig zu sehen, in wieweit engagiert sich die Sängerin für den Erhalt der Musik ihrer Region um die Musik weiterzugeben."

Inspiration für junge Mädchen

Ein gutes Beispiel dafür ist die Sängerin Mina Deris aus Abadan im Südwesten Irans. Sie mischt arabische Musik mit elektronischen Beats.
Mina Deris ist 37 und ist in der Zeit des Iran-Irak-Krieges geboren. Sie gehört zum arabisch stämmigen Volk in Abadan. Seit Jahren konzentriert sie sich auf den Erhalt der arabischen Musik dort. Sie singt sehr alte Melodien aus dieser Region, die selbst unter den Iranern kaum bekannt sind.
"Ich habe eine Verpflichtung und eine Aufgabe. Vielleicht kann ich mit meiner Musik dafür sorgen, dass noch mehr junge Mädchen inspiriert werden, zu singen. Ich bin mir sicher, dass wir Frauen haben im Iran, die eine noch schönere Stimme als ich. Wir müssen ihnen das Gefühl geben, dass sich Dinge ändern können. Wir können den Weg freimachen. Denn wir haben das Potenzial, Friedensbotschafterinnen zu sein."

Wer gegen das Gesangsverbot verstößt, der droht Gefängnis

Damit spricht die Sängerin Mina Deris vorsichtig das Gesangsverbot für Frauen im Iran an. Seit fast 40 Jahren dürfen sie auf der Bühne nur im Chor oder nur vor weiblichem Publikum singen. Wer dagegen verstößt, muss mit eine Gefängnisstrafe rechnen. Ein Soloauftritt im Ausland wird zwar von der Regierung geduldet, dennoch sprechen die Sängerinnen sehr vorsichtig darüber. Im Interview zeigt sich Mina Deris dennoch optimistisch:
"Wir haben zwar das Gesetz, dass Frauen auf der Bühne solo nicht singen dürfen. Aber sie können im Chor singen und für die Harmonie in der Band sorgen. Und das ist ein Hoffnungsschimmer, den die Sängerinnen haben, um sich doch noch präsentieren zu können. Wir werden diese Zeit überstehen. Ich bin mir sicher, dass die Zeit kommen wird, in der auch die Stimmen der Sängerinnen im Iran Gehör finden werden."

Musikalische Darbietung in ungekannter Freiheit

Seit Ende Oktober waren die neun Sängerinnen aus dem Iran in Berlin und haben für ihren Auftritt geprobt. Sie profitieren davon, dass sie ihre Musik in ungekannter Freiheit darbieten und sich vernetzen können. Die meisten kannten sich nicht, dennoch beschreibt Sängerin Sahar Zibai die Stimmung als einmalig. Die 24-Jährige aus dem kurdischen Gebiet Kermanschah war die jüngste Künstlerin bei diesem Festival:
"Dieses Gefühl zwischen den Sängerinnen ist unbeschreiblich. Der Austausch zwischen unseren Gefühlen und Emotionen ist noch nie da gewesen. Es war so schön, dass wir beschlossen haben, dass wir uns auch im Iran weiterhin treffen und austauschen wollen."
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