Fernsehmoderator und Autor Michel Abdollahi

"Wir haben verlernt, zu widersprechen"

34:32 Minuten
Porträt von Michel Abdollahi.
"Weder Facebook, noch Twitter, noch Instagram tun meiner Seele wirklich gut", sagt Michel Abdollahi. © Asja Caspari
Moderation: Britta Bürger · 28.10.2020
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"Ich bin Muslim. Was wollen Sie wissen?" Mit diesem Schild stellte sich Michel Abdollahi in eine Hamburger Fußgängerzone und wurde damit international bekannt. Mit Humor und Mut setzt er sich für Freiheit und Demokratie ein.
"Der deutsche Michel" heißt eine Late-Night-Show, die Michel Abdollahi beim NDR moderiert. Ein Titel nicht ohne Ironie, denn Abdollahi wurde im Iran geboren. Damals gab es auf dem Standesamt in Teheran Probleme mit der Eintragung des Vornamens Michel, der nicht den Gepflogenheiten der Islamischen Republik entspricht.
Seit er fünf Jahre alt ist, lebt Michel Abdollahi in Hamburg, in zwei Sprachen und zwei Kulturen. "Das ist ein schönes Geschenk", sagt er über seine Zweisprachigkeit, fügt aber gleich hinzu: "Ich bin so wütend auf die Menschen, die versuchen einem abzusprechen, dass man zwei Kulturen in sich tragen kann" - wie er das beispielsweise von Neonazis gehört habe.
Abdollahi ist Moderator, Buchautor, Journalist, Poetry Slammer, macht Performances und einiges mehr, mit dem Etikett "politischer Entertainer" kann er gut leben. Nach dem Anschlag von Islamisten auf die Redaktion der französischen Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" stellte Abdollahi sich mit einem Schild in eine Hamburger Fußgängerzone, auf dem stand: "Ich bin Muslim. Was wollen sie wissen?"

Die Grenzen von Kunst und Kultur

Bekannt wurde er vor fünf Jahren durch eine TV-Reportage über Neonazis. Mit diesen Kontakt aufzunehmen, war für Abdollahi gar nicht so schwer: "Ich höre den Menschen erst mal zu und dann stelle ich Fragen, die ich einfach habe."
Mit dieser "locker-flockigen" Herangehensweise kam er zwar mit Rechtsextremen ins Gespräch, doch gebracht habe das leider nichts, meint er. Abdollahi erkannte: "Sie können nicht mit Kunst und Kultur verhindern, dass neun Menschen in Hanau umgebracht werden oder eine Synagoge angegriffen wird."

Als Migrant "permanent in Gefahr"

Entsprechend ernst ist nun der Ton in seinem kürzlich erschienenen Buch "Deutschland schafft mich. Als ich erfuhr, dass ich doch kein Deutscher bin", in dem er sich mit Rassismus auseinandersetzt und auch mit der zunehmenden verbalen Gewalt, die ihm in den Sozialen Medien entgegenschlägt: "Weder Facebook, noch Twitter, noch Instagram tun meiner Seele wirklich gut."
Nach wie vor steht Michel Abdollahi gern auf der Bühne und vor der Kamera. Aber seine Präsenz in der Öffentlichkeit habe auch Nachteile, sagt er: "Wenn Sie als Migrant in Deutschland sichtbar sind, dann sind Sie eigentlich permanent in Gefahr."
Trotz aller Besorgnis über das gesellschaftliche Klima ist Abdollahi überzeugt, dass "die überwältigende Mehrheit der Menschen in diesem Land ganz fantastisch ist". Und diese Mehrheit dürfe sich von einer Minderheit, von Rassisten und Maskenverweigerern, nicht deren Diskurs aufdrängen lassen: "Man muss Blödsinn nicht zuhören. Wir haben es verlernt, zu widersprechen."
(pag)
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